Filesharing – AG Charlottenburg hat erhebliche Bedenken an Anscheinsbeweis

Veröffentlicht am in Urheberrecht

In einem Verfahren vor dem Amtsgerichtsgericht Charlottenburg (AG Charlottenburg, Urt. v. 25.02.2015, 214 C 248/14) hat das Team von Abmahnhelfer.de einen Erfolg gegen die Kölner I-ON New Media GmbH erreichen können. Die Klägerin behauptete, von dem Internetanschluss unseres Mandanten sei der Actionfilm „Manborg“ öffentlich zugänglich gemacht worden. Nach Auffassung des Amtsgerichts gelang es den Anwälten von Schulenberg & Schenk nicht einmal hinreichend konkret vorzutragen, dass der Anschlussinhaber auch der Täter der Rechtsverletzung gewesen sei.

Die Klägerin trug lediglich vor, dass zunächst ein Anscheinsbeweis bzw. eine tatsächliche Vermutung dahingehend bestünde, dass der Anschlussinhaber die Urheberrechtsverletzung auch selbst begangen habe. „Damit verkennt die Klägerin das Wesen der tatsächlichen Vermutung“,  heißt es in dem Urteil. Denn eine tatsächliche Vermutung „besagt lediglich, dass auch Tatsachen, für die der sogenannte Beweis des ersten Anscheins spricht, d.h. auf deren Vorliegen aus unstreitigen oder bewiesenen Tatsachen aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung zu schließen sind, vorliegen.“

AG Charlottenburg: Klägerin hat anspruchsbegründende Tatsachen vorzutragen

Tatsachen, die eine solche Vermutung tragen würden, hatte die Klägerin jedoch nicht vorgetragen. In Hinblick auf die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers weist das Gericht völlig zurecht darauf hin, dass diese Vermutung in einem Haushalt, in dem mehrere Personen selbständigen Zugang zum Internetanschluss haben, „bereits grundsätzlichen Bedenken“ begegnen würde.

Das Gericht dazu führt aus:

„Die Aufstellung einer tatsächlichen Vermutung setzt voraus, dass es einen empirisch gesicherten Erfahrungssatz aufgrund allgemeiner Lebensumstände dahingehend gibt, dass ein Anschlussinhaber seinen Internetzugang in erster Linie nutzt und über Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Ein derartiger Erfahrungssatz existiert nicht. Die alltägliche Erfahrung in der Gesellschaft, in der das Internet einen immer größeren Anteil einnimmt und nicht mehr wegzudenken ist, belegt vielmehr das Gegenteil. Wenn sich der Internetanschluss in einem Mehrpersonenhaushalt befindet, entspricht es vielmehr üblicher Lebenserfahrung, dass jeder Mitbewohner das Internet selbständig nutzen darf, ohne dass der Anschlussinhaber Art und Umfang der Nutzung bewusst kontrolliert.

Der Anschlussinhaber genügt daher in diesen Fällen seiner sekundären Darlegungslast, wenn er seine Täterschaft bestreitet und darlegt, dass Haushaltsgenossen selbständig auf den Internetanschluss zugreifen können, weil sich daraus bereits die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs als die seiner Alleintäterschaft ergibt.“

Rechtsanwalt Nico Werdermann, der das Mandat federführend mit einem Team aus Anwälten und wissenschaftlichen Mitarbeitern führte, begrüßte die Entscheidung und führte am Rande einer Verhandlung dazu aus, dass „die Person des Internetanschlussinhabers in Familien völlig zufällig” sei. Strengere Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast würden dazu führen, dass beispielsweise Anschlussinhaber Bewegungsprofile über ihre Kinder anlegen müssten, um im Fall einer Abmahnung darzulegen, wer zu dem fraglichen Zeitpunkt alles Zugang zu dem Internetanschluss hatte. Eine solche detaillierte Darlegungslast würde das durch das Grundgesetz geschützte besondere Vertrauensverhältnis zwischen den Familienmitgliedern nachhaltig stören.

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