Viele Händler und Kunden beschäftigt zurzeit die Frage, welche Geschäfte wann wieder öffnen dürfen. Auch die Gerichte setzen sich mit dieser Frage auseinander. Die Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof war juristisch gegen die Schließung seiner Filialen im Zuge der Coronakrise vorgegangen. Jetzt haben die Oberverwaltungsgerichte (OVG) in Berlin und Greifswald die Eilanträge des Konzerns zurückwiesen. Die Richter befanden, dass der Gesundheitsschutz vorgehe. In Nordrhein-Westfalen und Bremen stehen die Entscheidung noch aus.
Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof geht in mehreren Bundesländern mit Eilanträgen gegen die Schließung seiner Filialen vor. Die Oberverwaltungsgerichte in Berlin und Greifswald haben bereits entschieden: Sie halten die behördlichen Anordnungen für rechtens und haben die Eilanträge gegen die Schließungen zurückwiesen.
Gravierender Einschnitt in Umsätze
Karstadt Kaufhof hat die Eilanträge damit begründet, dass die Schließung der Filialen zur Eindämmung der Corona-Pandemie „ein gravierender Einschnitt für das Tagesgeschäft und sämtliche Umsätze des Unternehmens“ seien. Der Kette beschäftigt über 28.000 Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze durch die Umsatzeinbußen bedroht sein könnten.
Deshalb hatte Karstadt Kaufhof bereits Anfang April beim zuständigen Amtsgericht in Essen ein Schutzschirmverfahren beantragt. Ein solches Verfahren gilt als Vorstufe der Insolvenz; es folgt den gleichen Regeln und geht oft in ein reguläres Insolvenzverfahren über. Das Unternehmen hatte sich wegen der Coronakrise auch schon um Staatshilfen bemüht und Kurzarbeit eingeführt. Außerdem will der Konzern laut Medienberichten bis mindestens Juni keine Miete für seine Kaufhäuser zahlen.
Schließungen durch das Infektionsschutzgesetz gedeckt
Die Richter der Oberverwaltungsgerichte in Berlin und Greifswald haben die Eilanträge dennoch abgewiesen. Die Anordnungen der Behörden seien „bei summarischer Prüfung durch das Infektionsschutzgesetz gedeckt und mit dem Grundgesetz vereinbar”, so das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. „Warenhäuser müssten nicht gleich behandelt werden wie Einzelhandelsgeschäfte, die der Grundversorgung der Bevölkerung dienen und deshalb von der Schließung ausgenommen sind“, befand das Gericht weiter. Die Schließung sei im Hinblick auf den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung verhältnismäßig und die Beschlüsse unanfechtbar.
Auch das OVG in Greifswald lehnte am Freitagabend einen Eilantrag ab, mit dem der Konzern seine Häuser in Rostock und Wismar ab Montag wieder öffnen wollte. Das Gericht teilte dazu mit: Die Regelung „der Schließung sämtlicher Verkaufsstellen des Einzelhandels unter gleichzeitiger Bestimmung ausdrücklich bezeichneter Ausnahmefälle erweise sich auch im konkreten Einzelfall der Antragstellerin als noch verhältnismäßiger, insbesondere erforderlicher und angemessener Eingriff in ihre Rechte“. Für eine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Branchen und Warenangebote gebe es hinreichende sachliche Gründe.
Die Greifswalder Richter argumentierten, der Warenhauskonzern müsse zwar empfindliche Eingriffe in seine Rechte hinnehmen, die zu massiven Einkommenseinbußen führten. Doch der Gesundheitsschutz, insbesondere die Verlangsamung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus, rechtfertige derart einschneidende Maßnahmen. Es liege kein Verdacht auf eine Verletzung des Grundrechts auf Gleichbehandlung vor.
Handelsverbände beklagen Willkür und Wettbewerbsverzerrung
In Brandenburg können kleinere Läden mit einer Verkaufsfläche bis zu 800 Quadratmetern vom 22. April an wieder öffnen – unter Beachtung der Abstands- und Hygieneregeln. Auch in Mecklenburg-Vorpommern bleiben nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts Warenhäuser mit einer Verkaufsfläche von über 800 Quadratmetern geschlossen. Die Regelung soll gewährleisten, dass nicht alle Läden gleichzeitig aufmachen und die Innenstädte dadurch wieder zu voll werden. Große Kaufhäuser wie Galeria Karstadt und Kaufhof müssen demnach weiter geschlossen bleiben.
Einzelhandelsverbände halten das Vorgehen allerdings für Willkür und sehen darin Wettbewerbsverzerrungen. „Wenn man sieht, dass Fahrrad- oder Buchläden unabhängig von der Größe geöffnet werden dürfen, aber ein Babyfachmarkt oder eine Parfümerie, die größer sind als 800 Quadratmeter, nicht, dann sind das Wettbewerbsverzerrungen“, kommentierte der Chef des Einzelhandelsverbands HDE, Stefan Genth, die Beschlüsse gegenüber ntv. Den Schaden, den die Geschäftsschließungen in vier Wochen angerichtet haben, schätzt er auf derzeit 30 Milliarden Euro.