Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Athanasios Rantos, beschäftigt sich mit dem sogenannten „Thermofenster“. Er kam zu dem Schluss, dass diese temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle und damit gegen Unionsrecht verstoße.
Auf Nachfrage dreier österreichischer Gerichte befasst sich der EuGH mit Motorsoftware, die die Abgasreinigung eines Dieselfahrzeugs anhand der Außentemperatur und der Höhenlage beeinflusst. Die VW-Fahrzeuge der österreichischen Kläger drosseln die Abgasrückführung bei Außentemperaturen von unter 15 und über 33 Grad Celsius sowie bei einer Höhe von mehr als 1.000 Metern. Das führt zu einer Erhöhung des Stickoxidausstoßes, sodass die Grenzwerte aus der EU-Verordnung Nr. 715/2007 überschritten werden.
In seinen Schlussanträgen erklärt Generalanwalt Rantos, dass die Bedingungen, in denen die Abgasreinigung ohne Reduzierung funktioniert, nicht repräsentativ für den Normalbetrieb der Fahrzeuge sei. Denn: Die Durchschnittstemperatur in vielen EU-Mitgliedsstaaten liegt laut statistischen Auswertungen unter 15 Grad – so auch in Deutschland. Zudem fahren Dieselautos in Deutschland und Österreich oftmals auf einer Höhe von über 1.000 Metern, sodass das Thermofenster auch hier in vielen Fällen eine ausreichende Abgasreinigung verhindert. Daraus schließt Generalanwalt Rantos, dass es sich beim Thermofenster nach EU-Recht um eine illegale Abschalteinrichtung handelt.
Generalanwalt: Thermofenster dient nicht dem Motorschutz
Die Autohersteller argumentieren einstimmig, dass das Thermofenster nur zum Schutz des Motors eingesetzt werde und daher legal sei. Der Generalanwalt stellt hingegen klar, dass die von den Herstellern angeführten Versottungsrisiken nicht dem Motorschutz dienen und deshalb nicht zu einer Zulässigkeit des Thermofensters führen. Damit bleibe das Thermofenster illegal.
Für Generalanwalt Rantos ist es im Übrigen unerheblich, ob sich das Thermofenster bereits seit Fahrzeugherstellung als Software in der Motorsteuerung befindet oder nachträglich mit einem Softwareupdate aufgespielt wurde. In diversen VW-Fahrzeugen wurde festgestellt, dass nach einem Update im Abgasskandal ein Thermofenster aktiv ist und die Abgasreinigung hemmt. Nach Ansicht des EuGH-Generalanwalts ist auch dieses Vorgehen unzulässig.
VW-Fahrer sollen Kaufvertrag rückgängig machen können
Im Dezember 2020 entschieden die Richter des EuGH bereits, dass Abschalteinrichtungen grundsätzlich unzulässig sind. Fahrzeuge müssen auch unter normalen Betriebsbedingungen auf der Straße die gesetzlichen Abgasgrenzwerte einhalten. Dies bestätigt Generalanwalt Rantos nun in seinen Schlussanträgen für das Thermofenster. Zudem spricht er sich dafür aus, dass die Verwendung des Thermofensters vertragswidrig ist und gegen die Bestimmungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie verstößt – selbst, wenn Verbraucher bei Kauf des Fahrzeugs bereits vom Thermofenster wussten. Das führt grundsätzlich zu einem Recht auf Rückabwicklung des Vertrags.
Die Schlussanträge der Generalanwälte des EuGH sind für die Richter nicht bindend, sondern lediglich ein Entscheidungsvorschlag. Oft übernehmen die EuGH-Richter aber die Position ihrer Generalanwälte – so auch im Dezember 2020 bei der grundsätzlichen Klärung der Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen. Die EuGH-Richter beraten nun zu Rantos Schlussanträgen und verkünden ihr Urteil zum Thermofenster zu einem späteren Zeitpunkt.