Neues Blitzer-Urteil: Nur Polizei darf Tempo messen

Veröffentlicht am in Verkehrsrecht

Die Verkehrsüberwachung durch private Dienstleister ist rechtswidrig. Das entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main am 6. November 2019 in einer Grundsatzentscheidung. Auf dieser Grundlage können Städte und Gemeinden in Hessen also künftig keine Bußgeldbescheide mehr erlassen. Ein geblitzter Autofahrer war gerichtlich gegen eine Bußgeldverordnung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorgegangen. Er hatte mit der Argumentation geklagt, die Messung sei durch einen Angestellten einer privaten GmbH vorgenommen worden. Er bekam Recht – und zehn Euro Bußgeld erstattet.

Messung ohne Rechtsgrundlage

Das Oberlandesgericht stellt dazu klar: „Die vorliegend durchgeführte Verkehrsüberwachung durch den gemeinsamen Ordnungsbehördenbezirk der Gemeinden Freigericht und Hasselroth ist gesetzeswidrig. Die im hoheitlichen Auftrag von einer privaten Person durchgeführte Geschwindigkeitsmessung hat keine Rechtsgrundlage.“

Die dem Bußgeld zugrundeliegende Messung wurde von einem Angestellten einer privaten GmbH durchgeführt, mit der die Gemeinde einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zum Zweck der „Unterstützung bei der Durchführung von Geschwindigkeitsprotokollen, allgemeinen Datenverarbeitung und Erstellung von Messberichten“ geschlossen hatte. Das Regierungspräsidium Kassel hätte aber auf dieser Grundlage keinen Bußgeldbescheid erlassen dürfen.

Sämtliche Verkehrsüberwachungen des Bezirks unzulässig

„In der Folge dieses gesetzwidrigen Handelns sind sämtliche Verkehrsüberwachungen des gemeinsamen Ordnungsbehördenbezirks der Gemeinden Freigericht und Hasselroth mindestens seit dem 23.03.2017 unzulässig“, heißt es in dem Beschluss weiter. Nach Ansicht des Gerichts dürfte das auch für die Gemeinden Brachttal und Nidderau gelten, wo die Messungen ebenfalls von privaten Dienstleistern durchgeführt wurden.

Mit der Entscheidung hat das Oberlandesgerichts das Urteil des Amtsgerichts Gelnhausen bestätigt. In der Begründung des Amtsgerichts heißt es, der Bürgermeister der Gemeinde Freigericht habe im Zuge verbotener Arbeitnehmerüberlassung einen privaten Dienstleister mit der hoheitlichen Verkehrsüberwachung und der Verhängung von Verwarn- und Bußgeldern beauftragt. Die Staatsanwaltschaft Hanau hat daraufhin Rechtsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt.

Verkehrsüberwachung nur durch Ortspolizeibehörde

Die Verkehrsüberwachung darf nur durch eigene Bedienstete der Ortspolizeibehörde mit entsprechender Qualifikation durchgeführt werden, so das OLG Frankfurt. Der eingesetzte Zeuge sei unstrittig kein Bediensteter der Gemeinde und seine Überlassung im Wege der Arbeitnehmerüberlassung sei rechtswidrig. Damit fehlt dem Verfahren die Rechtsgrundlage für den Erlass des Bußgeldbescheids.

Sind auch andere Bußgeldbescheide ungültig?

Bei unseren Verkehrsrechts-Experten erkundigen sich jeden Tag viele Autofahrer, ob sie gegen ihren Bußgeldbescheid vorgehen können. Johannes von Rueden, Partner der Kanzlei, argumentiert so: „Eine Überwachung von Bundesbürgern egal ob zur Ermittlung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr oder zu anderen Zwecken bleibt richtigerweise dem Start vorbehalten. Wo kommen wir hin, wenn Privatfirmen plötzlich polizeiliche Aufgaben übernehmen. Richtigerweise sind die durch private Firmen ermittelten Daten in den Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen angebliche Verkehrssünder nicht zu verwerten und die Erhebung unzulässig.“

Vorerst betrifft die Entscheidung allerdings nur die hessischen Kommunen. Aus dem Ordnungsamt in Freigericht heißt es laut der „Süddeutschen Zeitung“, es habe den betroffenen Mitarbeiter längst tarifgebunden angestellt. Allerdings sei es auch in den umgebenden Gemeinden gängige Praxis, das Blitzer-Geschäft externen Mitarbeitern zu überlassen. Damit sollen wahrscheinlich Kosten eingespart werden. Jetzt müssen die betroffenen Kommunen für die Tempomessungen eigens dafür ausgebildete Personen anstellen.

Wer bekommt sein Geld zurück?

Weil jedes Bundesland seine eigenen Regeln hat, gibt es nur in Hessen Geld zurück. Die Wiederaufnahme eines Bußgeldverfahrens ist allerdings erst ab einer Strafe von mehr als 250 Euro gestattet – dafür muss man schon ziemlich gerast sein. Bagatellfälle wieder aufzurollen, lohnt sich kaum. Bei laufenden Verfahren können sich Betroffene aber erkundigen, ob ein ordnungsgemäßer Blitzer zu Messung eingesetzt wurde. Um das herauszufinden, muss allerdings ein Anwalt Akteneinsicht beantragen.

Voraussichtlich wird sich das OLG demnächst auch mit der Überwachung des ruhenden Verkehrs durch private Dienstleister in Frankfurt befassen. Kommt es zu einer ähnlichen Entscheidung, dürfte es für die Stadt teuer werden, so das Gericht. Im Jahr 2018 wurden in Frankfurt etwa 600.000 Euro durch geahndete Parkverstöße eingenommen.  

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