RTL-Reporterin bei Zalando – rechtliche Einordnung sogenannter Undercover-Journalisten

Veröffentlicht am in Medienrecht

Drei Monate arbeitete eine RTL Journalistin verdeckt in einem Erfurter Logistikzentrum von Zalando und berichtet kurze Zeit später im Fernsehen über die Arbeitsbedingungen. Der Online-Modehändler hat nun die Staatsanwaltschaft eingeschaltet – sie ermittelt wegen des Verdachts des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach § 17 Abs. 1 UWG gegen die RTL Reporterin. Die Journalistin erhob schwerwiegende Vorwürfe gegen das Unternehmen: „Bespitzelung, Gängelung und gleich reihenweise Verstöße gegen das Arbeitsrecht“, außerdem ist von einer „Verpetzer“-Belohnung die Rede. 500,- EUR für Mitarbeiter, die ihre Mitarbeiter verpetzen. Fast täglich müssten Rettungswagen anrücken.

Hat sich RTL strafbar gemacht?

Zunächst ist überhaupt fraglich, ob RTL ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis verraten hat. Ein Geschäftsgeheimnis ist auf den kaufmännischen Geschäftsverkehr bezogen, wohingegen das Betriebsgeheimnis sich alleine auf technische Inhalte bezieht. Eine genaue Unterscheidung ist aber auch für Juristen überflüssig, da es oft inhaltliche Überschneidungen zwischen beiden Begriffen gibt und zudem beide Begriffe gleich behandelt werden. Gemeinhin wird auch von einem Wirtschaftsgeheimnis gesprochen.

Als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis gilt nach einer anerkannten Definition des Bundesgerichtshofs jede im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehende, nicht offenkundige, sondern nur einem begrenzen Personenkreis bekannte Tatsache, an deren Geheimhaltung der Betriebsinhaber ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat und die nach seinem bekundeten oder bekannten Willen geheim bleiben soll. Nach dieser Definition ergeben sich also vier Merkmale: Die Betriebsbezogenheit, die Nichtoffenkundigkeit, der Geheimhaltungswille und das Geheimhaltungsinteresse des Betriebsinhabers.

Vorbilder aus der Geschichte des Journalismus

Es ist nicht das erste Mal, dass Journalisten in Rollen schlüpfen, um aus dem Inneren eines Betriebes zu berichten. Der Undercover-Journalist Günter Wallraff ist bis heute in Bäckereien, Call-Centern und anderen Einrichtungen unterwegs, um aus dem Inneren dieser Unternehmen zu berichten. Hierfür bedient er sich immer einer Rolle, in die er für Monate schlüpft. In den 80er-Jahren hatte sich bereits das Bundesverfassungsgericht mit dieser Methode zu beschäftigen und legte damals Grundsätze fest, die auch heute noch gelten.

Unter dem Namen Hans Esser hatte sich Wallraff Zugang zu den Redaktionsräumen der BILD verschafft und arbeitete und veröffentlichte unter diesem Namen vielzählige Artikel. Seine Erfahrungen brachte der Undercover Journalist in seiner BILD-Trilogie unter, unter anderem „Der Aufmacher“ und „Zeugen der Anklage“. Wallraff bot mit seinen Werken einen tiefen Einblick in die Arbeitsweise der BILD-Redaktion Hannover.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Springer-Wallraff-Entscheidung (BVerfG Beschl. v. 25.01.1984, 1 BvR 27281; BVerfGE 66, 116; NJW 1984, 1741 ff.), deutlich betont, dass weder das Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung noch die Pressefreiheit die rechtswidrige Beschaffung von Informationen schützt. Das Recht der Informationsfreiheit schützt nur das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten.

Dahingegen ist aber die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen vom Schutzbereich des Art. 5 I GG umfasst. Denn es wäre beispielsweise nicht richtig, aus der Pressefreiheit zwar ein Aussageverweigerungsrecht abzuleiten, dieses dann aber ins Leere laufen zu lassen, wenn es nicht auch umfassen würde, das zu veröffentlichen, was der Informant der Presse zugetragen hat.

In einem Fall wie dem vorliegenden hat eine Veröffentlichung zu unterbleiben, wenn der Publizierende die Informationen widerrechtlich durch Täuschung in der Absicht erlangt hat, sie gegen den Getäuschten zu verwerten. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung einseitig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und für die Rechtsordnung nach sich ziehen.

Es wird schließlich auf eine Rechtsgüterabwägung ankommen, auf deren Seiten die Rechtsgüter von Zalando und die der Öffentlichkeit gegeneinander abgewogen werden müssen. Vieles spricht dafür, dass die Interessen der Allgemeinheit an den Zuständen und den Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren Zalandos das Geheimhaltungsinteresse Zalandos überwiegen.

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