Wenn ein Unternehmen umzieht oder einen neuen Standort eröffnet, muss meist ein Teil der Mitarbeiter oder die gesamte Belegschaft den Ort wechseln, um den Betrieb weiterzuführen. Aber darf der Arbeitgeber in jedem Fall einen Umzug verlangen? Und welche Möglichkeiten haben Arbeitnehmer, die nicht umziehen wollen?
In der Wirtschaft kommt es nicht selten vor, dass ein Unternehmen von kleineren Büros in eine größere Immobilie wechselt, einen neuen Standort eröffnet oder in eine Region mit einer günstigeren Infrastruktur umzieht. Meist wollen die Unternehmen ihre Angestellten an den neuen Standort mitnehmen. Allerdings sind nicht alle Arbeitnehmer bereit, für ihren Arbeitgeber umzuziehen.
Bei geringer Entfernung muss der Arbeitnehmer umziehen
Darf der Arbeitnehmer einen Umzug ablehnen? Zunächst sollte man bei einem anstehenden Standortwechsel auf die Entfernung zwischen alter und neuer Arbeitsstelle schauen. Wechselt das Unternehmen seinen Standort im Umkreis von fünf Kilometern oder weniger, sind Arbeitnehmer rechtlich dazu verpflichtet, am neuen Einsatzort weiterzuarbeiten. Dieser Zwang zum Umzug durch den Arbeitgeber ist durch sein sogenanntes Weisungsrecht gedeckt.
Ob sich ein Angestellter einen weiter entfernten Einsatzort gefallen lassen muss und zum Umzug gezwungen werden kann, hängt vom Arbeitsvertrag ab. In vielen neuen Verträgen ist eine sogenannte Versetzungsklausel enthalten. Diese Klausel berechtigt den Arbeitgeber, seinen Angestellten zu versetzen oder zu einem Umzug zu zwingen. Eine Versetzungsklausel kann zum Beispiel wie folgt lauten:
„Arbeitsort ist XXX. Der Arbeitgeber behält sich vor, den Arbeitnehmer auch an einem anderen Ort einzusetzen, soweit dies dem Arbeitnehmer unter Abwägung der betrieblichen und persönlichen Belange zumutbar ist.“
Allerdings muss laut Arbeitsrecht jeder Umzug – trotz der Klausel – zumutbar sein. Das hessische Landesarbeitsgericht entscheid 2011 etwa, dass eine junge Mutter nicht von Frankfurt am Main nach London versetzt werden durfte, obwohl ihr Vertrag eine Versetzungsklausel enthielt.
Enthält der Arbeitsvertrag einen festgeschriebenen Einsatzort?
Eindeutiger ist das Recht des Arbeitnehmers, wenn in seinem Arbeitsvertrag ein Tätigkeitsort festgeschrieben ist. Dann hat der Arbeitgeber so gut wie keinen Spielraum und kann den Angestellten nicht gegen seinen Wunsch versetzen. Eine solche Formulierung könnte wie folgt lauten:
„Der Arbeitnehmer wird ab XXX für den Betrieb in XXX als Arbeitsort eingestellt.“
Will der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter dennoch versetzen, muss er eine sogenannte Änderungskündigung aussprechen. Dabei wird der bestehende Arbeitsvertrag mit dem festgeschriebenen Einsatzort gekündigt und gleichzeitig ein neuer Vertrag mit einem geänderten Tätigkeitsort vereinbart. Wenn der Arbeitnehmer dem nicht zustimmen will, kann er die Änderungskündigung ablehnen. Dann wird daraus eine Beendigungskündigung und das Arbeitsverhältnis endet. Eine Alternative wäre es, die Änderungskündigung vorläufig anzunehmen und die Versetzung von einem Arbeitsgericht prüfen zu lassen.
Arbeitgeber verlangt Umzug? Gericht prüft Zumutbarkeit
Das Gericht überprüft in dem Verfahren, ob der Umzug zumutbar ist. Hier werden die familiäre Situation (Kinder), finanzielle Verpflichtungen (wie ein laufender Hauskredit für eine Immobilie in der aktuellen Region) und die Unterstützung des Arbeitgebers (Hilfe bei Wohnungssuche oder Dienstwohnung) berücksichtigt. Die Arbeitsrichter prüfen aber auch, ob genau dieser Angestellte am neuen Standort eingesetzt werden muss oder ob es einen anderen geeigneten Angestellten gibt, für den der Umzug verträglicher wäre. Bis zum gerichtlichen Ergebnis muss der Arbeitnehmer aber am neuen Standort arbeiten.
In jedem Fall ist es unbedingt ratsam, einen Anwalt für Arbeitsrecht zu kontaktieren. Häufig machen Arbeitgeber bei einer Änderungskündigung Fehler, die die Kündigung unwirksam machen. Wenn der Arbeitnehmer nicht an seinem vorherigen Einsatzort weiterarbeiten kann, kann zumindest eine Abfindung als Entschädigung für den Arbeitsplatzverlust ausgehandelt werden.
Gewerbeordnung gibt Arbeitgeber Befugnis, Umzüge zu verlangen
Es gibt noch den Fall, dass im Arbeitsvertrag keine Regelung zum Arbeitsort getroffen wird: Es ist weder ein eindeutiger Einsatzort festgelegt, noch enthält der Vertrag eine Versetzungsklausel. Dann gilt § 106 Gewerbeordnung (GewO), der besagt, dass der Arbeitgeber „Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen“ kann. Der Arbeitgeber kann den Einsatzort für den Arbeitnehmer also selbst vorgeben. Allerdings muss auch hier die Verträglichkeit einer Versetzung geprüft werden. So werden Alleinstehende eher an einen anderen Standort versetzt als Angestellte mit familiären Verpflichtungen.