Legal Tech Verband: Videoverhandlungen sollten dauerhaft etabliert werden

Veröffentlicht am in Legal Tech

Um während der Corona-Krise physische Kontakte zu minimieren, nutzen Gerichte für mündliche Verhandlungen vermehrt Video- und Telefonkonferenzen. Bei Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz sitzen nur die Richter und eventuelle Zuschauer im Gerichtssaal, während Rechtsanwälte, Parteien, Sachverständige und Zeugen live zugeschaltet werden. Der Legal Tech Verband Deutschland e.V. (LTV) setzt sich dafür ein, die pandemiebedingte Digitalisierung der Justiz auch weiterhin zu nutzen und in Zukunft noch auszubauen.

Der LTV will bei der Durchführung mündlicher Verhandlungen in der Ziviljustiz Videotechnik konsequent stärken. Auf Anfrage des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat der Verband zum Thema Videoverhandlungen eine Kurzumfrage unter Anwälten durchgeführt und eine Stellungnahme verfasst.

Umfrage unter 170 Anwälten aus allen Tätigkeitsfeldern

Der LTV hat im August 2021 eine Umfrage unter rund 170 Anwälten zu Videoverhandlungen durchgeführt. „Mit dieser Umfrage wollten wir uns ein Stimmungsbild aus der Anwaltschaft verschaffen”, so Nikolai Klute, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Digitale Justiz im Legal Tech Verband. An der Umfrage hätten Anwältinnen und Anwälte aus großen, mittleren und kleinen Kanzleien aus allen Tätigkeitsfeldern teilgenommen – vom Arbeitsrecht über das Familienrecht bis hin zum Verkehrsrecht, und zwar sowohl überregional, bundesweit als auch lokal tätige Kolleginnen und Kollegen, so Klute.

Das geographische Tätigkeitsumfeld wurde ebenfalls abgefragt. Dabei ergab sich in etwa eine Drittel-Aufteilung. Im eigenen Amtsgerichts-/Landgerichtsbezirk waren 33,1 Prozent der Befragten tätig. Überregional beschäftigt sind 34,3 Prozent und bundesweit vor allen Gerichten 32,5 Prozent der Anwälte. Zwar ist die Umfrage nicht repräsentativ, doch sie vermittelt laut LTV ein gutes erstes Stimmungsbild.

Positives Feedback auf Videoverhandlungen während der Pandemie

Die Durchführung von Videoverhandlungen während der Corona-Pandemie wurde als sehr positiv bewertet. Wo sie möglich waren, haben 90 Prozent der Befragten Videoverhandlungen genutzt und rund 50 Prozent haben selbst Anträge auf die Durchführung von Videoverhandlungen gestellt. 83,4 Prozent der befragten Anwälte wünschen sich, dass die neue Verhandlungsform beibehalten wird, 8,3 Prozent standen ihr neutral gegenüber und gerade einmal 8,3 Prozent zeigten sich eher skeptisch.

Durch die guten Erfahrungen mit Videoverhandlungen steht mit 55,5 Prozent deutlich mehr als die Hälfte der Befragten einer Etablierung der digitalen Verhandlungsform eher positiv gegenüber. 20,1 Prozent der Befragten verhielten sich neutral und fast ein Viertel lehnt diese Innovation im Gerichtssaal eher ab. Der Legal Tech Verband zieht das Fazit, dass seine Position, § 128a ZPO zu stärken und Videoverhandlungen als Regelverhandlung zu etablieren, durch die Umfrage bestätigt wurde.

Wichtig sei jedoch auch die Einführung eines Ausnahmekatalogs, der den Besonderheiten einzelner Verfahren Rechnung trage und den Weg in eine herkömmliche Verhandlung im Gericht eröffne. Jetzt müssten zügig die technischen Voraussetzungen für Videoverhandlungen geschaffen und Videokonferenzsysteme in der Gerichtsbarkeit technisch sicher gestaltet werden, so der Verband abschließend. Nikolai Klute fasst das Ergebnis der Umfrage zusammen: „Wir treten für ein Modell ein, in dem Videoverhandlungen zum Regelfall werden, begleitet von einem klugen Ausnahmekatalog, der mündliche Verhandlungen an Gerichtsstelle in besonderen Verfahren oder Verfahrenssituationen vorsieht.“

Anwälte der Kanzlei VON RUEDEN befürworten Videoverhandlungen

Auch in der Kanzlei VON RUEDEN sieht man die Nutzung digitaler Tools im Gerichtssaal grundsätzlich positiv. „Videoverhandlungen haben überwiegend Vorteile – der größte: Mit nur einem Klick bin ich im Gerichtssaal und muss nicht aufwändig durch das Land reisen“, so Ehssan Khazaeli, Rechtsanwalt bei der Kanzlei VON RUEDEN. „Die Kanzlei VON RUEDEN vertritt ihre Mandanten bundesweit. Für die Rechtsanwälte entfallen unproduktive Fahrtwege und Wartezeiten“, führt der Rechtsanwalt weiter aus.

Doch trotz der willkommenen Effizienz von Videokonferenzen im Gerichtssaal macht auch Khazaeli eine Einschränkung: Nicht alle Verhandlungen seien für die neue Verhandlungsform geeignet. Komplexere Erörterungen oder gar Zeugenvernehmungen sollten vor Ort geschehen, um sich selbst ein Bild von dem Menschen machen zu können.

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