Filesharing: OLG München hat entschieden.
In Filesharing-Verfahren müssen Eltern die Täterschaft ihrer Kinder offenlegen, wenn diese ihnen gegenüber die Tat eingeräumt haben. Das ergibt sich aus einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts München (OLG München, Urt. v. 14.01.2016, 29 U 2593/15). Die Entscheidung trifft auf starke Kritik.
Wird über einen Internetanschluss ein urheberrechtlich geschütztes Werk heruntergeladen, spricht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine so genannte tatsächliche Vermutung dafür, dass der Anschlussinhaber für diese Rechtsverletzung verantwortlich ist. Dieser tatsächlichen Vermutung liegt die Lebenserfahrung zu Grunde, dass der Anschlussinhaber seinen Internetanschluss alleine nutzt, oder zumindest mit Tatherrschaft darüber entscheidet, wer diesen nutzen darf.
In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht München war ein Ehepaar von der Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Rasch abgemahnt worden. Ihm wurde vorgeworfen, dass über den Internetanschluss im Jahr 2011 das Album “Loud” der Künstlerin “Rihanna” heruntergeladen wurde und damit zum Download in einer Tauschbörse angeboten wurde.
Filesharing – einfaches Bestreiten genügt für Kläger aus
Dem traten die beiden Anschlussinhaber entgegen. Sie brachten vor, dass der Internetanschluss auch ihren minderjährigen Kindern genutzt werden würde. Diese seien vor der Nutzung des Internets und zudem in regelmäßigen Abständen über die Illegalität des Filesharings belehrt worden. Zudem sei ihnen die Teilnahme an Tauschbörse verboten worden. Die Anschlussinhaber kamen ihrer sekundären Darlegungslast jedoch nicht in vollem Umfang nach. Danach hat der Anschlussinhaber nach Erhalt der Abmahnung Nachforschungen anzustrengen, ob und gegebenenfalls welche andere Personen eigenständigen Zugang zum Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Zudem ist der dazu verpflichtet mitzuteilen, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat (vgl. BGH, Urt. v. 11.06.2015, I ZR 75/14 – Tauschbörse III).
Sekundäre Darlegungslast erfordert genauen Vortrag
Umstritten ist dabei, ob die sekundäre Darlegungslast in Familienkonstellationen eingeschränkt wird. So verlangt das Landgericht Berlin gerade nicht, dass Familienmitglieder andere Familienmitglieder “ans offene Messer liefern”. Dies sei mit dem grundgesetzlichen Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar. Dem tritt jedoch jetzt das Oberlandesgericht München entgegen und führt dazu aus, dass Art. 6 Abs. 1 GG eben gerade “keinen schrankenlosen Schutz gegen jede Art von Beeinträchtigung familiärer Belange” gewähre, sondern auch die Eigentumsgarantie auf Seiten der Musikindustrie zu beachten sei. Andernfalls könnten Rechteinhaber ihre Ansprüche niemals gegenüber Anschlussinhaber geltend machen, die diesen für eine Familie betrieben, führten die Münchener Richter aus.
Anwälte hoffen auf Bundesgerichtshof
Rechtsanwalt Johannes von Rüden von der Kanzlei Wedermann | von Rüden kritisierte die Entscheidung: “Nach dieser Entscheidung würde der familieninterne Frieden aufs Spiel gesetzt werden. Dass dies nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand.” Von Rüden steht mit seiner Kanzlei hinter dem Portal Abmahnhelfer.de, über das jährlich Tausende Abmahnungen der Film- und Musikindustrie abgewehrt werden. Er hofft darauf, dass die Eltern gegen das Urteil Revision zum Bundesgerichtshof einlegen werden und dieser die Frage endgültig klären wird. Das Oberlandesgericht München könnte sich auch gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gestellt haben, denn dieser hatte im Rahmen einer früheren Entscheidung ausgeführt, die sekundäre Darlegungslast dürfe nicht dazu führen, dass dass der Beklagte dem Kläger alle Informationen zu liefern hat, die dem Kläger zum Prozesserfolg verhelfen würden. Dies wäre jedoch der Fall, würde man verlangen, dass ein Geständnis der eigenen Kinder offenbart werden müsste, gab von Rüden zu bedenken.
Update 15.02.2016:
Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt (BGH I ZR 19/16, anhängig).