Während der Corona-Pandemie arbeiten viele Arbeitnehmer im Homeoffice. Wie sieht es im häuslichen Arbeitszimmer mit dem Versicherungsschutz aus? Was gilt, wenn es auf dem Weg vom Schlafzimmer zum Schreibtisch zu einem Unfall kommt? Sind Beschäftigte dann durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt? Das Bundessozialgericht (BDG) hat zu diesen Fragen ein aktuelles Urteil gesprochen.
Der Weg vom Schlafzimmer ins häusliche Büro findet im Interesse des Arbeitgebers statt. Daher ist ein Unfall, der sich auf diesem Weg ereignet, als Arbeitsunfall einzustufen. Das entschied das Bundessozialgericht am 8. Dezember 2021 (Az. B 2 U 4/21 R). Dabei kommt es allerdings auf eine Voraussetzung an.
Wann zählt der Weg vom Bett zum Schreibtisch als Arbeitsunfall?
Das BSG in Kassel hat entschieden, dass Arbeitnehmern im Homeoffice auch auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Maßgeblich sei die „Handlungstendenz“ hin zur beruflichen Tätigkeit, so das Gericht. Das gelte auch für Unfälle vor der jüngsten Gesetzesänderung im Juni.
Mit diesem Urteil bestätigt das Gericht, was bereits vorherrschende Meinung ist: Wer im Homeoffice etwas unternimmt, was in direktem Zusammenhang zur Arbeit steht, ist gesetzlich unfallversichert – und zwar in gleichem Maße wie Arbeitnehmer, die im Unternehmen arbeiten.
Verkaufsleiter stürzt von der Wendeltreppe: Arbeitsunfall
In dem Fall vor dem BSG hatte ein Arbeitnehmer aus dem Raum Aachen geklagt, der als Gebietsverkaufsleiter im Außendienst arbeitet und beruflich oft unterwegs ist. Für Verwaltungsaufgaben hat er sich zu Hause ein Büro oberhalb seiner Wohnräume eingerichtet, das er über eine Wendeltreppe erreicht. Laut einer Pressemitteilung beginnt er dort üblicherweise unmittelbar zu arbeiten – ohne vorher zu frühstücken.
Im September 2018 stürzte der Verkaufsleiter auf dem Weg von den Wohnräumen ins Homeoffice die Wendeltreppe hinunter und zog sich dabei einen Brustwirbeltrümmerbruch zu, was zur Bewusstlosigkeit führte. Weil er auf direktem Weg zur Arbeit war, als der Unfall passierte, beantragte er bei der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik eine Anerkennung des Sturzes als Arbeitsunfall. Die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) lehnte Leistungen anlässlich des Unfalls jedoch ab. Daraufhin zog der Mann vor Gericht.
BSG sprach dem Kläger Leistungen der Unfallversicherung zu
Während das Sozialgericht Aachen dem Mann Recht gab und den Weg vom Bett ins Homeoffice als versicherten Betriebsweg anerkannte, wies das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen die Klage des Mannes in zweiter Instanz ab: Wege innerhalb der eigenen Wohnung sind generell nicht unfallversichert. Laut Urteil sei der Weg auf der Treppe weder ein „Betriebsweg“ noch ein Weg zur Arbeit, wie sie von den Berufsgenossenschaften versichert sind. Sein Sturz habe sich vielmehr „im häuslichen Wirkungskreis“ ereignet, urteilte das Gericht.
Doch das BSG sprach dem Kläger Leistungen der Unfallversicherung zu. Dabei kann es zusätzlich zu den Behandlungskosten je nach Unfallfolgen auch um Rentenzahlungen gehen. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass der Weg auf der Treppe in einem engen Zusammenhang mit der Arbeit des Klägers gestanden habe. Der Verkaufsleiter habe seine Arbeit aufnehmen wollen. Diese „objektive Handlungstendenz“ sei entscheidend.
Unfallschutz im Homeoffice gilt im gleichen Umfang wie im Betrieb
Die Richter am BDG betonten, dass diese Regelung unabhängig von einer Gesetzesänderung zum 18. Juni 2021 gilt und auch schon vorher galt. Nach der Neuregelung besteht gemäß § 8 Abs. 1 S. 3 SGB VII seit dem 18. Juni 2021 Unfallschutz im Homeoffice „in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte“. Die Gesetzesänderung stützt die neuere BSG-Rechtsprechung. Darin ist geregelt, dass auch betriebliche Wege innerhalb der eigenen Wohnung versichert sind. Künftig werden auch Wege bis zur Küche versichert sein, wenn sich Arbeitnehmer etwas zu essen oder zu trinken holen.