Eine Massenentlassung ist arbeitsrechtlich besonders fehleranfällig. Wir haben für Sie zusammengefasst, wann der Arbeitgeber eine geplante Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit anzeigen muss, welche Informationspflichten der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat hat und was eine Massenentlassungsanzeige auszeichnet.
- Massenentlassung und Massenentlassungsrichtlinie der EG
- Was zählt zum Schwellenwert für eine Massenkündigung?
- Konsultationsverfahren: Massenentlassung und Betriebsrat
- Massenentlassung: Sozialplan und Interessenausgleich
- Massenentlassung: Kündigungsfrist und Sperrfrist durch die Arbeitsagentur
- Entlassungswelle während der Kurzarbeit
- Fehler bei Massenentlassung: Kündigungsschutzklage?
Massenentlassung und Massenentlassungsrichtlinie der EG
Mit einer Massenentlassung ist die gleichzeitige Kündigung vieler Arbeitnehmer durch einen Arbeitgeber gemeint. Damit die Agentur für Arbeit rechtzeitig informiert ist, dass sie ein vermehrter Zugang Arbeitssuchender erwartet, müssen Arbeitgeber ab einer Betriebsgröße von 21 Mitarbeitern Massenentlassungen schriftlich anzeigen. Die Anzeige, die der Arbeitgeber in solchen Fällen zu erstatten hat, nennt sich Massenentlassungsanzeige.
Das Kündigungsschutzgesetz legt zahlenmäßig fest, wann es sich um eine anzeigepflichtige Massenentlassung handelt (§ 17 Abs.1 KSchG). Je mehr Arbeitnehmer in einem Unternehmen oder Betrieb beschäftigt sind, desto mehr Entlassungen sind erforderlich, um von einer Massenentlassung zu sprechen. Arbeitgeber müssen bestimmte Schwellenwerte beachten, um frühzeitig einschätzen zu können, ob eine Massenentlassung vorliegt.
Die EG-Massenentlassungsrichtlinie RL/98/59/EG ist eine von der Europäischen Gemeinschaft (EG) erlassene Richtlinie für die Mitgliedsstaaten zur Umsetzung eines einheitlichen europäischen Rechtes bei Massenentlassungen. In Deutschland bildet das Kündigungsschutzgesetz die Grundlage für die Massenentlassung beziehungsweise die Massenentlassungsanzeige (§ 17 KSchG).
Plant ein Arbeitgeber Massenentlassungen, muss er sich gemäß Kündigungsschutzgesetz, in dem die Massenentlassungsrichtlinie umgesetzt wurde, im Großen und Ganzen an folgendes halten, damit die Massenentlassung rechtens ist:
- Betriebsrat konsultieren: Die Massenentlassungsrichtlinie fordert ein Unterrichtungs- und Beratungsrecht für die Arbeitnehmervertreter. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat rechtzeitig informieren.
- Massenentlassungsanzeige: Weiterhin muss der Arbeitgeber beabsichtigte Entlassungen mittels Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur schriftlich anzeigen.
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Jetzt kostenlos prüfenWas zählt zum Schwellenwert für eine Massenkündigung?
Das Gesetz gibt Schwellenwerte vor, mit deren Hilfe festgelegt wird, ob es sich um eine sogenannte Massenentlassung oder lediglich um mehrere gleichzeitige Kündigungen handelt. Grundlegende Faktoren sind die Betriebsgröße und die Anzahl der zu entlassenden Mitarbeiter. Der Schwellenwert für Massenentlassung zeigt an, wann der Arbeitgeber eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit einreichen muss:
- Wenn in Betrieben mit mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlassen werden sollen.
- Wenn in Betrieben mit mehr als 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern zehn von jeweils hundert der im Betrieb beschäftigten oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlassen werden sollen.
- Wenn in Betrieben mit mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlassen werden sollen.
Schwellenwerte: Wer zählt als Arbeitnehmer und welche Entlassungen sind zu berücksichtigen
Weiterhin gilt für die Berechnung der Anzahl der Entlassungen gemäß Massenentlassungsrichtlinie:
- Andere Kündigungen: Andere vom Arbeitgeber ausgehende Kündigungen stehen den Massenentlassungen gleich.
- Befristete Arbeitnehmer: Im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie gelten auch befristet beschäftigte Arbeitnehmer als Teil der Belegschaft, weshalb sie bei der Prüfung der Schwellenwerte mitzählen. Der reguläre Auslauf einer Befristung zählt jedoch nicht bei der Anzahl der Entlassungen im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie mit.
- Leiharbeitnehmer: Bei einer Entlassungswelle zählen Leiharbeiter nicht mit, denn Leiharbeiter werden nicht arbeitslos, sondern ihr eigentlicher Arbeitgeber, die Leiharbeitsfirma, muss sich um eine andere Einsatzmöglichkeit kümmern.
- Geschäftsführer: Im Falle von Massenentlassungen zählen Geschäftsführer einer GmbH als Arbeitnehmer.
- Leitende Angestellte: Für leitende Angestellte gilt kein Sonderkündigungsschutz bei Massenentlassungen. Bei der Berechnung der Gesamtarbeitnehmerzahl sind sie nicht zu berücksichtigen.
- Änderungskündigungen: Wenn der Arbeitgeber zulasten des Arbeitnehmers aus nicht in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründe wesentliche Änderungen am Arbeitsvertrag vornimmt, ist dies bei der Anzahl der Entlassungen zu berücksichtigen. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot annimmt oder ablehnt.
- Aufhebungsverträge: Insofern der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag veranlasst hat, zählt er zum Schwellenwert für Entlassungen dazu.
- Eigenkündigungen: In der Anzahl der zu kündigenden Mitarbeiter sind Eigenkündigungen mit zu berücksichtigen, wenn diese vom Arbeitgeber veranlasst wurden.
Konsultationsverfahren: Massenentlassung und Betriebsrat
Wenn eine geplante Kündigungswelle aufgrund ihres Ausmaßes eine Massenentlassung darstellt, besteht für den Arbeitgeber die Pflicht für ein Konsultationsverfahren beim Betriebsrat. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat schriftlich über folgende Punkte informieren:
- Gründe für die Entlassungen
- Anzahl der zu entlassenden Mitarbeiter
- Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer
- Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen
- Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Mitarbeiter
- Kriterien für die Berechnung etwaiger Abfindungen
Ziel der Konsultation des Betriebsrates ist die Vermeidung von Massenentlassungen, die Reduzierung der von Massenentlassungen betroffenen Arbeitnehmer sowie die Abschwächung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Kündigungen.
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Jetzt kostenlos prüfenMassenentlassung: Sozialplan und Interessenausgleich
Bei bevorstehenden Massenentlassungen muss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat über einen möglichen Interessenausgleich sprechen – die sogenannte Interessenausgleichsverhandlung, denn die meisten Massenentlassungen führen zu betrieblichen Umstrukturierungen. Im Interessenausgleich ist die Art, das Ausmaß und der Zeitpunkt der Umstrukturierung geregelt.
Weiterhin ist der Arbeitgeber bei betriebsbedingten Kündigungen verpflichtet, mit dem Betriebsrat einen Sozialplan auszuhandeln (Sozialplanverhandlung). Ein Sozialplan bei Massenentlassung soll die wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer abmildern. Häufig sieht die Kündigung nach Sozialplan daher eine Abfindung vor.
Bekommt man bei einer Massenentlassung eine Abfindung? Ein grundsätzliches Recht auf eine Abfindung besteht nach einer Massenentlassung nicht. In der Praxis wird allerdings meistens eine Abfindung bezahlt, die sich aus dem Sozialplan ergibt.
Massenentlassung: Kündigungsfrist und Sperrfrist durch die Arbeitsagentur
Zum Schutz der Arbeitnehmer wird durch die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eine Sperrfrist ausgelöst. Diese hat zur Folge, dass die Kündigungen frühestens einen Monat nach Eingang der Anzeige wirksam werden. In manchen Fällen weitet die Arbeitsagentur diese Sperrfrist sogar auf zwei Monate aus. Kündigungen, die früher erfolgen sollen, muss die Arbeitsagentur zunächst genehmigen.
Mit der Sperrfrist soll die Agentur für Arbeit die Möglichkeit erhalten, den von den Entlassungen betroffenen Arbeitnehmern neue Beschäftigungen zu vermitteln. Nach Eingang der Massenentlassungsanzeige hat der Arbeitgeber 90 Tage Zeit, die Entlassungen durchzuführen (Freifrist). Andernfalls ist eine erneute Massenentlassungsanzeige nötig.
Entlassungswelle während der Kurzarbeit
Viele Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter zunächst in Kurzarbeit, um Kündigungen zu vermeiden. Nicht selten folgt dann eine größere Entlassungswelle im betroffenen Unternehmen. Massenentlassungen sind auch während der Kurzarbeit möglich, allerdings ist die Begründung der betriebsbedingten Kündigung erschwert. Der Grund: Beantragt ein Arbeitgeber Kurzarbeitergeld, deutet das darauf hin, dass die Arbeit, seiner Einschätzung nach, nur vorübergehend wegfallen wird. Kündigungen sind aber nur möglich, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass er Arbeitnehmer dauerhaft nicht mehr beschäftigen kann.
Betriebsbedingte Kündigungen beziehungsweise Massenentlassungen sind während der Kurzarbeit nur dann möglich, wenn sich die betriebliche Lage nach Beantragung des Kurzarbeitergeldes weiter verschlechtert hat.
Fehler bei Massenentlassung: Kündigungsschutzklage?
Verstöße gegen die Vorgaben der EG-Massenentlassungsrichtlinie haben Auswirkungen auf Kündigungsschutzverfahren und die Wirksamkeit von Kündigungen. Eine Massenentlassung unterliegt besonders hohen arbeitsrechtlichen Anforderungen und ist daher sehr fehleranfällig, was die Chancen auf einen erfolgreichen Kündigungsschutzprozess für Arbeitnehmer erhöht. Diese Voraussetzungen für eine wirksame Massenentlassung müssen erfüllt sein:
- Die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit muss ordnungsgemäß erfolgen.
- Die Sperrfrist der Arbeitsagentur und die sich daraus ableitende Kündigungsfrist für Arbeitnehmer ist einzuhalten.
- Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat konsultieren.
- Der Arbeitgeber muss mit dem Betriebsrat Beratungen zu den Massenentlassungen durchführen sowie über einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln.
- Durch den Arbeitgeber ist zu prüfen, ob einzelnen Arbeitnehmern besonderer Kündigungsschutz zusteht (etwa Schwangeren oder Schwerbehinderten).
Im Rahmen einer Massenentlassung ist der Arbeitgeber auch dazu verpflichtet, bei der Arbeitsagentur nachzuweisen, dass der Betriebsrat über die bevorstehenden Entlassungen umfassend informiert wurde und dass er sich mit dem Betriebsrat eingehend beraten hat. In den meisten Fällen ist eine Stellungnahme des Betriebsrats erforderlich.
Wichtig ist, dass der Arbeitgeber die Massenkündigung zur Anzeige bringt, bevor er Kündigungen ausspricht. Verstöße dagegen führen automatisch dazu, dass die betriebsbedingte Kündigung unwirksam wird. Der Arbeitgeber muss daher vor Ausspruch von Kündigungen genauestens prüfen, ob Massenentlassungen vorliegen. Ist dies der Fall, muss er den Betriebsrat informieren und die bevorstehende Massenentlassung der Arbeitsagentur melden.
Im Kündigungsschutzprozess prüft das Arbeitsgericht unter anderem, ob es sich um Massenentlassungen handelt und ob die durch die EG-Massenentlassungsrichtlinie und das Kündigungsschutzgesetz vorgegebenen Vorschriften eingehalten wurden. Häufig passieren Arbeitgebern Fehler beim Konsultations- und/oder beim Anzeigefahren. Natürlich können noch andere Faktoren, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Massenentlassung stehen, eine Kündigung unwirksam machen.
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