Die Stadt München hat den russischen Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker Waleri Gergijew wegen seiner Nähre zu Wladimir Putin entlassen. Er habe sich nicht vom Angriffskrieg auf die Ukraine distanziert. Eine Opernsängerin an der Hamburger Elbphilharmonie ging selbst – bevor sie entlassen werden konnte. Droht nun eine Kündigungswelle für Arbeitnehmer, die sich positiv gegenüber Putin äußern? Und vor allem: Sind solche Kündigungen aus politischen Gründen rechtens?
Gergijew war seit 2015 als Chefdirigent des öffentlich finanzierten Münchner Sinfonieorchesters beschäftigt. Nachdem er auf ein Ultimatum des Münchener Oberbürgermeisters Dieter Reiter nicht reagiert hatte, sich deutlich vom Angriff auf die Ukraine zu distanzieren, wurde er entlassen. Der Chefdirigent der Münchner Philharmoniker habe sich trotz mehrfacher Aufforderung, „sich eindeutig und unmissverständlich von dem brutalen Angriffskrieg zu distanzieren, den Putin gegen die Ukraine und nun insbesondere auch gegen unsere Partnerstadt Kiew führt“, nicht geäußert, so der Oberbürgermeister. Gergijew war seit der Spielzeit 2015/2016 Chefdirigent der Philharmoniker.
Kündigung aus Gesinnungsgründen problematisch
Gergijew steht schon seit Jahren wegen seiner Freundschaft mit Putin in der Kritik. Nachdem er 2008 die russische Position im Georgien-Konflikt unterstützt hatte, unterschrieb er 2014 einen Künstler-Appell zur Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland. Arbeitsrechtlich ist es jedoch problematisch, eine Kündigung aus politischen Gründen auszusprechen, denn für die ordentliche Kündigung ist ein betriebs-, personen- oder verhaltensbedingter Grund erforderlich. Nichts davon trifft auf die Kündigung Gergijews zu. Sich nicht von Putins Krieg zu distanzieren, ist weder eine Pflichtverletzung noch ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung.
In Deutschland gilt für Arbeitnehmer, die länger als sechs Monate in einem Unternehmen mit mehr als zehn Vollzeitbeschäftigten beschäftigt sind, ein besonderer Kündigungsschutz. Für eine rechtskräftige Kündigung muss ein triftiger Grund genannt werden. Die politische Weltanschauung ist kein solcher Grund – sie ist Privatsache, solange sie das Arbeitsverhältnis nicht beeinträchtigt. Ein Arbeitnehmer darf grundsätzlich nicht wegen seiner politischen Gesinnung gekündigt werden.
Kündigung bei Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten
Arbeitgeber von Personen, die Putin nahestehen oder den Krieg in der Ukraine befürworten, können in den meisten Fällen arbeitsrechtlich nichts dagegen tun. Eine Kündigung ist nur gerechtfertigt, wenn die Arbeitstätigkeit durch die politische Betätigung beeinflusst wird. In dem Fall würde eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten vorliegen. Wenn die politische Betätigung im Unternehmen stattfindet und dadurch den Betriebsfrieden schwer schädigt, wäre eine Kündigung gerechtfertigt.
Eine abstrakte Gefährdung reicht nicht für eine Kündigung. Der Betriebsablauf muss konkret gefährdet sein und der Arbeitnehmer muss seine Arbeitspflicht verletzt haben. Kündigungsgründe wären zum Beispiel, wenn Beschäftigte Kollegen gegeneinander aufhetzen, ihnen ihre Meinung aufdrängen oder ihre Arbeitszeit für politische Aktivitäten nutzen.
Druckkündigung aus wirtschaftlichen Gründen
Anders sieht es arbeitsrechtlich im öffentlichen Dienst aus. Hier gilt eine besondere Verfassungstreue als Voraussetzung für die Tätigkeit. Auch wirtschaftliche Gründe können eine Kündigung begründen. Wenn zum Beispiel dem Unternehmen unter dem Druck von Kunden ein großer wirtschaftlicher Schaden droht, kann eine sogenannte Druckkündigung rechtens sein. Bei einer Druckkündigung spricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Kündigung aus, weil Dritte vom Arbeitgeber unter Androhung von Nachteilen den Ausspruch der Kündigung verlangen.
Im Fall des Münchner Chefdirigenten Gergijew könnten solche wirtschaftlichen Gründe für eine Kündigung greifen. Die Anforderungen für eine Druckkündigung sind allerdings hoch. So müssten der Betriebsfrieden gefährdet oder die Nachteile für das Unternehmen so gravierend sein, dass die Weiterbeschäftigung unzumutbar wäre. Der Arbeitgeber muss den Schaden nachweisen können und dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, die Situation zu entschärfen.
Besteht der Arbeitnehmer darauf, im Unternehmen zu bleiben, dürfte es für den Arbeitgeber schwierig werden. In der Regel kommt es nach einer solchen Kündigung aber zu einer außergerichtlichen Einigung. In dem Fall bekommt der Arbeitnehmer eine Abfindung, sodass ein Kündigungsschutzprozess umgangen werden kann. Eine Weiterbeschäftigung wäre schließlich für beide Seiten nicht angenehm.