Was ist rechtlich zulässig, wenn der Arbeitgeber den Verdacht hat, dass ein Mitarbeiter Arbeitsunfähigkeit vortäuscht oder sogar eine Straftat begangen hat? Manche Arbeitgeber setzen Detektive zur Überwachung von Beschäftigten ein. Unter bestimmten Voraussetzungen ist das erlaubt – nämlich dann, wenn der Verdacht auf vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit, Konkurrenztätigkeit oder Straftaten gegen den Arbeitgeber besteht. Aber wo genau verlaufen die Grenzen?
Eine dauerhafte Beschattung von Mitarbeitern ist ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Deshalb gibt es bei der Mitarbeiterüberwachung klare Grenzen: Grundsätzlich ist ein Detektiveinsatz zur Überwachung des Arbeitnehmers nur dann zulässig, wenn es einen konkreten Verdacht für ein Fehlverhalten gibt. Arbeitgeber sind also nicht berechtigt, grundlos eine Überwachung zu beauftragen, damit Verdachtsmomente gefunden werden. Der Verdacht muss bereits vor dem Einsatz des Detektivs nachvollziehbar sein.
Mitarbeiterüberwachung: Es muss ein begründeter Verdacht vorliegen
Ein Arbeitgeber darf nur dann einen Privatdetektiv einsetzen, wenn ein begründeter Verdacht auf eine Straftat oder eine schwerwiegende arbeitsrechtliche Verfehlung vorliegt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Geld oder Gegenstände gestohlen wurden. Die Geschäftsleitung muss aber eine klare Vermutung haben, wer der Täter sein könnte. Ob Detektiveinsätze auch erlaubt sind, wenn es „nur“ um die Aufklärung von Pflichtverletzungen geht, war früher umstritten.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hatte die Mitarbeiterüberwachung mit Urteil vom 20. Juli 2016 zunächst abgelehnt (Az. 4 Sa 61/15). Damit wurde der Detektiveinsatz als Ermittlungsmaßnahme fast abgeschafft. Doch das Bundesarbeitsgericht (BAG) revidierte die Entscheidung und erweiterte sogar den Rahmen zulässiger Überwachungen: Auch nicht strafbare Verhaltensweisen dürfen laut Urteil vom 29. Juni 2017 mit Hilfe von Detektiveinsätzen aufgeklärt werden (Az. 2 AZR 597/16). In dem Fall ging es um eine verbotene Konkurrenztätigkeit während der Krankschreibung eines Arbeitnehmers.
Der Einsatz des Detektivs muss verhältnismäßig sein
Eine dauerhafte intensive Beschattung eines Arbeitnehmers durch einen Privatdetektiv stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Mitarbeiters dar. Deshalb muss neben dem konkreten Verdacht einer schweren Verfehlung auch die Verhältnismäßigkeit der Überwachung geprüft werden. Vor der Überwachung müssen alle milderen Mittel genutzt werden. Das Arbeitsrecht kennt jedoch nur wenige solcher Mittel, denn auch andere Überwachungsmethoden sind meistens aus datenschutzrechtlichen Gründen verboten oder nur sehr eingeschränkt anwendbar – etwa die heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz oder der Einsatz von GPS-Technik ohne Wissen des Arbeitnehmers. Oft bleibt als milderes Mittel nur die Befragung des Mitarbeiters durch einen Vorgesetzten. Da straffällige Arbeitnehmer ihre Taten nur selten zugeben, hat diese Methode jedoch wenig Aussicht auf Erfolg.
Bevor der Arbeitgeber einen Detektiv einsetzt, muss er begründen können, warum sein Interesse an der Aufklärung das Interesse des Arbeitnehmers auf Schutz seiner Persönlichkeit überwiegt. Das ist in der Regel nur bei schwerwiegenden Vergehen möglich. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Einsatz eines Detektivs in der Regel zulässig. Die Überwachung muss aber zur Aufklärung geeignet sein, also die Vorwürfe entkräften oder bestätigen können.
Will der Arbeitgeber überprüfen lassen, dass ein Mitarbeiter seine Arbeitsunfähigkeit vortäuscht, muss er dafür vorher den medizinischen Dienst der Krankenkasse einschalten. Das BAG hat 2009 entschieden, dass dieses sogenannte Begutachtungsverfahren gemäß § 275 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch die kostengünstigere und deshalb vorzuziehende Alternative zum Detektiv ist. Private Ermittlungen liefern in der Regel auch nur Indizien für ein falsches Attest, während beim Begutachtungsverfahren geklärt wird, ob tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit besteht oder nicht.
Die Verletzung von Persönlichkeitsrechten wird teuer
Für die Überwachung von Arbeitnehmern hat das Arbeitsrecht sehr strenge Kriterien vorgegeben. Ganz oben stehen der Datenschutz und das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Ermittelt ein Detektiv, gilt der Grundsatz der „Datensparsamkeit“ nach der DSGVO. Informationen, die nicht der Verdachtsaufklärung dienen, dürfen nicht gesammelt und verarbeitet werden. Wenn feststeht, dass die Überwachung keine zielführenden Fakten bringt, muss sie sofort beendet werden.
Rechtswidrige Überwachungen durch Detektive können für den Arbeitgeber sehr negative Folgen haben: Er riskiert, dass er die durch Überwachung gewonnenen Erkenntnisse vor Gericht nicht als verwertbare Beweise im Kündigungsschutzprozess nutzen kann. Zudem drohen ihm neben dem Imageverlust des Unternehmens wegen der unzulässigen Überwachung auch Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers. Dazu kommen hohe Strafzahlungen wegen der Datenschutzverstöße. Die Bußgelder können bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen.
Wurden Sie vom Arbeitgeber überwacht? Wehren Sie sich gegen Ihre Kündigung!
Wurden Sie von Ihrem Arbeitgeber überwacht? Wer der Meinung ist, unverhältnismäßig durch Detektiv beschattet worden zu sein, kann einen Anwalt für Arbeitsrecht einschalten und sich gegen eine mögliche Kündigung wehren. Das Unternehmen muss dann belegen, dass der Einsatz des Detektivs verhältnismäßig und notwendig war.
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