Der Abgasskandal geht vor den EuGH

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Berlin/Stuttgart – Der Abgasskandal erreicht bald das höchste europäische Gericht, den Europäischen Gerichtshof (EuGH). In mehreren anhängigen Verfahren beabsichtigt das Landgericht Stuttgart dem EuGH rechtliche Fragen zur Auslegung vorzulegen und verbindliche Antworten zu erhalten.

Welche rechtlichen Fragen möchte das LG Stuttgart geklärt haben?

Im Vorlageverfahren soll die Zulässigkeit des sog. „Thermofensters“, das in Fahrzeugen der Daimler AG verwendet wird, rechtliche beurteilt werden. Durch ein Thermofenster funktioniert die Abgasreinigung nur in einem Temperaturfenster zwischen 20°C und 30°C. Außerhalb dieses Bereichs wird die Abgasreinigung heruntergefahren. Dies ist der auf dem Prüfstand herrschende Temperaturbereich. Das Landgericht möchte vom EuGH geklärt haben, ob diese Funktionsweise eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Artikel 5 der Verordnung 715/2007/EG darstellt.

Zum anderen begehrt das Landgericht von den Richtern in Luxemburg eine Entscheidung darüber, ob den europäischen Zulassungsvorschriften „drittschützenden Charakter“ zukommt. Sollte der EuGH dies bejahen, müsste sich der Käufer im Falle eines Verstoßes gegen diese Vorschriften durch den Hersteller wohl keine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen. „Es spricht viel dafür, dass eine solche Anrechnung gegen Sinn und Zweck der EU-Richtlinie 2007/46/EG verstößt“, sagt Rechtsanwalt Johannes von Rüden von der Kanzlei VON RUEDEN, die das Verfahren für einen Verbraucher führt.

Welche Bedeutung hat die Entscheidung aus Luxemburg?

Die Entscheidung aus Luxemburg hätte wohl weitreichende Folgen für eine Vielzahl von Verfahren gegen die Daimler AG. Nachdem bereits die 23. Kammer des Landgerichts Stuttgart in mehreren Verfahren den Autohersteller ohne Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens wegen sittenwidriger Schädigung zur Rückzahlung des Kaufpreises verurteilt hat, geht nun auch die 22. Kammer von einer sekundären Darlegungslast des Mercedes-Herstellers aus. Bemerkenswert ist außerdem, dass es offenbar nicht darauf ankommt, ob das betroffene Fahrzeug Teil des verpflichtenden Rückrufs ist.

Johannes von Rüden sieht hierin neue Chancen für Verbraucher: „Das Landgericht Stuttgart zeigt mit seiner geplanten Vorlage einen Weg auf, wie Autokäufer nach europäischem Recht auch ohne teures Sachverständigengutachten und zähe Musterfeststellungsklage zu ihrem Recht kommen können. Es ist zu hoffen, dass die Richter in Luxemburg dem Treiben der Autohersteller endlich einen Riegel vorschieben, wenn die deutsche Politik dazu nicht in der Lage ist.“

Es steht also bald aller Voraussicht nach die gesamte Abgasstrategie der Daimler AG in Luxemburg auf dem Prüfstand.

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