Wenn der Nachbar zur Überwachung seines eigenen Grundstücks Kameras installiert, ist meist Ärger vorprogrammiert. Ob nur eine potenziell mögliche Überwachung durch die Art der Installation der Videokameras bereits eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt, ohne dass es tatsächlich aktuell zu einer Überwachung kommt, wird von den Gerichten unterschiedlich behandelt. Wir geben in diesem Beitrag einen juristischen Überblick.
Kameras müssen auf das eigene Grundstück ausgerichtet sein
Grundsätzlich gilt, dass Kameras nur das eigene Grundstück erfassen dürfen. Die tatsächliche Erfassung eines Nachbargrundstücks ist verboten und kann zu Unterlassungsansprüchen aus § 1004 I BGB der Gegenseite führen. Aber auch wenn die Kameras so angebracht sind, dass sie nur das eigene Grundstück überwachen, kann ein Anspruch auf Entfernung bejaht werden.
Die Installation von den Kameras kann nämlich dazu führen, dass sie zu einer potenziell laufenden Überwachung führen können, da sie technisch dazu geeignet sind und auch so einstellbar sind, dass sie auch Vorgänge und Personen auf dem Nachbargrundstück erfassen könnten. Bereits durch diese bloße Möglichkeit können Nachbarn einem so genannten Überwachungsdruck ausgesetzt sein, der einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I, Art. 1 I GG darstellt. Dies gilt jedoch nur für so genannte Dome-Kameras, die in einer halbrunden getönten Kuppel eingebaut sind, die ohne großen Kraftaufwand und ohne nach außen erkennbare Arbeitsschritte, beispielsweise durch eine Fernbedienung, anders eingerichtet werden können, ohne dass dies nach außen wahrnehmbar ist. Diese Auffassung von wird von den Landgerichten Potsdam, Berlin und Bonn vertreten, die einen Überwachungsdruck auch bei der Installation von Kamera-Attrappen annehmen.
Das Amtsgericht Berlin-Neukölln führt in einem ähnlichen Fall aus, dass die alleinige Befürchtung, der Nachbar könnte in Zukunft den Blickwinkel und die Ausrichtung von Kameras, die nicht über Fernbedienungen verfügen, verändern, für die Erzeugung eines Überwachungsdrucks und eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht ausreichen würde (AG Neukölln, Beschl. v. 07.04.2015, 14 C 1003/15). Dies würde auch dann gelten, wenn sich die Nachbarn nur einem Überwachungsdruck ausgesetzt fühlen würden. In dem Verfahren ließen sich die beklagten Grundstückseigentümer von der Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN vertreten.
Auf der anderen Seite hatte der Berliner Rechtsanwalt Oliver C. G. im Auftrag seiner Mandantin gegen benachbarte Grundstückseigentümer geklagt und anschließend verloren. In dem vor dem Gericht behandelten Fall wurde die Entfernung von Kameras verlangt, denen man aber ohne Weiteres ansehen konnte, in welche Richtung sie ausgerichtet sind. Rechtsanwalt C. G. hatte argumentiert, allein der Anblick der Kameras würde bereits zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung führen. Auch im weiteren Verlauf des Verfahrens zeigte sich der Anwalt unerfahren: Er erkannte wohl nicht die Fehlerhaftigkeit einer vom Gericht mitgeteilten Rechtsmittelbelehrung und ließ dadurch Fristen verstreichen. Das Gericht lehnte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ab. Der Rechtsanwalt hätte durch einen einfachen Blick in das Gesetz die Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung erkennen können, hieß es.
Die Landgerichte Koblenz, Itzehoe (LG Itzehoe, Urt. v. 11.09.1997, 7 O 51/96) und Bielefeld (LG Bielefeld, Urt. v. 17.04.2007, 20 S 123/06) sind ebenfalls der Auffassung, dass allein die Möglichkeit, den Blickwinkel der Kameras zu verändern, noch keine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt, wenn durch bereits vorangegangene Ereignisse (etwa Sachbeschädigungen) ein berechtigtes Interesse des Grundstückseigentümer an der Grundstücksüberwachung besteht. Das Recht am eigenen Bild schütze als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur vor tatsächlich erfolgten missbräuchlichen Bildaufzeichnungen, nicht aber vor der bloßen Möglichkeit, unzulässige Abbildungen anzufertigen.
Anmerkung des Autors:
Dieser Auffassung ist der Bundesgerichtshof entgegengetreten. Auch die bloße Herstellung von Bildnissen einer Person in der Öffentlichkeit kann eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen, selbst wenn keine Verbreitungsabsicht vorliegt (BGH, Urt. v. 25.04.1995, VI ZR 272/94).
Dieser Auffassung hat sich das Landgericht Potsdam (LG Potsdam, Urt. v. 22.04.2009, 13 S 9/09, bestätigt durch BGH Urt. v. 16.03.2010, VI ZR 176/06), angeschlossen. Auf der Seite der Nachbarn lag auch lediglich das subjektive Gefühl vor, Gegenstand von Aufnahmen werden zu können, wobei auf objektiver Seite tatsächlich lediglich das Grundstück des Grundstückseigentümers überwacht wurde. Die Kameras konnten auch nicht ohne äußerlich wahrnehmbaren Aufwand verändert werden. So war es beispielsweise nicht möglich, die Kameras aus dem Gebäudeinneren mit Hilfe einer Fernsteuerung auf das Grundstück der Nachbarn auszurichten, obwohl es sich bei einer der Kameras um eine sogenannte Dome-Kamera handelte. Auf der anderen Seite sprach für den Grundstückseigentümer, dass es bereits in der Vergangenheit unstreitig zu einem Brandanschlag auf sein Grundstück gekommen war, sodass ein berechtigtes Interesse an der Überwachung des eigenen Grundstücks bestand. Die bloß theoretische Möglichkeit eines Missbrauchs würde bei dieser Konstellation nicht dazu ausreichen, eine widerrechtliche Persönlichkeitsrechtsverletzung anzunehmen.
LG Detmold: Grundstück darf nicht als Durchgangsgrundstück dienen
In einem Verfahren vor dem Amtsgericht Lemgo (AG Lemgo, Urt. v. 24.02.2015, 19 C 302/14) und dem Landgericht Detmold (LG Detmold, Urt. v. 08.07.2015, 10 S 52/15) untersagte das Gericht einem Grundstückseigentümer selbst die Ausrichtung der Kameras auf sein eigenes Grundstück. Hier lag der Fall jedoch anders: Das Grundstück diente einer dahinterliegenden Firma als Durchgangsgrundstück zu ihrem eigenen Grundstück, so dass die Mitarbeiter dieses Unternehmens darauf angewiesen waren, das Grundstück zu überqueren. Das Gericht wies darauf hin, dass jedenfalls entsprechend § 6b Abs. 2 BDSG erforderlich wäre, dass die Videoaufzeichnung durch entsprechende Schilder deutlich zu machen sei und Videoaufzeichnungen unverzüglich zu löschen seien, wie es § 6b Abs. 5 BDSG vorsieht. Beides war jedoch nicht der Fall: Weder waren Schilder angebracht, noch wurden die Aufzeichnungen unverzüglich gelöscht. Vielmehr fand eine Löschung erst nach mehr als zwei Wochen statt. Auch war der Sinn der Videoüberwachung nicht sehr schlüssig vorgetragen, denn der Beklagte hatte nicht vorgetragen, dass es zu Straftaten auf seinem Grundstück gekommen sei. Er konnte nur allgemeine Wegerechtsverletzungen anführen, die aber genau so gut durch Zeugen hätten belegt werden können. Eine Überwachung durch Kameras sei nicht notwendig, argumentiert das Gericht. Daneben sei durch den Betreiber der Kamera in das Recht auf informelle Selbstbestimmung eingegriffen worden. Das sei immer dann der Fall, wenn die Personen durch die Videoüberwachung tatsächlich betroffen werden.
Beweislast ist eine Frage des Klägers
Im laufenden zivilrechtlichen Verfahren stellt sich oft die Frage, wer beweisen muss, dass die Kameras tatsächlich nicht nur auf das eigene Grundstück, sondern auch auf das benachbarte Grundstück gerichtet sind. Eine Beweiserleichterung nach den Grundsätzen des Prima-Facie-Beweises kommt dem Kläger nicht zugute. Dies würde bereits voraussetzen, dass tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die daraus Schlüsse nach der Lebenserfahrung zulassen. Solch notwendigen Erfahrungssätze fehlen jedoch, weshalb es bei den gewöhnlichen Beweisregeln bleibt: Danach muss der Kläger nachvollziehbare Anhaltspunkte vortragen, der Beklagte überwache mit den Kameras nicht nur sein eigenes Grundstück, sondern auch das benachbarte Grundstück. Es obliegt nicht dem Betreiber der Kameras, nachzuweisen, dass diese eben nicht auf das Nachbargrundstück gerichtet sind. Das Amtsgericht Königs Wusterhausen (AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 30.11.2005, 20 C 307/05) führte dazu aus:
„Andernfalls obläge es letztlich auch dem Besitzer eines Fernglases oder Camcorders, entsprechende Befürchtungen sensibler Bürger zu widerlegen. Solches dürfte auch schwerlich möglich geschweige denn zumutbar sein“.
Weiter führt es aus:
„Die bloße Möglichkeit im Sinne eines „es könnte immerhin sein“ genügt hierfür nicht. Allein aus der Möglichkeit der missbräuchlichen Verwendung eines Gegenstandes kann keine Darlegungs- und Beweislastumkehr dahingehend hergeleitet werden, dass es dem Besitzer obliegt, den ausschließlich bestimmungsgemäßen Gebrauch nachzuweisen.“
Rechtsanwalt Nico Werdermann ist Partner der Berliner Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN. Er berät Privatpersonen und Unternehmer zu Fragen des Datenschutzes. Er hat den Fachanwaltskurs für IT-Recht der Deutschen Anwaltsakademie belegt.