Die Verkehrspolizei kann auf eine Vielzahl an Messgeräten, die sich unterschiedlicher Messtechniken bedienen, zurückgreifen, um Temposündern auf die Schliche zu kommen. Eines dieser Messgeräte ist der auf der Technologie der Piezomessung basierende TraffiStar S 330 aus der Traffipax-Reihe. Die digitale Messanlage des Technologieunternehmens Jenoptik erhielt ihre Zulassung im Jahr 2003.
Wie der Laser-Blitzer TraffiStar S 350 schon, geriet auch der Piezo-Blitzer TraffiStar S 330 in die Kritik. Das Problem: Unzureichende Datenspeicherung. Anders als viele andere Tempomessgeräte, speichern die beiden Jenoptik-Blitzer nicht sämtliche Messdaten ab. Diese Daten wären aber notwendig, um Messungen genau nachvollziehen und Messfehler aufdecken zu können.
Das Messergebnis im Bußgeldbescheid anzuzweifeln, kann für Betroffene also erfolgversprechend sein. Da unterschiedliche Messgeräte auch verschiedenartige Fehlerquellen aufweisen, ist es in diesem Zusammenhang hilfreich, zu wissen, wie der TraffiStar S 330-Blitzer funktioniert und welche Fehlerquellen es gibt. Mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im November 2020 hat sich zudem die Herausgabe von Rohmessdaten vereinfacht, sodass es für Geblitzte einfacher ist, einen Bußgeldvorwurf anzufechten.
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Zum Blitzer-CheckIn Bayern nutzt die Polizei den TraffiStar S 330-Blitzer erst seit Mitte 2014 flächendeckend. In anderen Bundesländern hingegen ist das Piezo-Messsystem schon länger im Einsatz, zum Beispiel in Rheinland-Pfalz, Thüringen und Baden-Württemberg.
Die Polizei setzt den TraffiStar S 330, den Nachfolger des TraffiPhot S, als stationären Blitzer vor allem auf Autobahnen, Brücken und in Tunnel ein. Insbesondere unfallreiche Stellen oder Autobahnabschnitte mit hohem Verkehrsaufkommen überwachen Behörden mit dem Blitzer. Da aufgrund der Piezotechnik Sensoren zur Geschwindigkeitsmessung in die Fahrbahn eingelassen werden müssen, ist der mobile Einsatz des TraffiStar S 330 nicht möglich.
Der Blitzer TraffiStar S 330 kann Geschwindigkeiten des ankommenden Verkehrs im Bereich von 15 bis 250 km/h erfassen. Das Messgerät kann zudem drei Fahrspuren gleichzeitig erfassen, wenn jeweils eine Digitalkamera pro Spur installiert ist. Für Motorradfahrer interessant, ist sicherlich, dass Heckaufnahmen mit dem TraffiStar S 330 möglich sind.
Achtung: Der TraffiStar S 330 ist ein Blitzer ohne Blitz. Das Messgerät bedient sich nämlich der sogenannten Robot-Black-Flash-Technologie, eine Blitztechnik im für den Menschen unsichtbaren Infrarotbereich. Solche Schwarzlichtblitzer haben den Vorteil, dass Fahrer im Straßenverkehr und vor allem im dunklen Tunnel nicht abgelenkt werden. Der Nachteil: Betroffene merken nicht, wenn sie geblitzt wurden und können im Nachhinein keine Stellung zum Tempoverstoß nehmen.
Der Blitzer TraffiStar S 330 arbeitet mit drei, in einem Abstand von einem Meter in Fahrtrichtung befindlichen piezoelektrischen Drucksensoren beziehungsweise Piezosensoren oder Koaxialkabeln. Bei den drei Sensoren handelt es sich um in Induktionsschleifen in die Fahrbahn eingelassene Messfühler. Diese decken jeweils drei kurze Messstrecken ab.
Durch Nutzung des sogenannten Piezoeffekts berechnet das Messgerät aus der Überfahrzeit des jeweiligen Fahrzeugs und der Messstreckenlänge mittels Weg-Zeit-Formel die durchschnittliche Fahrzeuggeschwindigkeit in km/h.
Der Piezoverstärker im TraffiStar S 330 kann während des Messvorgangs mithilfe der Stärke des auf die Sensoren ausgeübten Drucks den Fahrzeugtyp bestimmen. Das heißt, der Piezo-Blitzer erkennt, ob ein Pkw oder ein Lkw den Messbereich durchfährt. Für die Tempokontrolle ist das von Vorteil, denn für schwerere Fahrzeuge gelten teils niedrigere Tempolimits. Der Blitzer kann also an richtiger Stelle auslösen.
Hinweis: Durch die Installation von GPS-Radarwarngeräten ins Kfz oder GPS- und POI-Warner ins Kfz-Navigationssystem können Radarwarner (z.B. Genevo One G1) TraffiStar S 330-Geräte erkennen und den Fahrer vor dem Blitzer warnen. Der Einsatz von Apps und Geräten, die vor Blitzer warnen, ist allerdings in Deutschland verboten. Dem Fahrer drohen gemäß Bußgeldkatalog neben einem Punkt in Flensburg ein Bußgeld von 75 Euro.
Das TraffiStar S 330-Messverfahren beginnt mit der Einfahrt eines Fahrzeugs in den Messbereich:
Die vom Piezoverstärker empfangenen Daten sowie die der Digitalkamera werden von den Messbeamten über eine Netzwerkverbindung abgerufen und auf einen Auswerte-Computer übertragen. Mithilfe einer Auswertesoftware kann das Messpersonal dann die Beweisfotos mit den eingeblendeten Messdaten sehen.
Traffipax TraffiStar S 330-Toleranzabzug: Beträgt die Fahrgeschwindigkeit des gemessenen Fahrzeugs weniger als 100 km/h, wird hiervon eine Toleranz von drei km/h abgezogen. Bei einem Tempo von mehr als 100 km/h werden drei Prozent vom Messergebnis subtrahiert. Im Einzelfall kann ein Gericht im Bußgeldverfahren einen höheren Toleranzabzug gewähren.
Das Tempomesssystem TraffiStar S 330 zählt zu den Standardmessverfahren und kann zuverlässig zur Geschwindigkeitskontrolle eingesetzt werden. Bei gleichen Messsituationen sind demnach gleiche Messergebnisse zu erwarten. Dennoch kann es natürlich zu Messfehlern kommen, wie bei anderen Geschwindigkeitsmessgeräten auch:
Nicht nur das Messgerät kann Messfehler verursachen, die einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid begründen. Auch der Bußgeldbescheid selbst kann fehlerhaft sein beziehungsweise formale Fehler enthalten. Beschuldigte sollten zum Beispiel ihre Personendaten und das Blitzerfoto überprüfen. Ist man auf dem Foto nicht erkennbar, ist der Bußgeldbescheid anfechtbar. Auch eine fehlende Rechtsmittelbelehrung im Schreiben kann den Einspruch rechtfertigen.
Mitte 2019 hat der Verfassungsgerichtshof Saarland die Verwertbarkeit der TraffiStar S 330-Messergebnisse in Frage gestellt, da das Gerät im Messbetrieb keine Rohmessdaten abspeichert. Das hat zur Folge: Die Entstehung des Messergebnisses ist im Nachhinein nicht nachvollziehbar. Dies ist wiederum problematisch für Betroffene, die sich gegen einen Bußgeldvorwurf wehren wollen.
Die TraffiStar S 330-Rohmessdaten müssten die Druckverläufe bei den Messungen der Piezosensoren widerspiegeln. Dass diese Messsignale beim Messvorgang entstehen, ist sicher, und dass sich ohne diese kein Messwert errechnen lässt, ebenfalls. Ob die Rohmessdaten allerdings gespeichert und auf Nachfrage zur Verfügung gestellt werden können, ist noch nicht endgültig geklärt.
Nach Erhalt eines Bußgeldbescheides mit dem Traffipax TraffiStar S 330 als Beweismittel, kann ein Einspruch im Einzelfall sinnvoll sein, da aufgrund fehlender Rohmessdaten die Verwertbarkeit der TraffiStar S 330-Messergebnisse bereits mehrfach hinterfragt wurde. Allerdings erfüllt der TraffiStar S 330 alle Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens, weshalb grundsätzlich auf die Korrektheit der Messergebnisse vertraut werden kann. Ein Einspruch muss plausibel begründet sein, damit ein Gericht den Tempoverstoß genauer untersucht.
Ein Rechtsanwalt kann Einsicht in die Bußgeldakte erlangen und mit Begutachtung der Messprotokolle, Eichscheine oder Lebensakte des Messgeräts beurteilen, ob ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid Aussicht auf Erfolg verspricht.
Betroffene müssen auf das Schreiben der Bußgeldstelle schnell reagieren, denn ein Einspruch muss innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Anwaltlicher Rat kann schon bei Erhalt des Anhörungsbogens Sinn machen, da sich so möglicherweise der Erlass des Bußgeldbescheids verhindern lässt.
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