Das von Andreas Scheuer geführte Bundesverkehrsministerium (BMVI) muss der Deutschen Umwelthilfe (DUH) Einsicht in Dokumente gewähren, die möglicherweise zu niedrig angegebene CO2-Angaben für Fahrzeuge der Marken Volkswagen, Audi, Skoda und Seat betreffen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Revision des Wolfsburger Autokonzerns am 26. April 2021 letztinstanzlich zurückgewiesen. Im April 2016 hatte die DUH gegen das Bundesverkehrsministerium geklagt, um auf Grundlage des Umweltinformationsrecht Einsicht in die Unterlagen zu erhalten. Es soll um 800.000 Autos gehen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat gestern in einer rechtskräftigen Entscheidung den Anspruch der Deutschen Umwelthilfe auf Einsicht in Unterlagen zu den CO2-Angaben von VW-Modellen bestätigt, die Volkswagen dem Bundesverkehrsministerium im Herbst 2015 ausgehändigt hat (Az. BVerwG 10 C 2.20). Das Ministerium hatte die Offenlegung der Dokumente mit dem Hinweis verweigert, dass noch Ermittlungsverfahren liefen. Die Unterlagen, die der DUH bislang zur Verfügung gestellt worden waren, sind weitgehend geschwärzt.
Verkehrsministerium ist eine informationspflichtige Stelle
Der Vorsitzende des 10. Senats, Klaus Rennert, begründete die Entscheidung damit, dass das Bundesverkehrsministerium eine informationspflichtige Stelle ist. Das öffentliche Interesse überwiege gegenüber dem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Mit dieser Entscheidung beendet das höchste deutsche Verwaltungsgericht eine fünf Jahre andauernde Blockade durch das Bundesverkehrsministerium mit einem Grundsatzurteil zur Informationsfreiheit bei Umweltinformationen.
Die möglicherweise falschen CO2-Angaben betreffen rund 800.000 Fahrzeuge der Marken Volkswagen, Audi, Skoda und SEAT, davon 98.000 Fahrzeuge mit Benzin-Motor. Der frühere Bundesverkehrsminister Dobrindt hatte am 4. November 2015 in einer Aktuellen Stunde des Bundestags mitgeteilt, Volkswagen habe gegenüber dem Ministerium eingeräumt, dass die CO2-Werte dieser Fahrzeuge sehr wahrscheinlich zu niedrig angegeben worden sind. Kurz darauf ruderte man zurück und teilte der Öffentlichkeit mit, die CO2-Angaben seien doch richtig gewesen. Einem VW-Sprecher zufolge wurden die Typengenehmigungswerte bei 36.000 Fahrzeugen freiwillig korrigiert.
Die DUH hatte Zweifel an den Ausführungen des VW-Konzerns und wollte den Wahrheitsgehalt der Äußerungen mit einem Informationsfreiheitsverfahren überprüfen. Die Umweltorganisation verlangte Einsicht in die Power-Point-Präsentation und einen Vermerk, die VW dem BMVI überreicht hatte. Es geht in erster Linie um elf Seiten aus dem Jahr 2015, die beweisen sollen, dass Volkswagen gegenüber dem Ministerium gefälschte CO2-Werte angegeben hatte.
Transparente Aufklärung der Vorgänge gefordert
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch kritisiert das Vorgehen des Verkehrsministeriums scharf: „Wie kann es sein, dass ein dem Volk verpflichteter Bundesverkehrsminister über fünf Jahre hinweg mehrere Gerichtsentscheidungen ignoriert und wichtige Unterlagen unter Verschluss hält? Die Deutsche Umwelthilfe dokumentiert den zunehmenden CO2-Betrug gerade auch bei VW seit Jahren und hat bereits mehrere illegale Manipulationen gerade auch bei Spritverbrauchs- und damit CO2-Werten aufgedeckt und veröffentlicht. Wir sind gespannt, welche möglicherweise weiteren rechtswidrigen Tricks und Praktiken VW den Behörden in seiner ursprünglichen Selbstanzeige gemeldet hat, für deren Geheimhaltung heute vor Gericht insgesamt sechs VW-Vertreter mit tatkräftiger Unterstützung des BMVI aber schlussendlich erfolglos gekämpft haben.”
Die Entscheidung des Gerichts ist für Resch schon lange überfällig. „Diesen Rechtsanspruch haben wir seit fünfeinhalb Jahren und hätten viele Autobesitzer frühzeitig unterstützen können.“ Verkehrsminister Andreas Scheuer solle endlich seinen Job als Vertreter der Menschen in Deutschland wahrnehmen und nicht als Vertreter der Automobilbranche im Bundeskabinett, so Resch weiter.
Auch Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertreten hat, fordert eine umfassende Aufklärung und hofft auf künftig schnellere Verfahren: „Das Interesse der Öffentlichkeit an einer transparenten Aufklärung solcher Vorgänge ist von hohem Gewicht. Das hat das Gericht klargestellt.“ Die Entscheidung habe daher grundsätzliche Bedeutung für das Informationsfreiheitsrecht. Es werde Behörden, die bei der Akteneinsicht auf Zeit spielen wollen, zukünftig schwerer fallen, den gerichtlichen Instanzenzug auszureizen und Rechtsmittel gegen stattgebende Urteile einzulegen. „Die Verfahren verkürzen sich. Das ist zu begrüßen”, so Klinger.
DUH: Klimagas-Akten müssen sofort veröffentlicht werden
Das Verfahren um manipulierte CO2-Werte steht im Zusammenhang mit einem weiteren DUH-Verfahren zur Akteneinsicht, der vom Bundesverkehrsministerium eingesetzten „Untersuchungskommission Volkswagen“. Die nach jahrelangem Rechtsstreit endlich zugänglich gemachten Unterlagen hat die DUH der Öffentlichkeit am 23. April 2021 vorgestellt. DUH-Bundesgeschäftsführer Resch fordert Bundesverkehrsminister Scheuer jetzt auf, die VW-Klimagas-Akte umgehend zu veröffentlichen. Er erwartet wichtige Hinweise darauf, wie der Volkswagen-Konzern den Behörden im Zulassungsverfahren von 800.000 Benzin- und Diesel-Fahrzeugen geschönte CO2-Werte gemeldet hat