EuGH: Facebook muss Beleidigungen löschen

Veröffentlicht am in Internetrecht

Wer auf Facebook & Co. beleidigt wird, kann verlangen, dass der Eintrag zügig gesucht und gelöscht wird. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) nach einem Fall in Österreich. Die frühere Chefin der österreichischen Grünen, Eva Glawischnig-Piesczek, hatte geklagt, weil sie auf Facebook beleidigt worden war. Der EuGH musste in diesem Zusammenhang klären, ob Facebook in einem solchen Fall weitere Pflichten auferlegt werden können.

Die Politikerin wurde auf Facebook beschimpft, weil sie sich für die Interessen von Flüchtlingen eingesetzt hatte, indem sie 2016 forderte, die Mindestsicherung für Flüchtlinge beizubehalten. Es folgten die üblichen Hasskommentare. Die Politikerin wurde als „miese Volksverräterin“ verunglimpft, die in ihrem Leben noch keinen Cent mit ehrlicher Arbeit verdient habe. Die Grünen seien eine „Faschistenpartei“.

Wie aktiv müssen Onlinedienste gegen Beleidigungen vorgehen?

Nachdem sie geklagt hatte, löschte Facebook den Post auf eine gerichtliche Anordnung hin nur zögerlich – und begrenzt auf Österreich. Der Fall wurde daraufhin beim Obersten Gerichtshof Österreichs verhandelt, der vom EuGH wissen wollte, ob Facebook per gerichtlicher Verfügung auferlegt werden kann, aktiv nach weiteren Beleidigungen zu suchen. Gemeint sind Äußerungen, die vom Wortlaut her identisch oder sinngleich sind, also ähnlich beleidigende Inhalte verbreiten.

Weltweite Löschung von Hasskommentaren

Der EuGH hat jetzt entschieden: Plattformen wie Facebook können verpflichtet werden, effektiver gegen rechtswidrige Inhalte vorzugehen. Wird jemand beleidigt, kann Facebook die Pflicht auferlegt werden, weitere Nachforschungen anzustellen. Außerdem hat der EuGH den Gerichten einen Weg eröffnet, die weltweite Löschung von Hasskommentaren anzuordnen.

Bei den sinngleichen Kommentaren haben die Richter allerdings ein paar wichtige Einschränkungen gemacht: Diese Verpflichtung gilt nur für minimale Variationen des verbotenen Posts, also für so geringfügige Abweichungen, dass sie noch technisch aufspürt werden können. „Die zu löschenden sinngleichen Kommentare müssen in ihren Einzelheiten genau beschrieben sein. Und es muss dem Hosting-Anbieter möglich bleiben, sie anhand automatisierter Techniken ausfindig zu machen,“ so Hartmut Ost, Sprecher des EuGH.

Mit dieser Einschränkung soll vermieden werden, dass Facebook-Mitarbeiter jeden einzelnen Kommentar anschauen und prüfen müssen. Plattformen wie Facebook sind also nach wie vor nicht verpflichtet, ihre Dienste ständig nach rechtswidrigen Inhalten zu scannen. Gelöscht werden muss ein Hasskommentar erst, wenn die Plattform darüber informiert wurde.

Inhalte müssen genau beschrieben werden

Mit Hilfe einer genauen Beschreibung muss es Facebook möglich gemacht werden, die Kommentare schnell und unkompliziert zu finden. Sonst ist keine automatisierte Löschung möglich.  

Hintergrund der Debatte ist, dass das europäische Recht die Haftung von Anbietern wie Facebook für beleidigende Inhalte beschränkt hat. Social-Media-Plattformen sind demnach grundsätzlich nicht verpflichtet, von sich aus ständig nach beleidigenden Kommentaren zu suchen. Sie müssen die Beleidigung erst dann löschen, wenn sie von den anstößigen Inhalten Kenntnis erlangen.

In Deutschland noch keine Löschpflicht

Weiterhin gilt, dass die Gerichte der EU-Staaten entscheiden müssen, wie stark sie die Onlinedienste in die Pflicht nehmen. In Deutschland sei da noch Luft nach oben, so der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun: „Bisher hatte die deutsche Rechtsprechung angenommen, dass es weder eine Verpflichtung gebe, gleichartige Inhalte überall zu löschen, noch die Verpflichtung, den Upload entsprechender Inhalte zu verhindern.“ Hier ist der Gesetzgeber gefragt, denn Betroffene können kaum gegen jeden einzelnen Post Beschwerde einlegen.

Der EuGH zeigt der Justiz und dem Gesetzgeber die Instrumente, mit denen sie soziale Medien in die Pflicht nehmen können, während nationale Gerichte die Standards für Beleidigung selbst bestimmen. Von ihren Entscheidungen hängt ab, ob Betroffene wirksam gegen Hass und Hetze geschützt werden.

Fall Künast: Gefahr für die Demokratie

Ein Beschluss des Landgerichts Berlin sorgte in diesem Kontext für große öffentliche Empörung: Die Richter hatten geurteilt, dass die Grünen-Politikerin Renate Künast bestimmte Online-Beleidigungen hinnehmen müsse. Sie darf demnach als „Stück Scheiße“ und „Geisteskranke“ bezeichnet werden. Auch „Drecks Fotze“ sei noch „haarscharf“ an der Grenze des Hinnehmbaren.

Um die Standards klarer zu definieren, hat Künast gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt: „Im Unterschied zum Landgericht halte ich die getätigten Äußerungen über mich keineswegs für hinnehmbar“, so die Politikerin. „Als demokratische Gesellschaft dürfen wir einen solchen Umgangston nicht akzeptieren.“

Eine Anwaltskanzlei hat die drei zuständigen Richter wegen Rechtsbeugung angezeigt. Die Entscheidung des Gerichts sei unvertretbar und habe sie empört. Die Äußerungen gegen Künast seien keine Auseinandersetzungen in der Sache, sondern müssten klar als „Formalbeleidigungen“ bewertet werden.

Anfeindungen gegen Politikerinnen haben mittlerweile extreme Formen angenommen. Laut einer Umfrage im Bundestag von report München wurden fast 90 Prozent der weiblichen Bundestagsabgeordneten Ziel von Hass-Attacken im Netz.

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