Das Amtsgericht Berlin-Neukölln (AG Neukölln, Urt. v. 28.01.2015, 20 C 72/14, rechtskräftig) hatte sich im vergangen Jahr mit der Frage auseinanderzusetzen, wann eine Hecke beseitigt werden muss. Geklagte hatte die 39-jährige Ramona Alexandra D.-V. Sie verlangte von benachbarten Grundstückseigentümern die Entfernung einer über zwei Meter hohen Hecke und weiterer Anpflanzungen. Die Klage der 39-jährigen Hausfrau wurde vollständig abgewiesen.
Hecke kann nach fünf Jahren stehen bleiben
Dabei hatte sich das Gericht zunächst mit der Frage auseinanderzusetzen, seit wann die Koniferenhecke über zwei Meter gewachsen ist. Nach dem Berliner Nachbarschaftsgesetz muss eine Hecke, die mehr als zwei Meter hoch ist, einen Mindestabstand von einem Meter zum Gartenzaun einhalten. „Das war unstreitig nicht der Fall, denn die Hecke hat teilweise nur einen Abstand von 60 Zentimetern zum Zaun“, erläutert Rechtsanwalt Nico Werdermann, der die beklagten Grundstückseigentümer vertrat.
Ein Beseitigungsanspruch sei allerdings ausgeschlossen, wenn die Hecke für mehr als fünf Jahre über zwei Meter hoch ist und der Nachbar in dieser Zeit nicht klagt, erläutert Werdermann. Für Berlin gilt danach § 32 Satz 2 Berliner Nachbarrechtsgesetz (NachbG Bln). Die Beweislast hierfür trage aber der Nachbar, der sich auf den Anspruchsausschluss beruft. „Wir konnten anhand von Lichtbildern von Google Streetview und Zeugenaussagen genau das Gegenteil beweisen“, sagte Rechtsanwalt Werdermann.
Die Klägerin, Ramona D.-V., hatte noch kurz vor dem Termin zur Beweisaufnahme vorgebracht, die Hecke sei aber in den vergangen Jahren einmal von ihrem Ehemann Benjamin V. (32) auf ca. zwei Meter heruntergeschnitten worden. Sie konnte aber nicht erklären, warum ihr das erst Monate nach Klageerhebung eingefallen ist. Dies war letztlich jedoch ohne Belang, da das Gericht in diesem Punkt der Argumentation der Kanzlei VON RUEDEN folgte. Wörtlich führt es aus:
„Denn die Ausschlussfrist nach § 32 Satz 1 NachbG Bln wäre dadurch nicht gehemmt oder unterbrochen worden. Der Wortlaut des § 32 Satz 2 NachbG Bln stellt für den Beginn der Frist zur Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs auf das Hinauswachsen der Hecke über die gesetzlich zulässige Höhe ab. Die Norm ist nicht dahin auszulegen, dass die Frist bei Beseitigung des rechtswidrigen Zustands ruht oder erst wieder neu beginnt, wenn die Hecke erneut die zulässige Höhe überschreitet. Dies ergibt sich nicht aus dem Wortlaut, der für den Fristbeginn nur auf das Hinauswachsen über eine bestimmte Höhe abstellt und eine Hemmung oder Unterbrechung der Frist zur Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs nicht vorsieht. Es ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der gesetzlichen Regelung.“
Während der Vernehmung des Zeugen Benjamin V. kam es zum Teil zu heftigen Reaktionen. Der Zeuge bedrohte Prozessbevollmächtigte der Beklagten, als diese kritische Nachfragen stellten. Seine Ehefrau und deren Prozessbevollmächtigter hatten Mühe, ihn zu beruhigen. Auch vermochte sonst keiner der übrigen Zeugen, den Vortrag der Klägerin zu bestätigen. Die Großmutter der Ramona D.-V., die ebenfalls als Zeugin geladen war, erklärte, sie hätte früher von der einen Meter hohen Terrasse über die Hecke schauen können. Sie habe immer die Straßenkreuzung beobachten können. Aus diesem Umstand schloss sie nun darauf, dass die Hecke früher unter zwei Meter groß gewesen sein muss. Dass sie jedoch selbst auch eine Körperhöhe von 1,65 Metern hat, fiel ihr erst später ein. Dass sie damit auch über eine 2,60 Meter hohe Hecke hätte sehen können, konnte sie nicht nachvollziehen, woraufhin sie anfing, Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu beleidigen. Ihre Enkeltochter, Ramona D.-V. störte mehrfach die Zeugenvernehmung mit Zwischenrufen und -bemerkungen.
Im Urteil heißt es, die Zeugin (Großmutter) habe „wohl aufgrund des Verhaltens durch die Klägerin zu 1.), die trotz gerichtlicher Ermahnungen die Zeugenvernehmung sehr häufig durch Bemerkungen störte […]“, aggressiv reagiert. An einigen Stellen konnte man sich als Beobachter schon ernsthaft fragen, ob ihr nicht jemand helfen möchte. Für den Anwalt der Klägerin muss es ein ziemlich unangenehmes Mandat gewesen sein.
Definition einer Hecke ist maßgeblich
Die Klägerin, Ramona D.-V., forderte daneben die Beseitigung einer weiteren Anpflanzung. In ihren Augen seien die fünf Pflanzen, um die es ging, eine Hecke – in den Augen der Beklagten dagegen einzelne Pflanzen. Das Gericht führt dagegen zur Differenzierung aus:
„Eine Hecke liegt vor, wenn gleichartige Pflanzen in einer Linie angeordnet sind, die Pflanzen einen sogenannten Dichtschluss aufweisen und sich durch Beschneidung in der Höhe und an den Seiten ein geschlossenes Erscheinungsbild ergibt.“
Nach Einsichtnahme von Lichtbildern wies das Gericht darauf hin, dass sich die Pflanzen alle in Farbe, Größe und Form unterscheiden und erkennbar voneinander abgrenzbar seien. Auch in diesem Punkt folgte das Gericht der Argumentation der Beklagtenvertreter. Zum Beweis, dass die Pflanzen bereits vor fünf Jahren eingepflanzt waren, hatten die Beklagten Lichtbilder vorgelegt und den damaligen Fotografen als Zeugen benannt. Er sagte detailreich darüber aus, dass er im Februar 2009 Bilder vom Garten gefertigt hatte, weil er es schick fand, wie die Schneedecken schwer im Garten lagen. Das Gericht hatte sich offenbar auch durch einen Artikel im Tagesspiegel davon überzeugt, ob an dem angegebenen Tag tatsächlich Schnee lag. Dass das Gericht von selbst wusste, was für ein Wetter am 17. Februar 2009 war, scheint ausgeschlossen. Im Urteil heißt es dazu:
„Die auf den Fotos zu sehende Schneehöhe entspricht auch den allgemein bekannten tatsächlichen Witterungsverhältnissen in Berlin am 17. Februar 2009.“
Ramona D.-V. hatte allerdings vorgebracht, dass die Pflanzen auf den Bildern in Töpfen stehen würden und eben nicht eingepflanzt gewesen seien. Wie sie darauf kam, konnte sie nicht erklären. Auch in diesem Punkt erteilte das Gericht Ramona D.-V. eine klare Abfuhr:
„Es ist nicht erkennbar, dass die Pflanzen in Töpfen dort stehen; vielmehr ist anhand der Schneehöhe zugrunde zu legen, dass die Pflanzen in der Erde eingebracht waren.“
Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Pflanzen während der Frostphase in die Erde eingebracht worden seien, erklärte das Gericht.
Wie weit darf die Hecke ins benachbarte Grundstück hineinwachsen?
Auch verlangte die Klägerin von den beklagten Grundstückseigentümern, dass sie den Überhang beseitigen, der an ihrem Grundstück entstanden sei. Unstreitig wuchs die Hecke in das benachbarte Grundstück. Wie weit aber eine Hecke in das benachbarte Grundstück wachsen darf, ist umstritten und muss von Fall zu Fall entschieden werden.
Nach § 910 II BGB steht dem Grundstückseigentümer das Selbsthilferecht aus § 910 I BGB nicht zu, wenn die hereinragenden Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. Maßgeblich ist eine objektive Beeinträchtigung des Grundstücks. Es muss eine nachteilige Wirkung auf die Art und Weise der Grundstücksnutzung vorliegen. Die Beklagten hatten vorgetragen, dass die Grundstücksnutzung nicht durch die Zweige beeinträchtigt werden. „Aus irgendwelchen Gründen hat die Gegenseite es dann versäumt, sich zu unserem Vortrag zu erklären,“ erklärt Werdermann. Denn ein Vortrag, der unbestritten bleibt, gilt als zugestanden, § 138 III ZPO.
Ramona D.-V. hatte zwar vorgetragen, dass sie einen Gartenteich nicht mehr pflegen könne, da sie einen kleinen Trampelpfad, der um den Teich führt, nicht mehr betreten kann, da die Zweige darauf ragten. Die Beklagten erklärten daraufhin, dies könne allenfalls nur für ca. 10 Prozent der Hecke gelten, denn an die restlichen 90 Prozent der Hecke grenze überhaupt kein Teich. Vielmehr sei diese Fläche durch Rindenmulch ausgespart. Das Gericht wollte Ramona D.-V. aber auch für diese 10 Prozent keinen Beseitigungsanspruch zugestehen, denn:
„Es ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb das Begehen aufgrund der überhängenden Zweige nicht mehr möglich sein soll. […] Auch ist nicht ersichtlich, dass die Pflege des Gartenteichs lediglich von diesem Teil des Ufers erfolgen kann.“
Die Klägerin brachte ferner vor, durch den Überhang würde es zu einer Verschattung ihres Grundstücks kommen, die Fische in dem Teich hätten zu wenig Sonne zum Leben, Pflanzen in und um den Teich gingen ein und es gäbe kaum noch Sonneneinstrahlung auf der Terrasse. In der Fernsehsendung RTL-Explosiv hieß es aus dem Off, die Hecke würde durch ihre „unglaubliche Höhe“ das Leben des Vier-Generationen-Haushalts komplett einschränken. Daraufhin erklärt die Klägerin Ramona D.-V. dem RTL-Publikum, sie habe früher mit ihrer Familie von der Terrasse aus noch die nahe Straßenkreuzung beobachten können und dies sei durch die Hecke heute nicht mehr möglich. Wörtlich heißt es von Ramona D.-V.:
„Man sieht halt die Straßenverhältnisse nicht mehr. Man konnte damals, sage ich mal, die Ampelanlage dort sehen. Und konnte sozusagen, wenn man da so saß, beobachten, was sich an der Straße quasi abspielt. Und das ist durch die Höhe jetzt nicht mehr machbar.”
Ein wenig wirkte Ramona D.-V. dabei hilflos, wenn ihr Lebensalltag tatsächlich aus dem Betrachten einer Straßenkreuzung bestanden haben soll, wie es RTL suggeriert. Manch ein RTL-Zuschauer mag sich wohl an dieser Stelle gedacht haben, „Mensch, die ist quasi eine von uns. Sie sagt auch immer ,quasi’.“ Und in der Tat wirkte sie dann ein wenig verloren, als sie auf die Hecke zugeht, an einem Zweig zerrt und dann resigniert aufgeben muss, ohne etwas erreicht zu haben.
Aber auch diese ganzen Einwände schmettert das Gericht gnadenlos mit dem Hinweis darauf ab, dass solche Beeinträchtigungen nicht auf den Überhang der Hecke zurückzuführen seien, sondern wohl vielmehr auf die Hecke als Ganzes zurückzuführen seien und die Beeinträchtigungen durch das Zurückschneiden des Überhangs nicht beseitigt werden könnten. Das Amtsgericht setzte den Streitwert auf insgesamt 4.000,- EUR fest.
Eine gegen den Streitwertbeschluss geführte Streitwertbeschwerde bliebt erfolglos. Dazu führte das Landgericht aus, der Streitwert sei nicht am Wert der Hecke, sondern an den Beeinträchtigungen, die durch sie hervorgerufen werden, zu bemessen. Die fehlende Sonneneinstrahlung auf der Terrasse und die weiteren Beeinträchtigungen beurteile das Landgericht als zu geringfügig, als dass eine Streitwerterhöhung angemessen wäre. Die Klägerin und die anderen Kläger – ihre Eltern und ihr Bruder – haben die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen.