Seit Ende April mussten Autofahrer bei Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) mit härteren Strafen rechnen – vor allem für Geschwindigkeitsüberschreitungen. Doch zurzeit ist die neue StVO wegen eines Formfehlers wieder außer Kraft gesetzt. Durch die vorläufige Rücknahme der Novelle ist auch die politische Debatte um die strengeren Regeln erneut entfacht. Wenn neu verhandelt wird, könnten die härteren Strafen wieder abgemildert werden. Aber wie positionieren sich die Länder in dieser Frage?
Teurer wurde mit den neuen Strafen vor allem zu schnelles Fahren: Wer innerhalb eines Ortes 21 km/h oder außerorts 26 km/h zu schnell fuhr, dem drohte der nach der StVO-Novelle der einmonatige Führerscheinentzug. Zurzeit liegt das Limit wieder bei 31 km/h im Ort und bei 41 km/h außerhalb von Ortschaften.
Scheuer wollte die härteren Sanktionen nicht
Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums erklärte, die Außerkraftsetzung der neuen Regeln biete auch die Chance, „eine Unverhältnismäßigkeit im Bußgeldkatalog richtigzustellen“. Die härteren Strafen für Geschwindigkeitsübertretungen hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) selbst auch gar nicht vorgesehen – sie stammen vom Bundesrat und wurden ihm in seinen Entwurf der neuen StVO hineingeschrieben. Scheuer stand dann vor der Wahl, die strikteren Sanktionen zu akzeptieren oder seinen Entwurf für die neue StVO ganz zurückziehen.
Jetzt würde Scheuer die Sanktionen für zu schnelles Autofahren gern wieder entschärfen und die weniger strengen alten Schwellenwerte durchsetzen. Doch in vielen Bundesländern stellen sich die Grünen quer: Scheuers Vorstoß sende ein völlig falsches Signal an Raser.
Länder planen Blockade im Bundesrat
Die Grünen wollen eine Rücknahme der härteren Strafen für Temposünder jetzt im Bundesrat verhindern. Das ergab eine Umfrage der Neuen Osnabrücker Zeitung unter den grünen Verkehrsministern und grünen Fraktionschefs in den elf Bundesländern mit grüner Regierungsbeteiligung. Demnach wollen Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Berlin, Hessen, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg Scheuer die erforderliche Zustimmung im Bundesrat verweigern. Das wären 41 der 69 Stimmen in der Länderkammer – und damit eine klare Mehrheit. Brandenburg hatte der Zeitung nicht geantwortet.
„Eine Abschwächung der Regelung ist für uns keine Option“, sagte die Bremer Verkehrssenatorin Maike Schaefer der Zeitung. „Es ist durchaus machbar, sich an bestehende Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten.“ Auch für Winfried Hermann, Verkehrsminister in Baden-Württemberg, ist klar, dass die strengeren Regeln beibehalten werden müssen: „Wir wollen eine schnelle formale rechtliche Korrektur ohne Änderungen der beschlossenen Maßnahmen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Der Grünen-Politiker koordiniert das Vorgehen der Verkehrsminister und -senatoren seiner Partei in den Bundesländern bezüglich der StVO-Novelle. „Die Grundhaltung der Länder ist: Wir wollen endlich angemessene Sanktionen“, so Hermann: „Es setzen sich zu viele darüber hinweg, weil es einfach nicht teuer genug ist.“
Raserei ist Todesursache Nummer eins
Auch der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius will an den harten Strafen für Raser festhalten. Er ist dagegen, die Zwangspause für die neue StVO dafür zu nutzen, die eingeführten Neuerungen wieder zu entkräften: „Raserei ist die Todesursache Nummer eins auf unseren Straßen“, mahnt der SPD-Politiker. Deshalb müsse die StVO – abgesehen von den Rechtsfehlern – inhaltlich unverändert erneut erlassen werden. Hessens grüner Verkehrsminister Tarek Al-Wazir ist ebenfalls gegen Scheuers Vorstoß und schlägt dem Minister vor, „noch mal eine Nacht darüber zu schlafen“.
In den grün (mit-)regierten Ländern ohne grüne Verkehrsminister haben die befragten Fraktionsvorsitzenden deutlich gemacht, dass ihre Partei im Bundesrat mit ihren jeweiligen Koalitionspartnern auf Enthaltung pochen wird. Das würde wie ein Nein wirken. „Es gibt kein Recht auf Raserei mit dicker Brieftasche“, so Thüringens Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich. „Daher würden wir einer Abschwächung der Strafen nicht zustimmen.“
In Schleswig-Holstein sind die Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben und der FDP-Verkehrsminister Bernd Buchholz ebenfalls für die schärferen Regelungen: Von Kalben erklärt: „Wir Grüne werden uns dafür einsetzen, dass die Verschärfung bestehen bleibt.“ Und Buchholz bekräftigt: „Schleswig-Holstein hält an den verschärften Sanktionen fest.“
StVO-Novelle: Wie geht es jetzt weiter?
Aber wie geht es jetzt weiter mit der fehlerhaften Novelle? Darüber beraten Bund und Länder zurzeit auf Arbeitsebene. Vorerst sind die neuen Regelungen außer Kraft gesetzt. Baden-Württembergs Verkehrsminister Hermann fordert eine einheitliche Übergangsregelung. „Wenn jedes Bundesland eine eigene Rechtsauffassung hat, dann freuen sich die Rechtsanwälte.“ Seiner Ansicht nach sollten die alten Strafen nur bei den Tatbeständen verhängt werden, die in der neuen StVO nicht sauber geregelt sind. Ansonsten sollten bereits die neuen Bußgelder gelten.
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