VW verlangt Schadensersatz von Ex-Chef Winterkorn – bezahlen soll die Versicherung

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Weil der Dieselskandal die Volkswagen AG Milliarden gekostet hat, fordert der Autokonzern jetzt Schadenersatz von Martin Winterkorn. Doch diese Forderung bedeutet nicht etwa den Bruch zwischen VW und dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden – im Gegenteil: VW macht damit aus dem gigantischen Abgasbetrug eine fahrlässige Sorgfaltsverletzung – gegen die Martin Winterkorn sehr gut versichert ist. Das zeigt, dass im Wolfsburger Autokonzern keinesfalls ein Umdenken stattgefunden hat. Die Verantwortlichen des Abgasskandals werden weiterhin geschützt.

Am 26. März wurde bekannt, dass der VW-Konzern von seinem früheren Chef Martin Winterkorn und von dem ehemaligen Audi-Chef Rupert Stadler im Zusammenhang mit dem Dieselskandal Schadensersatz verlangt hat. Das gab VW nach einer Sitzung des Aufsichtsrats bekannt. Volkswagen erklärte dazu, man werde die beiden früheren Top-Manager „wegen aktienrechtlicher Sorgfaltspflichtverletzungen auf Schadenersatz in Anspruch nehmen“. Bei anderen VW-Vorstandsmitglieder seien keine Verstöße festgestellt worden.

Schuldhafte Pflichtverletzung: Muss jetzt die Versicherung zahlen?

Doch VW lässt Martin Winterkorn mit diesem Schritt nicht fallen, sondern baut ihm eine goldene Brücke, schreibt ein Kommentator auf welt.de dazu: Aus dem millionenfachen Abgasbetrug wird für VW eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung – obwohl unter anderem die Staatsanwaltschaft Braunschweig Winterkorn für den Dieselskandal mitverantwortlich macht. Den Beteiligten dürfte das mehr nutzen als schaden, denn gegen Fahrlässigkeit war Winterkorn bestens versichert: Seine Versicherungspolice soll eine halbe Milliarde Euro abdecken. Damit kann der Gesamtschaden des Dieselskandals für VW in Höhe von über 30 Milliarden Euro zwar nicht kompensiert werden – es ist allerdings erheblich mehr Schadensersatz, als VW sich bei Winterkorn persönlich holen könnte.

Der VW-Aufsichtsrat kann mit dieser Entscheidung gleichzeitig den Vorwurf entkräften, die ehemaligen Manager nicht haftbar gemacht zu haben. Für Winterkorn ergibt sich die Möglichkeit, mit einer verkraftbaren finanziellen Selbstbeteiligung aus dem Skandal herauszukommen. Und für das anstehende Strafverfahren hat dieser Zug auch noch Vorteile: Winterkorns Anwälte können jetzt argumentieren, dass selbst der geschädigte ehemalige Arbeitgeber bei Winterkorn keinen Vorsatz, sondern nur Fahrlässigkeit sieht.

Zum Fall Stadler hatte der Konzern erklärt, er habe es ab Ende September 2016 unterlassen, dafür zu sorgen, dass die von Audi entwickelte größere Dieselmotoren „im Hinblick auf unzulässige Softwarefunktionen untersucht werden“. Die betreffenden Motoren waren auch in Fahrzeuge der Marken VW und Porsche verbaut worden. Bei Audi und Porsche sollen außerdem gegen die Ex-Manager Ulrich Hackenberg, Stefan Knirsch und Wolfgang Hatz Schadensersatzforderungen geltend gemacht werden. Beim ehemaligen VW-Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer sei das schon geschehen, hieß es von VW.

Das „System Volkswagen“ funktioniert noch

Das „System Volkswagen“ ist offenbar nach wie vor nicht bereit, mit den Verantwortlichen des Dieselskandals zu brechen – wie in den vergangenen Jahren immer wieder deutlich wurde. Der Konzern hatte auch lange am ehemaligen Audi-Chef Rupert Stadler festgehalten und ihn erst ausgewechselt, als er in Untersuchungshaft musste. Jetzt hat der Aufsichtsrat entschieden, nur Winterkorn und Stadler haftbar zu machen. Bezahlen sollen allerdings nicht sie selbst, sondern ihre Versicherungen.

Offensichtlich ist der VW-Konzern noch immer nicht bereit, den gigantischen Dieselbetrug aufzuarbeiten. Winterkorn war kurz nachdem der Abgasskandal von US-Behörden und Wissenschaftlern aufgedeckt worden war, von seinem Amt als VW-Chef zurückgetreten. Er hat immer betont, sich keines Fehlverhaltens bewusst zu sein und auch vom Konzern werden die früheren Chefs nach wie vor aus der Schusslinie genommen. VW hatte der Öffentlichkeit maximale Transparenz versprochen, doch vor den Gerichten hat der Konzern immer gemauert und nur das bereits Offensichtliche zugegeben.

Jetzt müssen die Gerichte die Verantwortlichen finden

Die Gerichte werden jetzt klären, wer die Verantwortlichen im Dieselskandal sind. Stadler muss sich wegen seiner möglichen Mitverantwortung für die manipulierten Abgaswerte bereits vor dem Münchner Landgericht verantworten und auch Winterkorn muss wegen mutmaßlichen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs vor Gericht, doch der Prozess wurde schon mehrfach verschoben.

Das Landgericht Braunschweig hatte im Februar ankündigt, dass die Hauptverhandlung im Dieselgate-Verfahren wegen der derzeitigen Corona-Lage erst am 20. April starten soll. Zuletzt war nicht klar, ob Winterkorn wegen gesundheitlicher Probleme überhaupt regelmäßig im Gerichtssaal erscheinen kann. Insgesamt sind bis Mitte April 2023 über 130 Verhandlungstermine geplant. Neben Winterkorn wurden noch vier weitere VW-Manager angeklagt.

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