Hauptverhandlung im VW-Abgasskandal startet – ohne Martin Winterkorn

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Am 16. September beginnt die erste Hauptverhandlung im VW-Dieselskandal. Doch der Angeklagte Martin Winterkorn ist zurzeit verhandlungsunfähig und wird beim Strafprozess fehlen. Aus gesundheitlichen Gründen hat das Gericht das Verfahren gegen den langjährigen Vorstandsvorsitzenden des VW-Konzerns abgetrennt. Der Betrugsprozess gegen Winterkorn könnte demnach deutlich später beginnen. Der Ex-VW-Chef will sich kurz vor Start der Gerichtsverhandlung an der Hüfte operieren lassen. Eine Hüfte wurde schon operiert und die Operation der zweiten Hüfte soll unaufschiebbar sein.

Der Prozess gegen Winterkorn wird erneut verschoben. Das Landgericht hat entschieden, die Verhandlung ohne den Ex-VW-Chef stattfinden zu lassen. „Aufgrund der gesundheitlichen Situation des Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn und der bei ihm jüngst durchgeführten Operation hatte die Kammer über Konsequenzen hieraus für das Strafverfahren zu entscheiden“, so ein Gerichtssprecher. Die zuständige Wirtschaftsstrafkammer hatte den Prozessbeteiligten ein Gutachten über Winterkorns Gesundheitszustand zur Verfügung gestellt und eine eigene Einschätzung hinzugefügt. „Die bei dem Angeklagten Prof. Dr. Winterkorn jüngst durchgeführte Operation hat danach aktuell dessen Verhandlungsunfähigkeit zur Folge“, teilte der Sprecher mit.

Verfahren gegen Winterkorn voraussichtlich auf 2023 verschoben

Für das Verfahren sind 133 Verhandlungstage angesetzt, daher dürfte sich Winterkorn frühestens ab Ende 2023 vor Gericht verantworten müssen. Laut Business Insider wäre Winterkorn erst Mitte 2022 wieder verhandlungsfähig. Wenn das Prozessende gegen die vier Mitangeklagten abgewartet wird, würde das Hauptverfahren gegen Winterkorn erst in der zweiten Jahreshälfte 2023 beginnen.

Der ehemalige VW-Vorstandsvorsitzende ist einer der ersten fünf Angeklagten im größten Fall von Wirtschaftskriminalität in Deutschland. Durch eine Mitteilung der amerikanischen Umweltbehörde EPA wurde im Herbst 2015 bekannt, dass der VW-Konzern jahrelang Autos als umweltfreundlich verkauft hat, die viel mehr Schadstoffe emittieren als gesetzlich zulässig. Die Motoren wurden mit einer Software so manipuliert, dass sie die Stickoxid-Grenzwerte nur auf dem Prüfstand einhielten, nicht aber auf der Straße. Vom VW-Abgasskandal sind elf Millionen Autos betroffen, was den Konzern bislang bereits über als 32 Milliarden Euro gekostet hat – vor allem Strafen und Schadenersatzzahlungen in den USA. Mit VW hatte Winterkorn sich auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund elf Millionen Euro geeinigt.

Vorwurf des bandenmäßigen Betrugs und der Falschaussage

Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagten durch die Vertuschung der realen Abgaswerte den Einbau teurerer Reinigungstechnik umgehen wollten, daher die Anklage wegen mutmaßlichen Betrugs. Winterkorn und vier weiteren VW-Managern wird vorgeworfen, von den Abgasmanipulationen gewusst zu haben – und nicht nur das: Die Staatsanwaltschaft hat die Vorwürfe der Ankläger sogar verschärft. Statt des erhobenen Vorwurfs des schweren Betrugs sehen die Richter sogar einen hinreichenden Tatverdacht dafür, dass sich Winterkorn und die vier Mitangeklagten gewerbsmäßig zu einer Bande zusammengeschlossen haben.

Im Fall einer Verurteilung hätte dieser zusätzliche Vorwurf Auswirkungen auf das Strafmaß. Den Angeklagten könnten dadurch Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren drohen. Im ersten Verfahren wurden neben Winterkorn vier weitere Volkswagen-Manager angeklagt. Bei den vier weiteren Angeklagten geht es zusätzlich um Steuerhinterziehung und strafbare, wettbewerbsverzerrende Werbung. Winterkorn wird außerdem der uneidlichen Falschaussage verdächtigt, weil er vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags möglicherweise nicht die Wahrheit gesagt hat. Er will erst im September 2015 von möglichen Abgasmanipulationen gehört haben, doch die Ermittler zweifeln diese Aussage an.

Die Mitangeklagten im VW-Dieselskandal

Ursprünglich sollte das Verfahren gegen die VW-Manager bereits im Februar 2021 starten, wurde aber wegen der Corona-Pandemie bereits mehrmals verschoben. Die lange Wartezeit für die vier anderen Angeklagten ist jetzt zu Ende. Ab dem 16. September wird die Strafkammer die Vorwürfe gegen sie untersuchen. Der ehemalige Vorstand Heinz-Jakob Neußer soll früh in die Manipulationen der Dieselmotoren eingeweiht gewesen sein und sein Einverständnis gegeben haben.

Auch dem früheren Leiter der Antriebselektronik, Hanno Jelden, wird Betrug vorgeworfen. Er soll für die Software zuständig gewesen sein, mit der die Dieselmotoren gesteuert werden. Das Gericht muss jetzt klären, was er von den illegalen Abschalteinrichtungen wusste. Weil Jelden sich früh bereit erklärt hatte, mit seinem Know-how bei der Aufklärung des Skandals mitzuwirken, wurde er vom VW-Konzern bislang geschont. Das Unternehmen hat auf arbeitsrechtliche Maßnahmen verzichtet und Jelden zugesichert, keine finanziellen Ansprüche zu stellen.

Die anderen beiden Angeklagten sind eine ehemalige Führungskraft, die von 2007 bis 2011 für die Aggregate-Entwicklung bei VW verantwortlich war, und ein Abteilungsleiter, der frühzeitig ausgesagt und einen Beitrag zur Aufklärung des Skandals geleistet hat. Gegen den ehemaligen Audi-Chef und VW-Vorstand Rupert Stadler läuft seit knapp einem Jahr ein Betrugsprozess am Landgericht München II. Die VW-Tochter Audi gilt als Keimzelle des Abgasbetrugs. Doch Stadler weist wie Winterkorn alle Vorwürfe zurück.

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