Beim Chemiekonzern Evonik hat sich ein typischer Compliance-Fall abgespielt. Ein Whistleblower hat sich an das Unternehmen mit Sitz in Essen gewendet, um einen Regelverstoß zu melden. Evonik konnte die illegalen Machenschaften aufklären und beenden, doch für den Hinweisgeber ging der Fall leider nicht gut aus: Er wurde von seinem Arbeitgeber entlassen.
Whistleblower meldete Manipulation einer Ausschreibung bei Evonik
Wie die WirtschaftsWoche berichtet hat der Mitarbeiter eines Reisedienstleisters illegale Absprachen zwischen seinem Arbeitgeber und einem Evonik-Mitarbeiter festgestellt. Der Evonik-Manager soll gemeinsam mit dem Dienstleister eine Ausschreibung für einen neuen Auftrag so manipuliert haben, dass der Altlieferant gewinnen musste. Es ging um Reisedienstleistungen für Evonik, die dem Dienstleister bereits rund zehn Millionen Euro Umsatz im Jahr bescherten. Mit der Neuausschreibung dieses Service war der Millionen-Umsatz nun in Gefahr.
Der für das Thema Verantwortliche bei Evonik und ein Mitarbeiter des Reisedienstleisters hätten dann über mehrere Wochen Formulierungsvorschläge und Dokumente ausgetauscht, um die Ausschreibungsanforderungen zu manipulieren. Dadurch sollte der bisherige Dienstleister erneut den Auftrag erhalten.
Rund fünf ernsthafte Meldungen pro Jahr mit Belegen von Whistleblowern
Diese geheimen Absprachen zur Manipulation von Ausschreibungen sind rechtlich heikel und können strafbar sein. Das hat sich auch der Whistleblower gedacht, der sich mit dem Vorfall an Evonik wendete. Die Juristen des Chemiekonzerns trafen sich mit dem Hinweisgeber und klärten den Fall weiter auf. Der Evonik-Mitarbeiter wurde daraufhin versetzt, der beteiligte Reisedienstleister bekam den Auftrag nicht. Bei Evonik war dies nicht die erste Meldung eines Missstandes durch einen Whistleblower. Rund fünfmal im Jahr gehen Meldungen zu Regelbrüchen beim Chemiekonzern ein. „Meistens geben sie Hinweise auf ernsthafte Verstöße und können auch Belege liefern“, sagt Thomas Kreuder, verantwortlich für Recht und Compliance bei Evonik, gegenüber der WirtschaftsWoche.
Eine Studie der US-Organisation Association of Certified Fraud Examiner ergab, dass über 40 Prozent der Betrugsfälle in Unternehmen mit einem Gesamtschaden von mehr als 3,6 Milliarden US-Dollar durch Whistleblower aufgedeckt wurden. Hatten die Firmen ein Hinweisgebersystem, fiel der Schaden durch den Regelverstoß nur halb so hoch aus wie bei Unternehmen ohne Meldeplattform. Die Hälfte der eingegangenen Hinweise kam dabei von den eigenen Mitarbeitern.
Whistleblower-Richtlinie verbietet Sanktionen gegen Hinweisgeber
Der Whistleblower wurde von seinem Arbeitgeber, dem Reisedienstleister, gekündigt. Zwar habe diese Kündigung nichts mit dem Whistleblowing zu tun, doch die Entlassung folgte sehr schnell auf den gemeldeten Hinweis. Der Reisedienstleister ist mittlerweile im Zuge der Corona-Pandemie pleite gegangen und wurde in Teilen von einem Wettbewerber aufgekauft. Währen viele Kollegen übernommen wurden, hat der Hinweisgeber nun keinen Job mehr.
Genau diese Art der Bestrafung von Whistleblowern ist dank einer EU-Richtlinie nicht mehr möglich. Die Whistleblower-Richtlinie, die seit Dezember 2021 für alle Unternehmen und Behörden mit mindestens 50 Mitarbeitern gilt, verbietet die Sanktionierung von Hinweisgebern. Ein Whistleblower darf nicht aufgrund einer Meldung gekündigt oder versetzt werden oder andere Nachteile erfahren. Sollte einem Arbeitnehmer, der auf einen Verstoß aufmerksam gemacht hat, aus einem anderen Grund gekündigt werden müssen, so ist dieser Grund nachvollziehbar und genau zu erklären, sonst ist die Kündigung ungültig.
Wir von der Kanzlei VON RUEDEN informieren Unternehmen über die Whistleblower-Richtlinie und das dazugehörige ausstehende Hinweisgeberschutzgesetz. Zudem bieten wir mit WhistlePort eine richtlinienkonforme, sichere und praxistaugliche Hinweisgeberplattform an, über die Whistleblower Meldungen abgeben können.