Einige Grundsatzfragen im Dieselskandal hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits geklärt und in zahlreichen Fällen gab es bereits außergerichtliche Einigungen. Zivilrechtlich ist der Abgasskandals allerdings noch immer nicht aufgearbeitet. Es ist auch noch nicht vollständig geklärt, wann Schadensersatzansprüche im Dieselskandal verjähren und wann Kunden auch bei Leasing der manipulierten Fahrzeuge Anspruch auf Schadensersatz haben.
Über sechs Jahre nach Bekanntwerden des Dieselskandals sind auch 2022 noch nicht alle Fragen geklärt. Ab Februar dieses Jahres werden weitere Entscheidungen aus Karlsruhe erwartet. Es soll noch einmal darüber verhandelt werden, in welchen konkreten Fällen Schadensersatzansprüche wegen der Wertminderung der manipulierten Fahrzeuge bereits verjährt sind. Zu diesem Thema werden vor dem BGH fünf Parallelverfahren geführt.
VW-Dieselskandal: Musterfeststellungsklage und Sammelklage
Laut VW haben bis zum Februar 2021 die meisten Besitzer von Fahrzeugen mit dem Skandalmotor EA189 das Schadensersatzangebot angenommen, das 2020 mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) im Rahmen der Musterfeststellungsklage ausgehandelt wurde. Das waren rund 244.000 Dieselfahrer. Andere Kunden hatten in Einzelverfahren weitergeklagt. Nach einem Grundsatzurteil im Mai 2020 sprach der BGH diesen Fällen Schadensersatz zu und VW hat sich nach eigenen Angaben bislang mit mehr als 40.000 weiteren Kunden geeinigt.
Offen sind noch die Sammelklagen des Rechtsdienstleisters MyRight gegen VW. MyRight hat sich Schadensersatzforderungen von Dieselkäufern abtreten lassen, um sie für die Betroffenen einzuklagen. VW vertritt die Auffassung, dass dieses Geschäftsmodell gegen deutsches Recht verstößt. Eine Entscheidung des BGH dazu steht noch aus, aber frühere Urteile zeigen, dass der BGH für solche Geschäftsmodelle tendenziell offen ist.
Nach der Drei-Jahres-Frist kein Schadensersatz mehr?
Vom Abgasskandal betroffene Dieselbesitzer hätten grundsätzlich innerhalb einer Drei-Jahres-Frist bis Ende 2018 vor Gericht ziehen müssen. Wer schon 2015 vom Dieselskandal wusste und erst 2019 oder später klagte, hat laut BGH keinen Schadensersatzanspruch mehr. Allerdings dürfen Gerichte nicht nur wegen der Medienberichterstattung davon ausgehen, dass Kunden von den Manipulationen Kenntnis hatten. Deshalb kann es in einzelnen Fällen noch Klärungsbedarf geben.
Steht VW-Kunden ein Restschadensersatz zu?
Die Frage, ob Dieselkäufer noch Ansprüche haben, nachdem VW die Finanzmärkte über den Dieselskandal in Kenntnis gesetzt hat, ist ebenfalls noch offen. Zu diesem Thema soll es mündliche Verhandlungen geben. Zwar hat der BGH eine Haftung des Autobauers bei späten Käufen im Grunde abgelehnt, doch die Richter wollen noch prüfen, ob VW betrogenen Kunden trotz der Verjährung einen sogenannten Restschadensersatz zahlen muss.
Zu den Entschädigungen für Leasing-Kunden hat der BGH bereits entschieden, dass gezahlte Raten bei uneingeschränkter Nutzung von den Autoherstellern oder Händlern nicht zurückerstattet werden müssen, wenn keine anschließende Übernahme des manipulierten Fahrzeugs vereinbart wurde. Für April sind dazu jedoch noch ergänzende Termine geplant.
Dieselskandal: Verfahren zu speziellen Konstellationen
Mit dem Grundsatzurteil des BGH vom Mai 2020 wurde vielen Verbrauchern der Weg zu Schadensersatz freigemacht. VW hatte versucht, das Grundsatzurteil möglichst lange hinauszuzögern und mit Vergleichsangeboten Verhandlungen vor den Oberlandesgerichten und vor dem Bundesgerichtshof platzen zu lassen. Für die Dieselkäufer hieß das Spiel auf Zeit: Sie waren bis zur Verhandlung mehr Kilometer mit ihren Autos gefahren und mussten sich höhere Nutzungsentschädigungen vom Schadensersatz abziehen lassen.
2021 wurde entschieden, dass die Entschädigung auch zusätzliche Kosten wie Zinsen für eine Ratenfinanzierung umfasst und dass durch den Weiterverkauf des Autos die Ansprüche nicht entfallen. Jetzt müssen vor allem noch die spezielleren Konstellationen geklärt werden – zum Beispiel, ob erfolgreiche Kläger sich den Kaufpreis ihres Diesels noch rückwirkend verzinsen lassen können, also Anspruch auf Deliktzinsen haben. Zum neueren Motor EA288, der laut VW nicht über unzulässige Abschalteinrichtungen verfügt, gibt es ebenfalls noch offene Verfahren.
Offene Dieselverfahren gegen Audi
Die Dieselgate-Rechtsprechung hat sich in letzter Zeit zunehmend mit anderen Autobauern befasst. Nach Auskunft eines BGH-Sprechers waren Ende 2021 noch rund 1.200 Dieselverfahren in Karlsruhe anhängig – in rund der Hälfte der Fälle ging es um VW. Zu Beginn des Dieselskandals seien gut drei Viertel der Verfahren VW-Fälle gewesen, so der Sprecher.
Die separat erfasste Konzerntochter Audi wurde nicht mitgezählt. Beim BGH liegen gegen Audi noch zahlreiche Klagen vor, nicht nur wegen Audi-Modellen, in denen der VW-Motor EA189 mit der illegalen Abschalteinrichtung verbaut wurde. Beim von Audi selbst entwickelten Motor EA897 ist noch offen, ob der Konzern seine Kunden vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat.
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