Das Landgericht (LG) Saarbrücken hat einer Verbraucher-Klage gegen Daimler wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Mercedes-Benz stattgegeben. Die Richter des Landgerichts sind überzeugt, dass in einen Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4Matic der Abgasnorm Euro 5 eine Steuerung eingebaut wurde, mit der die Temperatur im Kühlmittelkreislauf geregelt wird. Das ist ein weiteres positives Signal für geschädigte Verbraucher im Dieselskandal.
Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung nur auf dem Prüfstand im Einsatz
Mit Urteil vom 9. April 2021 hat das Landgericht Saarbrücken in einem Dieselverfahren gegen die Daimler AG ein wegweisendes Grundsatzurteil gesprochen: Die Richter werteten die bekannte Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung bei einem Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4Matic mit dem Dieselmotor des Typs OM651 der Abgasnorm Euro 5 als unzulässige Abschalteinrichtung, weil diese Regelung fast nur unter Prüfstandsbedingungen zum Einsatz kommt (Az.: 12 O 320/19).
Vor diesem Hintergrund könne nicht angenommen werden, dass die Funktion im realen Straßenverkehr überhaupt eine echte schadstoffmindernde Wirkung haben sollte. Der eigentliche Sinn der Funktion erschöpfe sich darin, auf dem Prüfstand niedrige NOx-Werte zu erzielen und vorzutäuschen, diese Werte würden auch im realen Straßenverkehr erreicht. Die gesamte Konstruktion sei daher darauf ausgelegt gewesen, über die Manipulation zu täuschen. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) habe deswegen einen Rückruf angeordnet. Die Behörde hatte diese Art der Abschalteinrichtung im Herbst 2018 entdeckt und Rückrufe für rund 60.000 Mercedes-Fahrzeuge gestartet.
Wie funktioniert die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung?
Bei der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung handelt es sich um eine Software, die mithilfe eines Kühlmittels die Abgasreinigung manipuliert. Auf dem Prüfstand ist diese Abschalteinrichtung aktiviert und bewirkt, dass der gesamte Kühlmittelkreislauf heruntergekühlt wird und dadurch eine niedrige Solltemperatur erreicht. Das führt dazu, dass sich das Motoröl nur langsam erhitzt und das Fahrzeug weniger schädliche Stickoxide emittiert.
Mit der aktivierten Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung in der Motorsteuerung hält das Fahrzeug im Test für die Typzulassung den gesetzlichen Grenzwert für Stickoxide ein. Doch im Straßenbetrieb schaltet sich die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung ab und das Dieselfahrzeug stößt deutlich mehr giftige NOx- Emissionen aus als erlaubt – zum Schaden der Gesundheit und der Umwelt.
Daimler hat Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass Daimler ihn durch den Verkauf des Autos „in vorsätzlicher sittenwidriger Weise geschädigt“ hat. Deshalb forderte er die Rückabwicklung des Kaufvertrags – und bekam Recht: Daimler muss dem Kläger 17.263,37 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zahlen und 69 Prozent der Kosten des Rechtsstreits übernehmen.
Das Gericht hat sich bei seinem Urteil auf zwei amtliche Auskünfte des Kraftfahrt-Bundesamts gestützt. Die Behörde gab an, dass es sich bei der Temperaturregelung um eine „unzulässige Abschalteinrichtung“ handelt, die im Wesentlichen unter Prüfstandbedingungen zur Anwendung komme und damit den „tatsächlichen Emissionsausstoß im Realbetrieb in unzulässiger Weise verschleiert“. Außerdem habe Daimler nicht aufgezeigt, warum der Einbau einer solchen Steuerung nötig sei.
Dieselkläger können mit Schadensersatz rechnen
Das von Daimler vertretene Argument der Verjährung des Falls ließ das Gericht nicht gelten. Dem Kläger könne das nicht ausgeübte Rückgaberecht im Jahr 2017 nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil ihm im November 2017 die Tatsache, dass in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist, noch nicht bekannt gewesen sei. Der Rückruf des KBA für das streitgegenständliche Fahrzeug sei erst im Jahr 2019 erfolgt. Die Daimler AG kann beim Oberlandesgericht Berufung gegen das Urteil einlegen.
Mit dem aktuellen Urteil des LG Saarbrücken wird die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung eindeutig als illegale Prüfstandserkennung eingestuft. Für die Daimler AG wird es damit noch schwieriger, den Vorwurf der Abgasmanipulationen zu entkräften. Klägern im Daimler-Dieselskandal steht nach dieser Entscheidung Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zu. Schadenersatzklagen von betrogenen Verbrauchern gegen die Daimler AG werden durch die Entscheidung des LG Saarbrücken nochmals vereinfacht.