Filesharing – Bundesgerichtshof veröffentlicht drei Volltexte

Veröffentlicht am in Urheberrecht

Zu den im vergangenen Sommer verhandelten drei Filesharing Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Nutzung von Tauschbörsen liegen nunmehr die vollständigen Entscheidungsgründe vor (BGH, Urteile vom 11.06.2011, I ZR 7/14, I ZR 19/14, I ZR 75/14 – Tauschbörse I–III). „Bisher wurden Tauschenbörsenfälle unter § 19a Urheberrechtsgesetz (UrhG) behandelt, wozu die öffentliche Zugänglichmachung der Werke zählte“, sagte Rechtsanwalt Johannes von Rüden am Dienstagnachmittag in Berlin. Der Berliner ist Rechtsanwalt der Kanzlei VON RUEDEN, die das Portal Abmahnhelfer.de betreibt, über das jährlich mehrere Tausend Abmahnungen der Film und Musikindustrie wegen Filesharing abgewehrt werden.

Der Bundesgerichtshof stellt nunmehr lediglich auf § 85 Abs. 1 UrhG ab (bzw. § 94 Abs. 1 UrhG für Filmwerke). „Danach ist es nicht mehr erforderlich, dass das Werk tatsächlich heruntergeladen oder empfangen wird“, sagt von Rüden. Maßgeblich sei nur, dass „Dritten der Zugriff auf das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindende geschützte Werk eröffnet wird. Es nützt also nichts, wenn man vorbringt, der Upload sei auf 0 kb/s gestellt worden“, sagt von Rüden. Ausreichend sei bereits, dass andere Tauschbörsennutzer sehen können, dass die Datei von einem anderen Anschluss angeboten wird. Zu einem tatsächlichen Upload bräuchte es nicht zu kommen. In diesem Fall könne es aber zu Beweisschwierigkeiten kommen.

Dateien sind umfassend geschützt

Auch sei nicht maßgeblich, ob die gesamte Datei vorhanden sei: Da sich das Leistungsschutzrecht des § 85 Abs. 1 UrhG auf das gesamte Werk bezieht, seien nach dem Bundesgerichtshof bereits kleinste „Dateipartikel“ vom Leistungsschutzrecht erfasst. Es käme dann nicht mehr darauf an, ob diese Mini-Fragmente eigenständige urheberrechtlich geschützte Werke im Sinne von § 2 Abs. 1, Abs. 2 UrhG darstellen würden, wie es bisher erforderlich war.

Verteidigung gegen Filesharing-Abmahnungen deutlich erschwert

Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof die Verteidigungsmöglichkeit für Anschlussinhaber nun dramatisch verschlechtert: „In der Regel genügte es, vor Gericht vorzutragen, wer grundsätzlich Zugang zu dem Internetanschluss hatte und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt“, sagt von Rüden. Der Bundesgerichtshof verlangt nun genauen Vortrag dazu, welche Personen zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung Zugang zum Anschluss hatten. „Damit müssten Eltern versuchen, einen Tattag, der fast drei Jahre in der Vergangenheit liegt, zu rekonstruieren. Das ist nahezu unmöglich“, sagt von Rüden.

Anschlussinhabern steht wohl kein Zeugnisverweigerungsrecht zu

Auch wurde von einzelnen Gerichten bisher immer vorgebracht, dass es mit dem Persönlichkeitsrecht der Anschlussinhaber nicht zu vereinbaren sei, wenn diese wüssten, wer der tatsächliche Täter ist und diese Information nicht preisgeben wollen, da es sich bei den Tätern um Familienmitglieder handelte. Anschlussinhabern stünde bei Familienangehörigen ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. So bisher die Auffassung vieler Gerichte.

Das Landgericht Berlin erklärte, die sekundäre Darlegungslast würde nicht verlangen, andere Familienmitglieder „ans offene Messer auszuliefern“. „Hiervon will der Bundesgerichtshof leider nichts wissen“, sagte von Rüden. Vielmehr müssen Anschlussinhaber erforschen, wer zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung Zugang zum Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen und diese Informationen und die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung mitteilen. Einschränkungen macht der Bundesgerichtshof dabei nicht.

Anmerkungen des Autors

Der Bundesgerichtshof führt aus:

„Der Beklagte hat nicht vorgetragen, dass andere Personen zum Tatzeitpunkt selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzungen in Betracht kommen.“

Hervorhebungen durch den Autor

Damit hat der Bundesgerichtshof die Auffassung bestätigt, wonach es zur Widerlegung des Anscheinsverdachts genügt, vorzutragen, ob andere Personen tatsächlich Zugang zu dem Internetanschluss hatten. Bereits durch diese tatsächliche Nutzungsmöglichkeit kommen die anderen Nutzungsberechtigten als Täter in Betracht. Dies wird auch von weiteren Ausführungen bestätigt:

„Die Revision [lässt] außer Acht, dass es nicht auf die Nutzungsmöglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen, sondern konkret auf die Situation zum Verletzungszeitpunkt ankommt.“

Hervorhebungen durch den Autor

Maßgeblich ist also nur die Nutzungsmöglichkeit zum Tatzeitpunkt. Auf die tatsächliche Nutzung kommt es danach nicht an. Dies unterstreicht auch den Gedanken, dass für das Filesharing nicht die körperliche Anwesenheit des Anschlussinhabers notwendig zu sein braucht. Warum aber andere Anschlussnutzer nur als Täter in Betracht kommen sollen, wenn sie im Haushalt anwesend waren, erschließt sich dem Autoren nicht. Ausreichend ist vielmehr, dass ein Endgerät im Haushalt eingeschaltet war und mit dem Internet verbunden war. Danach ist der Schluss des Bundesgerichtshofs sachgerecht:

„Diesen Anforderungen wird die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Beklagten lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss nicht gerecht.“

In dem vorliegenden Fall hat der Anschlussinhaber sogar vorgetragen, dass seine anderen Familienmitglieder gar nicht zuhause waren. Er hat lediglich vorgetragen, dass die theoretische Möglichkeit bestanden habe, dass der Anschluss ohne sein Wissen wieder in Betrieb genommen worden sein könnte. Greifbare Anknüpfungstatsachen konnte er hierzu aber gerade nicht liefern.

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