Rechtsverstöße in Unternehmen oder Organisationen fallen oft zuerst Mitarbeitern auf. Ob Abgasaffäre, Gammelfleisch oder Betrug bei Corona-Hilfen: Viele Rechtsverstöße von Unternehmen wurden von Hinweisgebern öffentlich gemacht. Wer Missstände als sogenannter Whistleblower aufdeckt, riskiert dabei oft berufliche Nachteile oder setzt sogar seinen Job aufs Spiel. Um Hinweisgeber zu schützen, hat der Europäische Gesetzgeber die Whistleblower-Richtlinie (WBRL) verabschiedet. Die neue EU-Verordnung ist Mitte Dezember 2021 in Kraft getreten und das nationale Gesetz für Deutschland wird voraussichtlich 2022 folgen.
Der deutsche Vorschlag enthält noch weitergehende Regelungen als die EU-Richtlinie. Der Gesetzentwurf des Justizministeriums sieht zusätzlich einen Schutz für Hinweisgeber vor einer Abmahnung oder Kündigung vor, wenn das Unternehmen oder die Organisation gegen geltende nationale Vorgaben verstößt – nicht nur gegen EU-Recht.
Whistleblower: Wie schützt die neue Richtlinie Arbeitnehmer?
Hinweise auf Betrug oder Regelverstöße bei der Produkt- oder Verkehrssicherheit oder beim Umwelt- oder Tierschutz werden in vielen Fällen nicht gemeldet, weil Arbeitnehmer Angst vor einer Kündigung oder Abmahnung haben. Die neue EU-Richtlinie schützt Whistleblower seit dem 16. Dezember 2021 besser vor solchen Risiken. Für Unternehmen bringt die EU-Whistleblower-Richtlinie 2019/1937 neue Pflichten mit sich.
Der Schutz bei gemeldeten Verstößen gegen EU-Vorschriften genügt dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) nicht. Die Schutzvorschriften sollen auch Verstöße gegen nationale Gesetze umfassen. Allerdings hat der Gesetzesentwurf des Bundesjustizministeriums bisher keine Mehrheit erreicht.
Welche Regelungen für Whistleblower galten bislang Deutschland?
Arbeitnehmer haben aktuell die Möglichkeit, intern auf Missstände oder Verstöße gegen geltendes Recht hinzuweisen. Sie können sich auch an öffentliche Stellen wenden, wenn sie Rechtsverstöße beobachten. Voraussetzung ist aber bislang, dass sie sich zuerst um eine innerbetriebliche Klärung bemühen. Der Hinweisgeberschutz ist in Deutschland bisher nur punktuell gesetzlich geregelt.
So enthält das Arbeitsschutzgesetz eine Regelung für Fälle in den Bereichen Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz. Der erste Ansprechpartner bei vermeintlichen Rechtsverstößen ist aber der Arbeitgeber. Erst wenn der Arbeitgeber nicht reagiert und es konkrete Anhaltspunkte für Verstöße im Unternehmen gibt, können sich Arbeitnehmer Hilfe von außen holen. Dafür können sie sich an die zuständige Behörde wenden, ohne dass ihnen Nachteile entstehen. Auch das Betriebsverfassungsgesetz sieht ein Beschwerderecht von Arbeitnehmern vor. Arbeitnehmer dürfen demnach bei der zulässigen Ausübung ihrer Rechte nicht vom Arbeitgeber gemaßregelt werden.
Whistleblower-Richtlinie: Was soll sich in Deutschland ändern?
Der Vorschlag des BMJV sieht zusätzlich zur EU-Richtlinie einen Schutz für Hinweisgeber vor einer Abmahnung oder Kündigung vor, wenn gegen nationale Vorgaben verstoßen wurde – und nicht nur gegen EU-Recht. Das künftige Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) soll für Unternehmen ab 50 Mitarbeitern gelten. Nach der Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber sollen diese Unternehmen grundsätzlich dazu verpflichtet sein, Hinweisgebersysteme zu betreiben. Für Gemeinden und Unternehmen ab 250 Mitarbeiter ist das Hinweisgebersystem bereits seit dem 16. Dezember 2021 verpflichtend.
Die Wirkung der Richtlinie ist zunächst auf Hinweise auf den Verstoß von EU-Recht beschränkt – bis ein nationales Hinweisgeberschutzgesetz auch Hinweise auf erhebliche Verstöße gegen nationales Recht einschließt. Im Ampel-Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Wir setzen die EU-Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel um. Whistleblowerinnen und Whistleblower müssen nicht nur bei der Meldung von Verstößen gegen EU-Recht vor rechtlichen Nachteilen geschützt sein, sondern auch von erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen Repressalien gegen den Schädiger wollen wir verbessern und prüfen dafür Beratungs- und finanzielle Unterstützungsangebote.“
Der deutsche Gesetzgeber kann festlegen, dass auch Hinweise zu Verstößen gegen das deutsche Zivil-, Arbeits-, Straf- und Wirtschaftsstrafrecht abgegeben werden können. Das betrifft zum Beispiel Verstöße gegen Arbeitszeitvorgaben, Belästigung und Mobbing, Bestechlichkeit, Vorteilsnahme und Betrug.
Update: Hinweisgeberschutzgesetz – erste Abstimmungsprozesse im Justizministerium
Juristen des Bundesjustizministeriums arbeiten an einem neuen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie. Das erfuhrt die Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN am Montagmorgen aus Ministeriumskreisen. „Auf Arbeitsebene finden die ersten Abstimmungsprozesse statt“, sagte eine Mitarbeiterin aus dem Fachdezernat. Mehr könne man zur Zeit nicht sagen.
Die große Koalition hätte eigentlich bis zum 17. Dezember 2021 eine EU-Richtlinie in deutsches Recht umsetzen sollen. Doch ein Ende 2020 von der Justizministerin Christiane Lambrecht (SPD) eingebrachter Gesetzentwurf scheiterte. Nach der Richtlinie genießen nur Whistleblower Schutz, die einen Verstoß gegen Unionsrecht melden. Lambrecht hatte geplant, dass auch Whistleblower geschützt sein sollen, die Verstöße gegen deutsches Recht melden.
Die Ampelkoalition hat sich im Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ darauf verständig, die Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel umzusetzen. Whistleblower sollen nicht nur bei Verstößen gegen Unionsrecht geschützt sein, sondern auch bei der Aufdeckung erheblicher Verstöße oder erheblichen Fehlverhaltens „dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse“ liegt. Der Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes muss zwischen dem Justiz-, dem Wirtschafts- und dem Arbeitsministerium abgestimmt werden.
Umsetzung der EU-Richtlinie über das Online-Meldesystem WhistlePort
Behörden und Unternehmen müssen zur Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie einen richtlinienkonformen Meldekanal zu Verfügung stellen. Das sollte möglichst eine Online-Plattform sein, über die Nachrichten sicher, anonym und vertraulich abgegeben und bearbeitet werden können – ganz im Sinne der EU-Hinweisgeberrichtlinie.
Mit der Online-Plattform WhistlePort bietet die Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN Unternehmen und Organisationen ein Hinweisgebersystem an, das die Vorgaben der EU-Whistleblower-Richtlinie erfüllt. Die nutzerfreundliche Plattform WhistlePort wurde von der Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN entwickelten und bietet Anonymität und Rechtssicherheit. Nutzen Sie unser kostenloses Erstgespräch, um sich über die Meldeplattform WhistlePort und Schulungen zur rechtssicheren Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie zu informieren. Wir beraten Sie gern!