Nach einem Unfall auf einem Parkplatz bestand einer der beteiligten Autofahrer auf die Regel „rechts vor links“ und wollte damit seine Unschuld begründen. Das sah das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main nun aber anders und erklärte, dass diese Regel keine Gültigkeit hatte – obwohl die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) auf dem Parkplatz galt.
Rechts vor links nur bei Fahrbahnen mit Straßencharakter
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in einem Urteil vom 7. Juli 2022 entschieden, dass auf Parkplätzen nicht zwangsläufig die Regel „rechts vor links“ gilt, wenn sich zwei Fahrzeuge an einer Kreuzung begegnen (Az.: 17 U 21/22). Auf dem Kundenparkplatz eines Baumarkts in Wiesbaden kam es zu einem Unfall: In den Fahrgassen, in denen auf beiden Seiten Parkbuchten angelegt waren, stießen zwei Autos zusammen. Laut Beschilderung galt auf diesem Parkplatz die StVO. Der von rechts kommende Fahrer berief sich auf die Regel „rechts vor links“ und verlangte die Erstattung der Reparaturkosten durch die gegnerische Versicherung. Er sah sich im Recht, da er Vorfahrt gehabt habe.
Das sah das Oberlandesgericht anders. Obwohl auf dem Parkplatz die StVO galt, sei die Regel „rechts vor links“ hier nicht anwendbar. Die Fahrgassen dienten nicht nur zum Fahren, sondern auch dem Fahrzeugsuchverkehr. An den Kreuzungen sei daher „jeder Fahrzeugführer verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem jeweils anderen Fahrzeugführer zu suchen“, heißt es in dem Urteil. Damit erinnert das OLG Frankfurt an §1 StVO, der zu ständiger Vorsicht und gegenseitiger Rücksicht im Straßenverkehr auffordert.
Die Regel „rechts vor links“ gelte auf einem Parkplatz laut den Richtern aus Frankfurt nur, wenn die Fahrspuren „eindeutig und unmissverständlich Straßencharakter“ haben. Darauf deuten etwa bauliche Merkmale wie Bürgersteige, Randstreifen oder Gräben hin. Die Fahrgassen am Unfallort wiesen diese Merkmale nicht auf. Sie dienten daher nicht dem fließenden Verkehr, sondern der Suche von freien Parkplätzen. Die beiden Unfallbeteiligten müssen sich die entstandenen Kosten nun hälftig teilen.
Auch in Parkhäusern gilt nicht immer rechts vor links
Eine ähnliche Entscheidung hatte schon das Oberlandesgericht München 2020 für Parkhäuser getroffen (Az.: 10 U 6767/19). Auch hier war ein Unfall geschehen, da der von rechts kommende Verkehrsteilnehmer auf seine Vorfahrt bestanden hatte. Das OLG München hatte – wie nun das OLG Frankfurt – geurteilt, dass in der Parkgarage das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gelte. Die Fahrspuren im Parkhaus dienten der Suche von freien Stellplätzen und wiesen keinen Straßencharakter auf. Nur auf Fahrspuren, die ausschließlich dem Ein- oder Ausfahren aus der Parkgarage dienen und daher mit Straßen vergleichbar sind, gelte rechts vor links, erklärten die Münchener Richter. Die Fahrgassen zwischen den markierten Parkreihen hätten hingegen keinen Straßencharakter. Auch in diesem Fall mussten sich die beiden Unfallbeteiligten die Reparaturkosten zur Hälfte teilen.