Im Daimler-Dieselskandal können sich immer mehr geschädigte Mercedes-Kunden vor Gericht durchsetzen und bekommen wegen illegaler Abgas-Manipulationen Schadensersatz zugesprochen. Jetzt wächst der Druck auf Daimler erneut: Ein verbraucherfreundliches Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt bringt den Dieselklägern noch mehr Rückenwind. Die Richter haben ein Urteil des Landgerichts Frankfurt mit der Begründung aufgehoben, dass im Daimler-Dieselskandal durchaus eine Haftung aufgrund vorsätzlicher und sittenwidriger Täuschung nach §826 BGB bestehen könnte.
Mit dem Urteil vom 20. Mai 2021 hat das OLG Frankfurt seine Rechtsauffassung geändert und den Fall zurück an das Landgericht Frankfurt verwiesen (Az. 3 U 7/20). Die Chancen betrogener Mercedes-Kunden, ihre Ansprüche im Abgasskandal gerichtlich durchzusetzen, stehen damit so gut wie nie.
OLG-Richter sehen arglistig verschwiegenen Sachmangel
Der Kläger hatte 2013 einen gebrauchten Mercedes-Benz E 350 CDI mit einem Dieselmotor des Typs OM 642 gekauft. In dem Auto sollen mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen zum Einsatz gekommen sein, darunter eine temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung und eine sogenannten Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung. Der Käufer reichte deshalb 2019 eine Schadensersatzklage ein – nachdem bei einer freiwilligen Kundenaktion von Daimler bereits ein Softwareupdate installiert wurde.
Das Landgericht Frankfurt hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Vorwürfe seien „Behauptungen ins Blaue hinein“. Außerdem liege kein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) vor. Doch das OLG Frankfurt ließ diese Argumentation nicht gelten. Der Kläger habe schlüssig einen arglistig verschwiegenen Sachmangel vorgetragen. Durch Einsatz der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung könne die Motorsteuerung erkennen, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befinde, sodass die zulässigen Grenzwerte für Stickoxide in der Prüfsituation eingehalten würden, auf der Straße jedoch nicht. Diese Funktionsweise sei sittenwidrig.
Aus Sicht der Richter des OLG Frankfurt hat der Kläger das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen so fundiert und konkret belegt, dass er Gehör finden müsse. Das habe das Landgericht Frankfurt versäumt und muss jetzt neu verhandeln.
Verbraucherfreundliche Trendwende im Daimler-Dieselskandal
Die Wende im Dieselskandal zugunsten der klagenden Verbraucher begann 2020 mit einem BGH-Beschluss vom 28. Januar 2020 (Az. VIII ZR 57/19). Für die Richter war klar, dass die Daimler AG in den Abgasverfahren ihrer sekundären Darlegungslast nachkommen muss. Daimler leugnet bislang die Nutzung von unzulässigen Abschalteinrichtungen pauschal – ohne die Vorträge der Kläger zu widerlegen.
Am 19. September 2020 konnte die Verbraucherschutzkanzlei VON RUEDEN vor dem Oberlandesgericht Naumburg von der Daimler AG die Zahlung von Schadensersatz erstreiten. Daimler wurde erstmals von einem Gericht der zweiten Instanz wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung nach §826 BGB verurteilt. Das OLG Köln folgte diesem Urteil am 5. November 2020 und verurteilte Daimler ebenfalls zu Schadensersatz.
Auch ein Gutachten am Landgericht Stuttgart vom November 2020 belastet die Daimler AG schwer. Die Motorsteuersoftware enthalte eine Abschaltvorrichtung und das Fahrzeug erkenne die niedrige benötigte Motorleistung auf dem Teststand, wenn der Prüfzyklus durchfahren werde. Die Motorsteuerung regele die Kühlmittelsolltemperatur dann auf 70 Grad Celsius herunter – statt der üblichen 100 Grad. Das führe laut Gutachten zu besseren NOx-Werten auf dem Prüfstand.
Weitere Abschalteinrichtungen in Daimler-Fahrzeugen entdeckt
Am 26. Januar 2021 hat der BGH erstmals zum sogenannten Thermofenster Stellung bezogen: Der bloße Einsatz des Thermofensters sei noch nicht sittenwidrig. Beim Thermofenster wird die Abgasreinigung aufgrund der Außentemperatur geregelt und im Straßenverkehr oft abgeschaltet. Wegen Verletzung rechtlichen Gehörs wurde der Fall an das OLG Köln zurückverwiesen, das jetzt klären muss, ob Daimler im Zulassungsverfahren unrichtige Angaben über die Arbeitsweise der Software gemacht hat.
Die Richter des BGH bestätigten am 29. Juni 2021 in einer mündlichen Verhandlung, dass sich aus dem Thermofenster allein noch kein Schadensersatzanspruch ergebe. Anderen Manipulationsvorwürfen gegen Daimler wurde aber nicht nachgegangen. Daimler nutzt neben dem Thermofenster beim Motor OM 651 mit den Euronormen 5 und 6 eine Kühlmittel-Sollwert-Temperatur und in Euro 6-Fahrzeugen Strategien zur AdBlue-Dosierung.
Schadensersatzklagen im Mercedes-Dieselskandal lohnen sich
Immer mehr Gerichte schließen sich der Auffassung an, dass in Daimler-Dieselfahrzeugen illegale Abschalteinrichtungen verbaut wurden, und urteilen im Sinne der Kläger. Mit dem Urteil des OLG Frankfurt setzt sich die verbraucherfreundliche Trendwende im Dieselskandal fort. Der Einsatz einer Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung wurde erneut als sittenwidrig bewertet und der Vortrag des Klägers als so schlüssig und fundiert, dass sich das Landgericht Frankfurt jetzt erneut mit dem Fall befassen muss.
Sind Sie Besitzer eines manipulierten Daimler-Diesels? Die Verbraucherrechtskanzlei VON RUEDEN hat sich auf Fälle im Abgasskandal spezialisiert und bietet betroffenen Dieselfahrern unverbindlich eine kostenlose Erstberatung über ihre Rechte an. Kontaktieren Sie uns! Wir sind für Sie da.