Zahl der Dieselverfahren weiterhin hoch – schnellere Klärung geplant

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Sechs Jahre nach dem Bekanntwerden beschäftigt der Dieselskandal weiter die Gerichte – und die Zahl der Klagen bleibt hoch. Eine Umfrage des Deutschen Richterbunds (DRB) bei den 24 deutschen Oberlandesgerichten hat ergeben, dass 2020 an den Gerichten rund 30.000 neue Fälle im Abgasskandal verhandelt wurden.  Jetzt fordern die Minister der Länder eine schnellere Klärung einiger Grundsatzfragen. Dabei könnte ein neues Verfahren helfen.

Die Oberlandesgerichte mussten sich im letzten Jahr mit 30.000 Zivilklagen von Dieselkäufern befassen. Damit wurde zwar nicht das Rekordniveau von 2019 erreicht, in dem rund 40.000 Fälle verhandelt wurden, doch die Zahl ist fast dreimal so hoch wie 2018, als es rund 10.000 Verfahren waren. Aktuell gibt es wieder einen Anstieg der Fälle wegen illegaler Abgasmanipulationen bei Dieselfahrzeugen – obwohl der Bundesgerichtshof bereits ein Grundsatzurteil gegen Volkswagen gesprochen hat, demzufolge betrogenen Kunden Schadenersatz zusteht.

Justizminister für Vorabentscheidungsverfahren im Dieselskandal

Die massenhaften Klagen, die sich derzeit trotz der Pandemie gegen Daimler, VW und BMW richten, können die Gerichte an ihre Belastungsgrenze bringen. Deshalb wollen die Bundesländer künftig schneller reagieren. Auf der diesjährigen Konferenz der Justizminister (JuMiKo) am 16. Juni wurde die Möglichkeit eines Vorabentscheidungsverfahrens durch den Bundesgerichtshof (BGH) thematisiert.

Dazu heißt es in dem gemeinsamen Beschluss der Konferenz: „Die Justizministerinnen und Justizminister sprechen sich im Rahmen der Umsetzung der Verbandsklagerichtlinie dafür aus, ein Vorlageverfahren zum Bundesgerichtshof im Zivilprozessrecht oder vergleichbare Maßnahmen zu prüfen, wodurch die Instanzgerichte eine – vergleichsweise zügige – höchstrichterliche `Vorabentscheidung´ über grundsätzliche Rechtsfragen mit Bedeutung für eine Vielzahl von Einzelfällen herbeiführen könnten.“ Es soll eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, um die Einführung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof oder andere verfahrensrechtliche Lösungen zu prüfen und konkrete Vorschläge auszuarbeiten.

BGH soll Grundsatzfragen im Abgasskandal vorab klären

Den Gerichten in den Eingangsinstanzen soll es ermöglicht werden, den Bundesgerichtshof zu grundsätzlichen Rechtsfragen anzurufen, wenn sie eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle betreffen. Der Zivilprozess ruht dann, bis eine Entscheidung aus Karlsruhe vorliegt. Die Vorlage soll veröffentlicht werden, damit nicht weitere Gerichte in derselben Rechtsfrage aktiv werden müssen.

Der aktuelle Vorsitzende der JuMiKo Peter Biesenbach (CDU), Justizminister von Nordrhein-Westfalen, hat sich gegenüber der FAZ dazu geäußert: „Die schnelle höchstrichterliche Klärung von Grundsatzfragen ist in einem Rechtsstaat von besonderer Bedeutung“. Vor allem in Massenklagen würden die Fälle bislang häufig unterschiedlich entschieden. Bis zur Klärung durch den Bundesgerichtshof schwebe daher ein Damoklesschwert über den streitenden Parteien, so Biesenbach.

Bei VW sind von der Erhebung der ersten Klage im Herbst 2015 bis zum Grundsatzurteil mehr als viereinhalb Jahre vergangen. Zeichnete sich eine Niederlage ab, bot der Autokonzern den Klägern Vergleiche an. Bislang hätten beklagte Autohersteller in Massenklagen versucht, Entscheidungen aus Karlsruhe durch „taktische Spitzfindigkeiten“ zu vermeiden, kritisiert Biesenbach das Vorgehen. Das Vorabentscheidungsverfahren werde dem ein Ende bereiten. Das Vorhaben, das der Bundesgesetzgeber auf den Weg bringen müsste, bringe laut Biesenbach den Vorteil „schneller Klärung, einheitlicher Rechtsprechung und Rechtsfortbildung“.

Immer mehr Klagen gegen Daimler

Laut Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds, häufen sich derzeit die Klageeingänge gegen Daimler. Beim Oberlandesgericht München lägen die Daimler-Verfahren nach dem ersten Jahresdrittel 2021 bereits auf dem Niveau des Gesamtjahres 2020. In Stuttgart werden aktuell 1500 Daimler-Fälle verhandelt, womit sich die Zahl in den ersten vier Monaten 2021 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres fast verdreifacht habe. Es nähmen aber auch die Fälle stark zu, in denen es um mögliche Manipulationen neuerer VW-Dieselmotoren geht.

In Verfahren um die Manipulation der älteren VW-Motoren wird vor den Gerichten gerade über die Verjährungsfrage gestritten. Und bei Gebrauchtwagenkäufen drehen sich die Klagen gegen VW um die späteren Softwareupdates, die die Abgas-Manipulation nicht beseitigt hätten.

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