Ein erschütterndes Ereignis hat sich am Freitagabend in Leipzig-Kleinzschocher zugetragen. Eine 13-Jährige soll ihre 7-jährige Schwester mit einem Messer so schwer verletzt haben, dass das jüngere Mädchen kurz darauf im Krankenhaus verstarb. Als Strafverteidiger sehe ich in diesem Fall einmal mehr, wie komplex und emotional aufgeladen solche Fälle sind.
Die Fakten des Falls: Nach bisherigen Erkenntnissen ereignete sich die Tat in der Wohnung der Familie, als die Eltern nicht zu Hause waren. Die 13-Jährige alarmierte selbst den Notruf, doch für ihre kleine Schwester kam jede Hilfe zu spät. Die Hintergründe der Tat sind noch völlig unklar. Die jugendliche Tatverdächtige wird derzeit in einer Fachklinik psychologisch betreut.
Strafmündigkeitsalter liegt bei 14 Jahren
Nach geltendem Recht ist die 13-Jährige noch nicht strafmündig. Das Strafgesetzbuch legt in § 19 klar fest: „Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist.“ Das bedeutet, dass gegen die Jugendliche kein Strafverfahren eingeleitet werden kann.
Rufe nach Senkung des Strafmündigkeitsalters
Wie so oft bei schweren Straftaten von Kindern und Jugendlichen werden nun Stimmen laut, die eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters fordern. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion etwa spricht sich für eine erneute Debatte über dieses Thema aus. Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) fordert seit Jahren eine Herabsetzung dieser Altersgrenze auf 12 Jahre.
Kritische Betrachtung dieser Forderungen
Als Jurist sehe ich solche Forderungen kritisch:
- Kinder und junge Jugendliche verfügen in der Regel noch nicht über die nötige Reife, um die Konsequenzen ihres Handelns voll zu überblicken.
- Eine Senkung des Strafmündigkeitsalters hätte kaum abschreckende Wirkung, da Kinder in den meisten Fällen ihr Handeln nicht rational abwägen oder planen – sie handeln impulsiv.
- Wenn Kinder zu Tätern werden, muss der Erziehungsgedanke im Vordergrund stehen, nicht die Bestrafung. Dafür bestehen heute vielfältige Möglichkeiten.
- Eine Inhaftierung von Kindern wäre kontraproduktiv für ihre Entwicklung und Resozialisierung.
Welche Konsequenzen drohen der 13-Jährigen?
- Das Familiengericht kann Erziehungsmaßnahmen anordnen, bis hin zur Unterbringung in einem Heim oder einer geschlossenen Einrichtung.
- Eine intensive psychologische Betreuung ist in jedem Fall notwendig.
- Zivilrechtliche Folgen wie Schadensersatzansprüche sind möglich.
Fazit: Prävention und Hilfe statt Absenkung des Strafmündigkeitsalters
Anstatt eine Senkung der Strafmündigkeitsgrenze oder Verschärfungen im Jugendstrafrecht zu fordern, sollten Gesellschaft, Politik, Behörden und Medien über eine Verbesserung der Präventionsarbeit diskutieren. Kinder und Jugendliche in Krisensituationen benötigen mehr Hilfsangebote. Der Fokus muss auf Erziehung und Resozialisierung liegen, nicht auf Bestrafung. Nur so lassen sich solch tragische Fälle in Zukunft hoffentlich verhindern.
Als Gesellschaft müssen wir uns fragen, wie es so weit kommen konnte und was wir tun können, um Kinder und Jugendliche besser zu schützen und zu unterstützen. Das gilt sowohl für potenzielle Täter als auch für Opfer. Eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters allein wird diese komplexen Probleme nicht lösen.
Für juristisch Interessierte:
Wäre die Täterin zur Tatzeit bereits 14 Jahre alt gewesen, hätte sie sich ggf. nach folgenden Regelungen strafbar gemacht.
Möglichkeit 1: Totschlag (§ 212 StGB)
Tatbestandsmerkmale:
- Objektiver Tatbestand:
- Tötung eines anderen Menschen
- Kausalität zwischen Handlung und Tod
- Objektive Zurechenbarkeit
- Subjektiver Tatbestand:
- Vorsatz (mindestens bedingter Vorsatz)
Möglichkeit 2: Mord (§ 211 StGB)
Tatbestandsmerkmale:
- Objektiver Tatbestand:
- Tötung eines anderen Menschen
- Verwirklichung mindestens eines Mordmerkmals:
a) Heimtücke (könnte hier vorliegen, da das Opfer arglos und wehrlos war)
b) Grausamkeit (abhängig von der konkreten Tatausführung)
- Subjektiver Tatbestand:
- Vorsatz bezüglich der Tötung
- Vorsatz bezüglich des Mordmerkmals
Möglichkeit 3: Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB)
Tatbestandsmerkmale:
- Objektiver Tatbestand:
- Vorsätzliche Körperverletzung
- Tod des Opfers als Folge der Körperverletzung
- Kausalität zwischen Körperverletzung und Tod
- Subjektiver Tatbestand:
- Vorsatz bezüglich der Körperverletzung
- Fahrlässigkeit bezüglich der Todesfolge