Angebot kostenloser Seminarteilnahme für Ärzte nicht wettbewerbswidrig

Veröffentlicht am in Wettbewerbsrecht

Mit Urteil vom 09.06.2011 (Az.: 29 U 2096/08) hat das OLG München entschieden, dass die Werbung eines Arzneimittelproduzenten für kostenlose Seminarteilnahme keinen Wettbewerbsverstoß begründet.

Sachverhalt

Der Kläger ist ein Verein, der von den Mitgliedern des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller gegründet wurde. Zu den Aufgaben des Vereins gehört insbesondere die Förderung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder sowie die Überwachung und Durchsetzung lauteren Geschäftsgebarens in Bezug auf die Kooperation der pharmazeutischen Industrie mit Angehörigen der Fachkreise. Die Beklagte produziert und vertreibt generische Arzneimittel. Sie ist nicht Mitglied beim Kläger und hatte im Jahr 2007 an Ärzte unter dem Titel „Arzt-Seminare 2007“ kostenlose Seminare angeboten. Der Kläger sah in diesem Verhalten einen Wettbewerbsverstoß begründet und begehrte Unterlassung.

Entscheidung

Angebot kostenloser Seminarteilnahme für Ärzte nicht wettbewerbswidrigDas Gericht entschied, dass die Berufung des Klägers unbegründet ist. Nach Auffassung des OLG kommt kein Unterlassungsanspruch aus § 4 Nr. 1 iVm. § 3 Absatz 1, § 8 UWG in Betracht. Im vorliegenden Fall ist das Angebot der Teilnahme als geschäftliche Handlung nicht geeignet, die Entscheidungsfreiheit der Ärzte, an die es gerichtet ist, im Sinne eines unangemessenen unsachlichen Einflusses (§ 4 Nr. 1 UWG) zu beeinträchtigen. Eine unangemessene Einflussnahme iSv. § 4 Nr. 1 UWG kommt dann in Betracht:

„[…] wenn der angesprochene Verkehr bei von ihm zu treffenden Entscheidungen auch die Interessen dritter Personen zu wahren hat und er durch die beanstandete Werbemaßnahme veranlasst werden kann, seine Entscheidung nicht allein an dem Interesse des Dritten auszurichten, sondern sich bei ihr auch davon leiten zu lassen, ob ihm ein versprochener Vorteil oder eine Vergünstigung zufließt. Zu diesen drittverantwortlichen Personen zählen grundsätzlich auch Ärzte, die berufsrechtlichen Restriktionen (vgl. §§ 30 ff. BOÄ Bayern) unterliegen.“

Vorliegend hatte die Beklagte die Unentgeltlichkeit der Seminarteilnahme nicht davon abhängig gemacht, dass die angesprochenen Ärzte Arzneimittel der Beklagten ihren Patienten verordnen oder empfehlen. Das Gericht stellte allerdings hierzu fest:

„Im Rahmen des § 4 Nr. 1 UWG kommt es auf eine rechtliche Koppelung nicht an. Ein unangemessener unsachlicher Einfluss kann schon dann zu bejahen sein, wenn die Ärzte, an die sich das Angebot richtet, sich auch ohne rechtliche Koppelung veranlasst sehen, Arzneimittel der Beklagten ihren Patienten zu verordnen oder zu empfehlen.“

Das OLG konnte im Streitfall keine solche Verbindung feststellten. Allerdings, so das Gericht, sei die Grenze zur Unlauterkeit nach § 4 Nr. 1 UWG dann überschritten, wenn eine geschäftliche Handlung geeignet ist, die Rationalität der Nachfrageentscheidung der angesprochenen Marktteilnehmer vollständig in den Hintergrund treten zu lassen. Vorliegend sah das Gericht jedoch hier aufgrund der geringen Anreizwirkung durch die kostenfreie Teilnahme diese als nicht geeignet an, die Rationalität der Nachfrageentscheidung der angesprochenen Ärzte vollständig in den Hintergrund treten zu lassen, zumal bei niedergelassenen Ärzten die Gefahr einer irrationalen, nicht von sachlichen Kriterien getragenen Nachfrageentscheidung noch weniger wahrscheinlich ist als bei einem durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher. Ferner würden kassenärztliche Vereinigungen auch ähnliche kostenfreie Seminare anbieten und die Seminarveranstaltungen würden für die angesprochenen Ärzte keinen besonderen Wert darstellen.

Des Weiteren stellte das Gericht fest, dass die Beklagte den Werbecharakter der von ihr kostenfrei angebotenen Seminare nicht verschleiert habe und eine Zuwiderhandlung gegen eine gesetzliche Vorschrift, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Markteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, nicht vorliegt.

Abschließend, so die Auffassung des Gerichts, folgt kein Unterlassungsanspruch unmittelbar aus der Generalklausel des § 3 Absatz 1 UWG, da Regeln, die sich ein Verband oder ein sonstiger Zusammenschluss von Verkehrsbeteiligten gegeben hat, nur eine begrenzte Bedeutung genießen:

„Regelwerken von (Wettbewerbs-)Verbänden kann daher allenfalls eine indizielle Bedeutung für die Frage der Unlauterkeit zukommen, die aber eine abschließende Beurteilung anhand der sich aus den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ergebenden Wertungen nicht ersetzen kann.“

 

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