In Deutschland arbeiten rund 60 Prozent aller Arbeitnehmer mehr, als in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Vielen ist das ganz recht, weil sie so mehr verdienen können – anderen gefällt die Überschreitung der Arbeitszeit weniger. Kann man in dem Fall eine Anordnung des Arbeitgebers zu Überstunden ablehnen oder muss man sie akzeptieren? Und wie sieht es mit der Vergütung von zusätzlicher Arbeit aus?
In der Regel ergibt sich aus dem Arbeits- oder Tarifvertrag, wie viele Stunden Arbeitnehmer pro Woche oder Monat arbeiten müssen. Arbeitsstunden, die darüber hinaus geleistet werden, sind Überstunden. Das gilt auch für Teilzeitbeschäftigte. Aber was, wenn der Arbeitgeber einseitig Überstunden verlangt?
Muss ich Überstunden machen?
Arbeitgeber können grundsätzlich einseitig festlegen, wann und wie lange gearbeitet wird. Ihr Weisungsrecht erlaubt es ihnen, auch Überstunden anzuordnen. Dieses Recht hat allerdings Grenzen: Es endet dort, wo arbeitsvertragliche, tarifvertragliche oder gesetzliche Regelungen entgegenstehen.
Im Arbeitszeitgesetz ist festgelegt, dass die maximale tägliche Arbeitszeit bei Erwachsenen bei acht Stunden liegt. Sie kann zeitweise auf zehn Stunden pro Tag verlängert werden. Es dürfen insgesamt aber nicht mehr als 48 Stunden pro Woche gearbeitet werden – nur im Einzelfall ist eine 60-Stunden-Woche in Ordnung, wenn die Mehrarbeit binnen 24 Wochen wieder ausgeglichen wird. Bei einer Teilzeitbeschäftigung besteht keine Leistungspflicht für Überstunden, weil sich längere Arbeitszeiten und Teilzeitbeschäftigung grundsätzlich widersprechen.
Wurde im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag ausdrücklich eine bestimmte wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit vereinbart, können Arbeitgeber Überstunden nur verlangen, wenn ein echter Notfall vorliegt. Das wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn es brennt oder ein Hochwasser droht. Kranke Kollegen und unerwartete Aufträge sind in diesem Sinne kein Notfall.
Muss ein Mitarbeiter sein Kind zu einer bestimmten Zeit aus der Krippe holen, muss der Arbeitgeber das akzeptieren. Arbeitnehmer haben also grundsätzlich das Recht, Überstunden abzulehnen, wenn nicht echte Notfälle sie zur Mehrarbeit verpflichten. Arbeitgeber dürfen Überstunden jedenfalls nicht willkürlich anordnen.
Was passiert, wenn ich Überstunden verweigere?
Wenn der Arbeitsvertrag, ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung verpflichtende Überstunden beinhalten, dürfen Arbeitnehmer die Überstunden auf keinen Fall verweigern. Eine Verpflichtungsklausel im Arbeitsvertrag ist allerdings nur wirksam, wenn klar geregelt ist, wie viele Überstunden im Höchstfall innerhalb einer Woche oder eines Monats geleistet werden müssen.
Das Verweigern von Überstunden ist mit hohen Risiken verbunden. Daher sollte die angeordnete Mehrarbeit im Zweifelsfall zunächst geleistet werden. Wenn die Leistung von Überstunden verweigert wird, obwohl es vertragliche Regelungen dazu gibt und kein sonstiger wichtiger Verweigerungsgrund vorliegt, handelt es sich um Arbeitsverweigerung. Nach dem Arbeits- und Dienstrecht kann die Verweigerung zu Abmahnung und Kündigung führen und in schwerwiegenden Fällen sogar die fristlose Entlassung zur Folge haben.
Müssen Überstunden vergütet werden?
Eine allgemeine Klausel im Arbeitsvertrag, dass die Überstunden mit dem üblichen Lohn abgegolten sind, ist nicht zulässig, weil nicht klar ist, wie viele Überstunden damit erfasst sein sollen. Eine zeitlich unbeschränkte Klausel ist unwirksam. Wenn im Arbeitsvertrag keine Regelung festgehalten ist, besteht ein Vergütungsanspruch.
Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn davon auszugehen ist, dass Arbeitnehmer nicht umsonst arbeiten möchten – was in einem normalen Beschäftigungsverhältnis immer erfüllt ist. Nur bei Arbeitnehmern in leitender Position mit weit überdurchschnittlichem Verdienst können sich Arbeitgeber darauf berufen, dass die Überstunden mit dem vereinbarten Gehalt abgegolten sind.
Bekomme ich bei Krankheit nur das Grundgehalt?
Bei Urlaub und Krankheit gilt das Lohnausfallprinzip. Das bedeutet, der Arbeitnehmer ist so zu behandeln, als wenn er normal gearbeitet hätte. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 21. November 2001 (Az.: 5 AZR 457/00) entschieden, dass es bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf die tatsächlich in den letzten zwölf Monaten geleisteten Stunden ankommt.
Hat ein Arbeitnehmer also regelmäßig mehr als die vereinbarte Arbeitszeit gearbeitet, ist das bei der Entgeltfortzahlung entsprechend zu berücksichtigen. Wurden in den zurückliegenden Monaten immer Überstunden geleistet und vergütet, muss das auch für den Ausfallzeitraum gelten.
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