Ein sehr gutes Arbeitszeugnis ist für die Suche nach einem neuen Job ein entscheidendes Kriterium. Doch positiv klingende Formulierungen können auch negative Geheimcodes sein und in Wirklichkeit schlechte Noten bedeuten. Weil Arbeitszeugnisse immer „wohlwollend“ formuliert sein müssen, verstecken ehemalige Arbeitgeber die Kritik oft zwischen den Zeilen. Was bedeuten die Floskeln im Arbeitszeugnis und wie können sich Arbeitnehmer gegen ein schlechtes Zeugnis wehren?
Um ihr Arbeitszeugnis zu verstehen, müssen Arbeitnehmer die verwendeten Zeugniscodes entschlüsseln können. Nur so können sie einschätzen, ob das Zeugnis den eigenen Vorstellungen entspricht oder nur vermeintlich gut ist. Wer mit seinem Arbeitszeugnis unzufrieden ist, sollte mit seinem ehemaligen Arbeitgeber über Änderungen sprechen. Falls er Änderungen verweigert, bleibt nur der Klageweg. Auch wer trotz mehrfacher Aufforderung kein Zeugnis bekommt, kann mit Hilfe eines Fachanwalts für Arbeitsrecht klagen.
Was beinhaltet das Arbeitszeugnis?
Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis umfasst etwa ein bis zwei Seiten und enthält den Briefkopf des Arbeitgebers. Es sollte individuell formuliert sein und nicht nur aus allgemeinen Floskeln bestehen, die negativ wirken könnten. Aufgebaut ist ein qualifiziertes Arbeitszeugnis wie folgt: Es enthält eine Überschrift, die Anschrift des Arbeitgebers und eine genaue Beschreibung des Arbeitnehmers. Die Personalien und Daten wie Beschäftigungsdauer und Ausstellungsort müssen vollständig und korrekt sein. Außerdem sollten alle Tätigkeiten des Mitarbeiters im Unternehmen vollständig beschrieben sein.
Bei der Beurteilung von Leistung und Verhalten wird auf Motivation, Befähigung, Fachwissen, Arbeitsstil und Erfolge eingegangen. Der Umgang mit Vorgesetzten, Kollegen und Kunden wird ebenfalls bewertet. Die zusammenfassende Beurteilung lässt auf eine Note schließen. Schließlich wird noch erwähnt, welche Seite das Beschäftigungsverhältnis beendet hat. Das Arbeitszeugnis schließt mit einer Danksagung und einer Wunschformel wie „für die Zukunft alles Gute“ und Ort, Datum und Unterschrift des Arbeitgebers.
Welche Noten stecken hinter den Zufriedenheitsfloskeln?
Die wohlwollenden Formulierungen im Arbeitszeugnis lassen sich in folgende Schulnoten übersetzen:
- Der Arbeitnehmer hat die ihm übertragenen Aufgaben „stets zur vollsten Zufriedenheit erledigt“ bedeutet Note 1 (sehr gut).
- „Zur vollsten Zufriedenheit“ entspricht der Schulnote 2 (gut).
- „Zur vollen Zufriedenheit“ steht für eine 3 (befriedigend).
- „Zur Zufriedenheit“ bedeutet eine 4 (ausreichend).
- „Im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“ heißt im Klartext 5 (mangelhaft).
- „Hat sich bemüht“ bedeutet eine glatte 6 (ungenügend).
Was bedeuten die „wohlwollenden“ Beurteilungen im Zeugnis?
Über 80 Prozent aller Arbeitszeugnisse sind „sehr gut“ oder „gut“, denn Arbeitgeber dürfen nicht schonungslos über Mitarbeiter urteilen. Das Bundesarbeitsgericht gibt vor, dass ein Arbeitszeugnis „wahr“ und „wohlwollend“ sein muss. Die Zeugnissprache steckt daher voller Geheimcodes, hinter denen sich schlechtere Beurteilungen verstecken. Vermeintlich positive Wendungen haben oft abwertende Bedeutungen. Folgende Aussagen im Zeugnis bedeuten nichts Gutes:
- Sie zeigte stets Verständnis für ihre Arbeit: Sie hat nichts geleistet.
- Er war stets bemüht, seine Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen: Seine Mühe blieb aber leider erfolglos.
- Sie wird als umgängliche Kollegin geschätzt: Es handelt sich um eine schwierige Mitarbeiterin.
- Er war ein anspruchsvoller und in allen Fragen kritischer Manager. Der Mitarbeiter ist ein Nörgler.
- Sie verstand es, ihre Interessen mit denen des Unternehmens in Einklang zu bringen: Sie beging Diebstahl und/oder andere schwere Fehler.
- Er erledigte alle Aufgaben pflichtbewusst und ordnungsgemäß: Es mangelte ihm an Eigeninitiative.
- Sie hatte Gelegenheit, sich das notwendige Fachwissen anzueignen: Sie nutzte die Gelegenheit nicht.
- Er war seinen Mitarbeitern jederzeit ein verständnisvoller Vorgesetzter: Es mangelte ihm an Autorität und Durchsetzungsvermögen.
- Sie verstand es, ihre Aufgaben mit Erfolg zu delegieren: Sie drückte sich vor der Arbeit, wo sie nur konnte.
- Er bewies stets Einfühlungsvermögen für die Belange der Belegschaft: Er flirtete ständig.
- Wir wünschen ihr alles Gute und Gesundheit: Sie war oft krank.
- Er arbeitete stets mit größter Genauigkeit: Er war ein langsamer und unflexibler Erbsenzähler.
- Er ging mit Fleiß und Pünktlichkeit an seine Aufgaben heran: Ihm fehlte die fachliche Qualifikation.
- Durch ihre Geselligkeit trug sie zur Verbesserung des Betriebsklimas bei: Sie neigt zu übertriebenem Alkoholgenuss.
- Er war stets ein geschätzter Gesprächspartner: Er war geschwätzig und führte oft Privatgespräche.
Was kann ich tun, wenn ich kein Zeugnis bekomme?
Bittet ein Beschäftigter ausdrücklich um ein Arbeitszeugnis und der Arbeitgeber reagiert nicht, kann das Zeugnis beim Arbeitsgericht eingeklagt werden – eventuell lässt sich sogar im Eilverfahren eine einstweilige Verfügung erwirken. Kommt es wegen des fehlenden Zeugnisses zu Problemen, einen neuen Job zu finden, steht dem Arbeitnehmer Schadensersatz zu.
Was, wenn ich mit meinem Arbeitszeugnis nicht einverstanden bin?
Wer ein schlechtes Zeugnis bekommt, sollte zunächst versuchen, das Problem mit seinem ehemaligen Vorgesetzten zu lösen. Ist der Arbeitgeber uneinsichtig, sollten Arbeitnehmer einen schriftlichen Widerspruch formulieren. Darin werden alle beanstandeten Passagen aufgeführt und Alternativformulierungen vorgeschlagen.
Weigert sich der Vorgesetzte, ein Zeugnis zu schreiben, bleibt nur eine Klage am zuständigen Arbeitsgericht. Eine Zeugnisberichtigungsklage muss drei Wochen nach Erhalt des Arbeitszeugnisses eingereicht werden. Ein unangemessen formuliertes oder unfaires Zeugnis kann für Arbeitgeber teuer werden. Scheitert ein ehemaliger Mitarbeiter aufgrund des schlechten Zeugnisses bei einer Bewerbung, kann er möglicherweise nachweisen, dass ihm durch das Zeugnis ein konkreter Schaden entstanden ist und Schadensersatz einklagen.
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