Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 31. Januar 2012 (Az.: I-4 U 169/11) klargestellt, dass ein Abmahn-Disclaimer des Abmahners zur Folge haben kann, dass dieser keine Abmahnkosten erstattet verlangen kann.
Sachverhalt
Beide Parteien sind im Bereich der Pflegekräftevermittlung tätig. Die Klägerin hatte auf ihrer Internetseite unter der Rubrik „Haftungsausschluss“ folgendes mitgeteilt:
„Um die Kosten eines Rechtsstreites zu vermeiden, sollten Sie uns im Vorfeld bei unvollständigen Angaben, wettbewerbsrechtlichen Vorkommnissen oder ähnlichen Problemen auf dem Postwege kontaktieren. Eine kostenpflichtige anwaltliche Abmahnung ohne diesen Vorab-Kontakt wird aus Sicht der Schadenminderungspflicht als unzulässig angesehen.“
Ein Mitbewerber warb in einem Tageblatt wie folgt:
„Liebev. qualif. 24h Pflege/Betreuung Telefon … o. …“
Daraufhin hatte die Klägerin den Beklagten abgemahnt und die Erstattung der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 755,80 Euro verlangt. Die Klägerin hatte als Begründung angeführt, dass die Anzeige den unzutreffenden Eindruck eines privaten Stellengesuchs erwecken würde und folglich irreführend sei. Der Beklagte hatte dann mit Anwaltsschreiben vom 7. September 2011 ungeachtet seiner zum Ausdruck gebrachten Zweifel an der Berechtigung der Abmahnung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Eine Kostenerstattung lehnte er jedoch ab.
Ferner hatte die Klägerin geltend gemacht, dass in der Anzeige die gewerbliche Vermittlertätigkeit des Beklagten verschwiegen werde. Zudem, so ihre Auffassung, bestehe zwischen ihr und dem Beklagten ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, da sie im gleichen Gebiet vermitteln würden.
Der Beklagte erwiderte, es fehle an einem gemeinsamen Abnehmerkreis. Er biete seine Vermittlungsleistungen ausschließlich im Raum P an und werbe dort für sie nur durch Zeitungsanzeigen. Es könne deshalb zu keinen Überschneidungen bei den beiderseitigen Dienstleistungen kommen. Des Weiteren hatte er geltend gemacht, die Klägerin habe ihn rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG abgemahnt. Die Klägerin hätte ihn vorab auf die Missverständlichkeit der beanstandeten Werbung hinweisen müssen, weil dann, so die Ansicht des Beklagten, die Anwaltskosten hätten vermieden werden können. Der Beklagte führte ferner aus, eine Irreführung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil doch bereits aus dem Angebot der entsprechenden Dienstleistungen unter „Pflegedienste“ jedem erkennbar sei, dass es sich um ein gewerbliches Angebot handeln würde.
Entscheidung
Das LG hatte die Klage abgewiesen und das OLG Hamm ist dem gefolgt. Die Berufung der Klägerin ist somit unbegründet. Das OLG führt aus, die Klägerin könne aus § 12 Absatz 1 Satz 2 UWG nur dann einen Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 755,80 € geltend machen, wenn sie berechtigt war, das Verhalten des Beklagten zu beanstanden und es sich bei den Anwaltskosten auch um erforderliche Aufwendungen in Zusammenhang mit der berechtigten Abmahnung gehandelt hätte.
„Berechtigt im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG ist eine Abmahnung jedenfalls dann, wenn der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht und die Abmahnung entsprechend ihrer wettbewerbsrechtlichen Aufgabe auch erforderlich ist, um dem Schuldner einen Weg zu weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen.“
Im vorliegenden Fall, so das Gericht, hätte bereits ein Vorab-Kontakt durch die Klägerin völlig ausgereicht, um eine förmliche Abmahnung durch einen Anwalt sowie ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Diesbezüglich stellte das OLG jedoch fest:
„Ein kleines Unternehmen, das über keine eigene Rechtsabteilung verfügt, kann die Abmahnung auch grundsätzlich durch einen Rechtsanwalt aussprechen lassen.“
Aber das ändert nichts daran,
„[…] dass Mitbewerber im Einzelfall vereinbaren können, vor einer formellen Abmahnung durch einen Rechtsanwalt miteinander Kontakt aufzunehmen und auf ein aus Sicht eines Mitbewerbers als wettbewerbswidrig angesehenes und zu unterlassendes Verhalten hinzuweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, das Verhalten ohne den Anfall weiterer Folgekosten sofort einzustellen.“
Einem Erstattungsanspruch der Klägerin steht hier der Grundsatz von Treu und Glauben im Hinblick auf ein widersprüchliches Verhalten (§ 242 BGB) entgegen. Nach der Rechtsprechung gilt in diesem Bereich des Wettbewerbsrechts, dass sich aus diesem Grundsatz sogar Handlungspflichten ergeben können. Derjenige, der einen Vorabkontakt verlangt, muss sich dann auch selbst so verhalten, ansonsten handelt er widersprüchlich. Die Vorschrift des § 8 Absatz 4 UWG steht dem auch nicht als Sonderregelung entgegen.
Das Gericht fügt abschließend hinzu, das Begehren eines Vorab-Kontakts wird von der Klägerin ausdrücklich nicht nur auf einfache und unkomplizierte Wettbewerbsverstöße beschränkt, sondern soll uneingeschränkt gelten. Demnach könne der Beklagte denken, dass ein gleichartiges Verhalten auch von der Klägerin in jedem Fall erfolgen wird. Die Klägerin kann in so einem Fall auch die Berechtigung einer Abmahnung durch einen Anwalt prüfen lassen, dann jedoch auf ihre eigenen Kosten.