Beschluss vom 18. Dezember 2014 – I ZR 198/13
Der für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Verfahren, das die Frage betrifft, ob die Verwertungsgesellschaft VG Wort berechtigt ist, einen Pauschalbetrag in Höhe von der Hälfte ihrer Einnahmen an Verlage auszuzahlen, ausgesetzt.
Der Sachverhalt
Bei der Beklagten handelt es sich um die VG WORT, welche im Februar 1958 gegründet wurde. Sie ist ein rechtsfähiger Verein kraft Verleihung, in dem sich Wortautoren und Verlage zur gemeinsamen Verwertung von Urheberrechten zusammengeschlossen haben. Sie nimmt als einzige Verwertungsgesellschaft in Deutschland die ihr vertraglich anvertrauten urheberrechtlichen Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche von Wortautoren und deren Verlegern treuhänderisch wahr. Dies bedeutet u.a., eine angemessene Vergütung der Autoren und Verlage sicherzustellen und Geld von denjenigen zu kassieren, die das geistige Eigentum anderer nutzen. Die aus zahlreichen Quellen vereinnahmten Gelder werden anschließend nach festgelegten Verteilungsplänen an Autoren und Verlage weitergeleitet.
Der Kläger ist Autor wissenschaftlicher Werke. Er hat mit der VG WORT im Jahr 1984 einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen. Darin hat er ihr unter anderem die gesetzlichen Vergütungsansprüche für das Vervielfältigen seiner Werke zum privaten Gebrauch zur Wahrnehmung übertragen. Mit seiner Klage wendet der Kläger sich dagegen, dass die Beklagte die Verleger und bestimmte Urheberorganisationen entsprechend den Bestimmungen ihres Verteilungsplans an ihren Einnahmen beteiligt und dadurch seinen eigenen Anteil an diesen Einnahmen verringert.
Verlage verfügen nicht über ein eigenes Leistungsschutzrecht
Das OLG (Oberlandesgericht) hat der Klage weitgehend entsprochen. Das Gericht hat angenommen, die Beklagte sei nicht befugt, von den auf die Werke des Klägers entfallenden Erlösen einen pauschalen Verlegeranteil abzuziehen. Verlage verfügten nach dem Urheberrechtsgesetz über kein eigenes Leistungsschutzrecht. Sie könnten bei der Verteilung der von der Beklagten vereinnahmten Erträge in Bezug auf die Werke des Klägers daher nur berücksichtigt werden, wenn der Kläger ihnen seine gesetzlichen Vergütungsansprüche abgetreten hätte und sie diese der Beklagten übertragen hätten. Der Kläger habe seine gesetzlichen Vergütungsansprüche jedoch bereits mit dem Wahrnehmungsvertrag im Jahr 1984 an die Beklagte abgetreten und habe sie daher später nicht mehr an die Verleger seiner Werke abtreten können. Dagegen habe die Beklagte die Urheberorganisationen an ihren Einnahmen beteiligen dürfen, soweit die Urheber diesen Organisationen ihre bereits entstandenen gesetzlichen Vergütungsansprüche abgetreten hätten. Die Verwertungsgesellschaft WORT hat gegen diese Entscheidung Revision eingelegt, mit der sie weiterhin die vollständige Abweisung der Klage anstrebt. Der Kläger hat Anschlussrevision eingelegt, mit der er erreichen möchte, dass seiner Klage vollumfänglich stattgegeben wird.
BGH setzt Verfahren wegen Vorgreiflichkeit aus
Der Bundesgerichtshof hat nun das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren C-572/13 ausgesetzt. In diesem Verfahren hat der Cour d’appel de Bruxelles dem Gerichtshof der Europäischen Union die sich in einem Rechtsstreit zwischen einem Importeur von Vervielfältigungsgeräten und einer Verwertungsgesellschaft stellende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dahingehend auszulegen sind, dass sie den Mitgliedstaaten gestatten, die Hälfte des gerechten Ausgleichs für die Rechtsinhaber den Verlegern der von den Urhebern geschaffenen Werke zu gewähren. Mit dem „gerechten Ausgleich“ sind die Einnahmen einer Verwertungsgesellschaft aus der Wahrnehmung gesetzlicher Vergütungsansprüche für das Vervielfältigen von Werken zum privaten Gebrauch gemeint. Die von dem Cour d’appel de Bruxelles dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegte Frage ist daher auch für den beim Bundesgerichtshof anhängigen Rechtsstreit von Bedeutung. Der Bundesgerichtshof hat das bei ihm anhängige Verfahren deshalb wegen Vorgreiflichkeit des beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängigen Rechtsstreits ausgesetzt.