Schlimme Nachrichten erschüttern den deutschen Fußball: Vor dem Drittliga-Spiel zwischen Hansa Rostock und Rot-Weiss Essen kam es zu massiven Ausschreitungen. Etwa 150 mutmaßliche Hansa-Anhänger griffen einen Sonderzug mit rund 700 Essener Fans an. Der Vorfall ereignete sich am Samstagmorgen zwischen Löwenberg und Gransee in Brandenburg.
Mögliche Straftatbestände
Landfriedensbruch (§ 125 StGB): Das gewaltsame Angreifen eines Zuges durch eine Menschenmenge erfüllt sehr wahrscheinlich den Tatbestand des Landfriedensbruchs. Bei besonders schweren Fällen drohen Freiheitsstrafen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren.
Gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr (§ 315 StGB): Durch das Ziehen der Notbremse und Beschädigen der Lok wurde massiv in den Bahnverkehr eingegriffen. Dies kann mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren bestraft werden.
Sachbeschädigung (§ 303 StGB): Die Beschädigung des Zuges, insbesondere der zerbrochenen Scheiben, erfüllt den Tatbestand der Sachbeschädigung.
Körperverletzung (§ 223 StGB): Sollte es bei den berichteten Schlägereien zu Verletzungen gekommen sein, käme auch eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung in Betracht.
Vermummungsverbot (§ 17a Versammlungsgesetz): Da laut Polizei einige Angreifer vermummt waren, könnte auch ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot vorliegen.
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Juristische Analyse zur Anwendung von Stadion-Strafen auf Vorfälle außerhalb des Stadions am Beispiel der Ausschreitungen der Rostock-Fans
Bislang beschränkt sich die Praxis der Bestrafung von Vereinen in der Regel auf Vorfälle, die sich im Stadion oder im unmittelbaren Umfeld ereignen. Die Frage, ob dieses Prinzip auch auf Geschehnisse außerhalb des Stadions anwendbar ist, ist komplex und rechtlich umstritten. Hier könnte der Fall Hansa Rostock eine entscheidende Rolle spielen und möglicherweise einen Präzedenzfall schaffen.
1. Grundsätzliche Haftung von Vereinen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in ständiger Rechtsprechung bestätigt, dass Vereine für das Verhalten ihrer Fans im Stadion haften können, und zwar auch ohne eigenes Verschulden. Hierbei handelt es sich um eine Art Gefährdungshaftung, die primär auf das Ziel abzielt, dass Vereine präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlverhalten ihrer Anhänger ergreifen. Bislang bezieht sich diese Haftung jedoch auf Vorfälle innerhalb des Stadions.
2. Präventiver Charakter der Strafen
Die von den Verbänden auferlegten Strafen sind primär präventiv angelegt und weniger als klassische Sanktion im strafrechtlichen Sinne zu verstehen. Ziel ist es, Vereine dazu anzuhalten, mäßigend auf ihre Fangruppen einzuwirken und durch geeignete Maßnahmen Gewalt und Störungen zu minimieren. Durch diese präventive Zielsetzung besteht ein gewisser Handlungsspielraum, um über das reine Stadiongeschehen hinaus Maßnahmen zu veranlassen.
3. Zusammenhang zum Spielbetrieb
Im Fall der Rostock-Fans besteht ein direkter Zusammenhang zum Spielbetrieb, da sich die Vorfälle auf dem Weg zum Stadion und im Kontext des bevorstehenden Spiels ereigneten. Dies könnte argumentativ eine Erweiterung der Vereinsverantwortung über die Stadiongrenzen hinaus unterstützen. Es stellt sich die Frage, ob der Kontext des Spielbetriebs ausreicht, um eine Haftung auch für Vorfälle außerhalb des Stadions zu rechtfertigen.
4. Erweiterung der Verantwortung auf den „Gesamtkontext des Spiels“
Eine Argumentation für die Erweiterung der Haftung könnte auf dem Standpunkt basieren, dass die Verantwortung der Vereine sich auf den gesamten Kontext des Spieltags erstrecken könnte. Hierdurch würde die Verantwortlichkeit der Vereine an den Stadiontoren nicht enden, sondern könnte sich auch auf die An- und Abreise der Fans erstrecken, wenn diese in direktem Bezug zur Veranstaltung steht. Dies wäre jedoch eine wesentliche Ausweitung des bisherigen Haftungsrahmens und bedarf einer umfassenden juristischen Prüfung.
5. Praktische Herausforderungen und Kontrollmöglichkeiten
Außerhalb des Stadions haben Vereine erheblich eingeschränkte Möglichkeiten, präventive Maßnahmen durchzuführen oder die Kontrolle über das Verhalten der Fans zu behalten. Diese limitierte Kontrollfähigkeit könnte eine pauschale Anwendung der Stadion-Strafen auf Vorfälle außerhalb des Stadions als unangemessen erscheinen lassen. Die Umsetzung präventiver Maßnahmen wäre in diesem Kontext deutlich erschwert.
6. Rechtliche Grauzone und Präzedenzwirkung
Die bisherige Rechtsprechung zur Haftung der Vereine bezieht sich vor allem auf das Stadion und das unmittelbare Umfeld. Eine Anwendung auf Ereignisse außerhalb des Stadions stellt juristisches Neuland dar und könnte einen Präzedenzfall schaffen, der möglicherweise auf zukünftige Fälle übertragbar wäre. Diese rechtliche Grauzone erfordert daher eine besonders differenzierte Abwägung.
7. Mögliche Konsequenzen für Sicherheitsmaßnahmen
Eine Ausweitung der Haftung würde Vereine faktisch dazu anhalten, verstärkte Sicherheitsmaßnahmen auch im Zusammenhang mit der An- und Abreise ihrer Fans zu implementieren. Dies könnte beispielsweise in der Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden resultieren, um eine umfassende Betreuung der Fans sicherzustellen.
8. Verhältnismäßigkeit der Haftungserweiterung
Abschließend wäre die Verhältnismäßigkeit einer solchen Ausweitung der Haftung eingehend zu prüfen. Die Frage, ob eine generelle Haftungserweiterung für Vorfälle außerhalb des Stadions im Verhältnis zum Zweck der Sanktionen steht, ist essenziell. Eine übermäßige Verantwortungserweiterung könnte Vereine unangemessen belasten und den Rahmen des Zumutbaren überschreiten.
Zusammenfassung
Eine Anwendung der für das Stadion geltenden Sanktionen auf Vorfälle wie den Rostock-Fall ist zwar denkbar, jedoch keinesfalls selbstverständlich. Die Übertragung der Stadion-Strafen auf Ausschreitungen außerhalb des Stadions würde eine Abkehr von der bisherigen Praxis bedeuten und hätte potenziell weitreichende Folgen für die Haftung von Vereinen. Eine solche Entscheidung sollte sorgfältig abgewogen werden, da sie in der Rechtsprechung einen Präzedenzfall schaffen und das Verantwortungsprofil der Vereine deutlich erweitern könnte.
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