Dieselkunden müssen VW-Vergleichszahlungen einklagen

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Der VW-Konzern muss in tausenden Fällen Vergleichszahlungen an Diesel-Besitzer leisten. Doch bei der Abwicklung gibt es offenbar Probleme: Viele Kunden berichten von wochenlangen Zahlungsverzögerungen – und müssen zum Teil jetzt erneut klagen, um an ihr Geld zu kommen. Volkswagen räumt ein, dass es Probleme bei den Zahlungen gibt, bestreitet jedoch, zahlungsunwillig zu sein. Warum dauert es dann so lange, bis das Geld überwiesen wird?

Zehntausende außergerichtliche Vergleiche

Der Skandal um manipulierte Diesel-Abgaswerte hat allein in Deutschland eine sechsstellige Zahl von Klagen nach sich gezogen: VW zufolge gab es bis Mitte Februar 2020 etwa 55.000 Urteile und Beschlüsse, rund 70.000 Klagen sind noch anhängig. Die zahlreichen außergerichtlichen Vergleiche sind in dieser Statistik aber gar nicht berücksichtigt. Es geht bei der Bewältigung des Abgasskandals also nicht nur um die über 100.000 gerichtlichen Klagen von Kunden, sondern laut VW auch um „zehntausende“ außergerichtliche Vergleiche, bei denen der Konzern sich zu Zahlungen verpflichtet hat. Genaue Zahlen will VW nicht nennen.

Die betroffenen Kunden bemängeln, dass sie das Fahrzeug unter falschen Voraussetzungen gekauft haben: Der angeblich saubere Dieselmotor hat im Straßenbetrieb die zulässigen Stickoxid-Grenzwerte deutlich überschritten, was zu Fahrverboten in einigen deutschen Innenstädten führte. Volkswagen ist der Ansicht, es gebe keinen Schaden, die Dieselbesitzer könnten ihre Autos schließlich nutzen und nachrüsten. Bei Vergleichen hat sich der Konzern dann aber in der Regel doch zu Zahlungen verpflichtet.

VW zahlt nicht – zumindest nicht fristgerecht

Das Handelsblatt berichtet jetzt, dass der VW-Konzern trotz zugesagter Vergleiche oft nicht zahlt. Bei der Abwicklung der Vergleiche gibt es offenbar größere Schwierigkeiten: Hunderte Kunden warten wochenlang vergeblich auf den Zahlungseingang. Deshalb klagen viele erneut, um die Zahlung zu erzwingen. So sinkt das Vertrauen in die Verlässlichkeit von Volkswagen immer weiter.

Vor dem Landgericht Braunschweig klagen besonders viele VW-Kunden – nachdem sie eigentlich schon davon ausgegangen waren, das leidige Thema abgehakt zu haben. Das LG Braunschweig ist in diesen Fällen zuständig, weil sich die VW-Zentrale im benachbarten Wolfsburg befindet. Ab einem Streitwert in Höhe von 5000 Euro gehen solche Fälle an ein Landgericht.

Aber auch Amtsgerichte beschäftigen sich mit Klagen, bei denen Volkswagen nach vereinbarten Vergleichen nicht zahlt. Beim Amtsgericht Wolfsburg klagt eine zweistellige Zahl von VW-Kunden und das Amtsgericht Braunschweig führt sechs entsprechende Verfahren durch. Es dürfte aber noch in vielen anderen Städten solche Auseinandersetzungen geben. Schließlich gehen VW-Kunden bundesweit gegen den Konzern vor.

Die genauen Zahlen haben die Klägeranwälte. Einige von ihnen berichten, dass der Konzern erst auf Mahnbescheide reagiert habe. Der Grund für das säumige Zahlverhalten dürfte eine Überforderung wegen der Vielzahl der Fälle sein. Anscheinend werden erstmal nur diejenigen Kunden ausgezahlt, die ein gerichtliches Mahnverfahren gegen VW eingeleitet haben.  

VW bestreitet Zahlungsunwilligkeit

Auf Nachfrage des Handelsblatts räumte Volkswagen ein, Probleme bei den Zahlungen zu haben. Aber das liege nicht daran, dass der Konzern zahlungsunwillig sei. In den allermeisten Fällen würden geschlossene Vergleiche zügig und unbürokratisch abgewickelt. Unstimmigkeiten gebe es nur in Einzelfällen. „Diese lassen sich in der Regel im direkten Kontakt mit dem Kunden oder dessen Anwalt klären und sehr schnell ausräumen“, so ein VW-Sprecher. Die Zahl der gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Auszahlung der Vergleichssumme liege bei nur rund einem Prozent. Zum Teil seien die Kunden selbst für Probleme bei der Vergleichsabwicklung verantwortlich. Zu Verzögerungen komme es zum Beispiel auch dann, wenn Kunden ihr Fahrzeug zu einem anderen Autohaus bringen als vereinbart, falsche Kontonummern angeben oder weil Fahrzeuge zu spät abgemeldet würden.

Manchmal tragen auch die Anwälte zu Verzögerungen bei, so der Sprecher: Selbst bei minimalen Verzögerungen komme es zu sofortiger Klageeinreichung. Für Klägeranwälte bedeute das einen weiteren Zusatzverdienst pro Fall. Durch das automatisierte Klagen entstehe eine unnötige Belastung der Gerichte, die durch eine direkte unbürokratische Kontaktaufnahme hätte vermieden werden können. Klägeranwälte weisen die Anschuldigung zurück. Wer elf Millionen Fahrzeuge verkaufe, die nicht halten, was der Verkäufer verspricht, dürfe sich über das Misstrauen geschädigter Kunden nicht beschweren.

Die nächste Herausforderung naht

Im Dieselskandal ist die nächste Herausforderung schon in Sicht: Auch die Kläger der Musterfeststellungsklage erwarten demnächst ihre Entschädigungen. 400.000 Kunden hatten sich der Klage des Verbraucherverbands vzbv angeschlossen, davon haben etwa 260.000 Kläger Anspruch auf eine Entschädigung im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs. Volkswagen will die Kunden mit 830 Millionen Euro entschädigen.

Jeder einzelne Kunde soll sich sein Geld auch außerhalb der Klage abholen können – ohne Unterstützung durch Dritte. „Wir bieten Ihnen den bereits ausgehandelten Vergleich jetzt auch ohne die Unterstützung des VZBV an“, wirbt VW bereits auf einer Website. „Der Weg bis zur Einmalzahlung soll so einfach und schnell wie möglich für Sie sein.“

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