In seiner Entscheidung vom 9. April 2021 verurteilt das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg die Volkswagen AG wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung zur Zahlung von Schadensersatz. Dabei handelt es sich um das erste OLG-Urteil gegen VW zu einem Fahrzeug, in dem ein EA288-Motor verbaut ist, und bei dem die Beklagte (VW) vor dem OLG auch mündlich verhandelt hat. Das OLG Naumburg schließt sich mit seiner Entscheidung den im Februar dieses Jahres verhängten Versäumnisurteilen des OLG Köln und Düsseldorf an, die ebenfalls von einer unzulässigen Abschalteinrichtung im VW-Motor EA288 ausgehen.
OLG sieht unzulässige Abschalteinrichtung im EA288 als erwiesen an
Streitgegenstand des Verfahrens war ein VW Golf VII 2.0 TDI, dessen EA288-Motor die Abgasnorm Euro 6 besitzt und mit einem NOx-Speicherkatalysator ausgestattet ist. Der Kläger erwarb das Fahrzeug im Oktober 2017 im gebrauchten Zustand, die Erstzulassung das Wagens erfolgte im September 2015. Trotzdem es für dieses Fahrzeug keinen amtlichen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) gab, schlussfolgerte der Kläger, dass wie auch beim Vorgängermotor EA189, der den Abgasskandal 2015 auslöste, eine unzulässige Abschalteinrichtung installiert ist.
Das OLG Naumburg bestätigt diese Ansicht und geht bei der im EA288-Motor genutzten Fahrkurvenerkennung von einer Zykluserkennung aus. Diese erkennt, ob sich ein Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im Straßenverkehr befindet.
Das Gericht verurteilte die Volkswagen AG zu einer Zahlung von 20.885,71 Euro. Im Gegenzug muss der Kläger das Fahrzeug an VW übergeben. Zudem musste der Kläger sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, bei der das Gericht die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs auf 250.000 Kilometer veranschlagte. Die Revision wurde nicht zugelassen.
OLG Naumburg begründet Entscheidung umfassend und bezieht Stellung
Das OLG Naumburg bezog im Rahmen der Entscheidungsbegründung Stellung zu Fragen, die in anderen Verfahren zum VW-Motor EA288 immer wieder streitgegenständlich waren.
So dementierte VW bislang stets das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Motoren des Typs EA288 und verteidigte sich regelmäßig damit, dass das KBA keine illegale Abschalteinrichtung gefunden hätte. Den fehlenden KBA-Rückruf des Fahrzeugmodells erklärt sich das Gericht aber so: VW sei mit eigenen entsprechenden Messergebnissen an das KBA herangetreten und habe diesem versichert, es liege infolge fehlender Grenzwertkausalität keine unzulässige Abschalteinrichtung vor. Das KBA habe diesen Standpunkt übernommen.
Um das sittenwidrige Verhalten der Beklagten zu begründen, brachte das Gericht hervor, dass Profitinteresse das Handeln der Beklagten bestimme. Durch Täuschung sei das Vertrauen von Käufern in eine öffentliche Institution, das KBA, ausgenutzt worden. VW habe zudem nicht nur die Schädigung der Käufer, sondern auch der Umwelt in Kauf genommen.
Nach EA288-Urteil: Steigende Erfolgsaussichten auf Schadensersatz für Verbraucher
Die Revision hat das Gericht ausdrücklich nicht zugelassen, da die Richter am OLG Naumburg die Angelegenheit für abschließend erklärt haben und die Vorlage beim Bundesgerichtshof für nicht nötig erachten.
Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, stärkt jedoch schon jetzt die Rechte geschädigter Autofahrer. Das OLG Naumburg hat umfassend, auch unter Aufarbeitung des Verhaltens seitens der Beklagten, argumentiert, warum die Ansprüche des Klägers zu bejahen sind. Ein positives Signal für sämtliche Besitzer von Fahrzeugmodellen, in denen Motoren des Typs EA288 Euro 6 verbaut sind.
Die Chancen für Verbraucher, ihr Recht auf Schadensersatz im Fall des Motortyps EA288 Euro 6 sind enorm gestiegen. Die Rechtsanwälte der Kanzlei VON RUEDEN empfehlen betroffenen Autobesitzern daher, sich anwaltlich beraten zu lassen. In einem kostenlosen Erstgespräch prüfen wir Ihre Ansprüche und zeigen Ihnen, wie wir Ihre Rechte im Abgasskandal durchsetzen können.