Messergebnis: Volvo SUV XC 60 schaltet Abgasreinigung bei niedrigen Temperaturen ab

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Ein deutsches Testinstitut hat eine Abschalteinrichtung in einem Volvo SUV entdeckt, die bei niedrigen Temperaturen die Abgasreinigung herunterfährt. Das Emissions-Kontroll-Instituts (EKI), das zur Deutschen Umwelthilfe gehört, testete einen Volvo Diesel-SUV vom Typ XC60 mit einem 2.0 Liter Motor der Abgasnorm Euro 5. In elf sogenannten RDE-Tests (Real Driving Emissions) fuhr das Institut mit dem Fahrzeug auf einer 32 Kilometer langen Strecke rund um Berlin.

Mithilfe von Heizdecken und Eiswürfeln am Temperatursensor des Wagens simulierten die EKI-Prüfer unterschiedliche Außentemperaturen und maßen zeitgleich den Stickoxid-Ausstoß des SUV. Dabei stellten die Tester fest, dass die Reinigung der Emissionen bei sinkenden Temperaturen abnimmt und irgendwann ganz aussetzt. Dadurch stieg der Ausstoß an Stickoxiden (NOx) deutlich an. Unter Experten ist umstritten, ob eine temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung illegal ist.

Niedrige Außentemperatur, hohe Stickstoffwerte beim Volvo SUV

Die elf Testfahrten mit einer mobilen Messvorrichtung (PEMS) ergaben: je niedriger die Außentemperaturen, desto nachlässiger die Abgasreinigung und desto höher die Schadstoffe, die der Volvo SUV ausstößt.  Bei Temperaturen zwischen 14 und 22 Grad Celsius konnten 660 mg/km Stickoxide gemessen werden – dabei liegt der gesetzliche Grenzwert für einen Wagen der Abgasnorm Euro 5 bei gerade mal 180 mg/km. Sank die Außentemperatur auf neun bis elf Grad ab, stieg der Essmissionswert des Testfahrzeuges auf 811 mg/km. Der gemessene Spitzenwert lag bei 2.148 mg/km, der bei null bis minus vier Grad erreicht wurde. Die Steuerung der Abgasreinigung hängt damit eindeutig mit der Außentemperatur zusammen. Laut der Deutschen Umwelthilfe sei eine temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung, wie sie im getesteten Volvo SUV vorzukommen scheint, illegal.

Volvo hält Abschalteinrichtung für legal

Auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks und des Magazins Spiegel bestätigte ein Volvo-Sprecher, dass das Fahrzeug über den Außenspiegel die Temperatur misst. Dies sei nötig, um die Funktion des sogenannten Thermofensters zu ermöglichen. Die Autoindustrie versteht unter diesem Begriff die Temperaturspanne – das Fenster –, innerhalb derer die Abgasreinigung optimal funktioniert. Bei Temperaturen außerhalb dieses Bereichs wird die Abgasreinigung heruntergefahren oder ganz abgeschaltet.

Als Grund nennt die Automobilindustrie die Vermeidung von Schäden am Motor und an der Abgasreinigung. Auffällig ist jedoch, dass diese Thermofenster genau den Temperaturbereich umfassen, der in Testlaboren üblich ist: 20 bis 30 Grad. Liegt die Außentemperatur darüber oder darunter, funktioniert die Abgasreinigung nicht umfassend. Die Durchschnittstemperatur in Deutschland liegt im Übrigen bei zehn Grad. Volvo hält die temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung nicht für illegal und betont: „Alle Systeme, Kontrollfunktionen und notwendigen Schutzmechanismen entsprechen den gesetzlichen Vorgaben.“

Weiterer Test: stark erhöhte Stickoxidwerte bei Volvo XC60 und XC90

In einem Test des unabhängigen britischen Prüfinstituts Emissions Analytics schnitt der Volvo XC60 ebenfalls schlecht ab. Dieses Modell und der Volvo XC90 wiesen bei der Testfahrt zu hohe Stickoxidwerte auf. Statt der für die Abgasnorm 6 gesetzlich erlaubten 80 mg/km NOx setzte der Volvo XC60 2.0D im Test 414 mg/km frei – gut fünf Mal mehr Schadstoffe als zulässig. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam das britische Prüfinstitut bereits bei einem getesteten Mercedes C220 CDI, der nach einem Softwareupdate sogar noch schlechtere Emissionswerte aufwies als vorher.

Abschalteinrichtung eigentlich nicht notwendig

Im Zuge des Abgasskandals riefen deutsche Autohersteller millionenfach Autos zurück, um Softwareupdates vorzunehmen. Mithilfe dieser Updates wird das Thermofenster ausgeweitet und die Abgasreinigung bleibt länger aktiv. Damit könne laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), das die Rückrufaktionen überwacht, eine Senkung der Schadstoffe um bis zu 80 Prozent erzielt werden. Rückrufe von Volvo-Fahrzeugen sind zukünftig jedoch eher unwahrscheinlich. Auch für Fahrzeuge ausländischer Autohersteller wie Fiat oder Renault hat das KBA bisher keine Rückrufe angeordnet. Die anderen Länder sollen nicht verärgert werden – und selbst bei deutschen Autobauern nicht so genau hinsehen.

EuGH entscheidet über Abschalteinrichtung

Demnächst will Eleanor Sharpston, Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH), ein Gutachten vorlegen, das klären soll, ob diese temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung legal ist und wie der Begriff Abschalteinrichtung genau zu verstehen ist. Je nach Entscheidung des EuGH könnte es sein, dass die Fahrzeughersteller ihre Softwareupdates im Rahmen des Abgasskandals anpassen müssen, da das Thermofenster noch weiter geöffnet werden muss.

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