Greenpeace-Auswertung: CO2-Vorgaben dank guter Lobbyarbeit erreicht – aber nicht auf der Straße

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Eine Auswertung der Umweltorganisation Greenpeace zeigt, dass die CO2-Grenzwerte der deutschen Autoindustrie nur eingehalten werden, weil die Autobauer von einer laschen EU-Gesetzgebung profitieren. Die CO2-Werte werden bei den Abgastests schön gerechnet und besonders schmutzige Fahrzeuge nicht mitgezählt. Die Autohersteller können dadurch Strafen in Milliardenhöhe umgehen – während die Umwelt weiterhin unter den schädlichen Abgasen leidet: Im Jahr 2020 waren es in Wirklichkeit 75 Millionen Tonnen mehr CO2 als von der EU-Gesetzgebung gefordert.

Anfang des Jahres hatten die deutschen Autokonzerne gute Neuigkeiten zu verkünden. VW freute sich, die strengen Vorgaben pro Kilometer nur um ein halbes Gramm CO2 zu überschreiten. Daimler meldete, bei seinen Fahrzeugen innerhalb der von der EU vorgegeben CO2-Grenzwerte zu liegen, und BMW hat die seit 2020 geltenden CO2-Vorgaben der EU sogar übererfüllt. Doch die Autos sind gar nicht so viel sauberer geworden. Die Hersteller profitieren von einer EU-Gesetzgebung, die bei den Abgastests großzügige „Rabatte“ bei der Berechnung der CO2-Emissionen gewährt. Sonst müsste die deutsche Autoindustrie nämlich Strafen in Milliardenhöhe zahlen.

Unrealistische CO2-Messungen durch „Vorbereitung“ der Fahrzeuge

ZEIT ONLINE fasst eine Analyse von Greenpeace zusammen, die zeigt, dass Volkswagen seinen CO2-Ausstoß im Jahr 2020 durch begünstigende Regeln bei der CO2-Berechnung um 16 Gramm pro Kilometer und Fahrzeug „verbessern“ konnte. Bei BMW waren es 22 Gramm und bei Daimler sogar 27 Gramm Ermäßigung. Aber: „Nicht geniale Ingenieurskunst hat die märchenhafte CO2-Reduktion ermöglicht, sondern harte Lobbyarbeit“, so die Greenpeace-Auswertung. „Dank ihr konnten sich die deutschen Autobauer der Unterstützung der Bundesregierung beim Einbau immer neuer Hintertüren sicher sein.“

Laut Greenpeace bereiten die Hersteller ihre Fahrzeuge so auf CO2-Messungen vor, dass sie bei den offiziellen Tests deutlich besser abschneiden als im Realbetrieb auf der Straße. Es werden zum Beispiel Karosseriefugen vor den Tests abgeklebt, um den Luftwiderstand zu verringern, was einen riesigen Effekt bringt. Dadurch stößt ein durchschnittliches Daimler-Auto bei Tests 61 Gramm CO2 weniger aus als bei einer realistischen Messung.

Rechnet und misst man bei den CO2-Emissionen realistisch, überschreiten die größten deutschen Hersteller den EU-Grenzwert von 95 Gramm laut Greenpeace dramatisch: VW um 64 Prozent, BMW um 77 Prozent und Daimler um 84 Prozent. Das bedeutet 75 Millionen Tonnen mehr CO2 für das Jahr 2020, die von den drei Konzernen über den Grenzwert hinaus verursacht wurden. Müsste VW für diese Emissionen die vorgesehene Strafe von 95 Euro pro Gramm pro Auto zahlen, kämen 17 Milliarden Euro zusammen und für BMW und Daimler jeweils 5,7 Milliarden Euro.

Die dreckigsten Autos werden nicht mitgezählt

Die fünf dreckigsten Prozent ihrer Autoverkäufe durften die Hersteller im vergangenen Jahr aus der Berechnung herausnehmen. Mit dieser Sonderregel soll der Industrie der Einstieg in die Einhaltung der neuen CO2-Grenzwerte erleichtert werden. Elektroautos haben vergangenes Jahr doppelt gezählt, was den Schnitt ebenfalls deutlich verbessert hat.

In den nächsten Jahren werden diese Ermäßigung Schritt für Schritt zurückgenommen, doch bis dahin gelten sogenannte Supercredits, und zwar nicht nur für reine Elektroauto. Auch die umstrittenen Plug-in-Hybride profitieren davon, obwohl viele Nutzer kaum elektrisch fahren. Für das Klima sind die geförderten Plug-ins doppelt schädlich: Autofahrer laden die Batterien nicht auf, verbrauchen aber durch das zusätzliche Gewicht mehr als reinen Verbrennungsmotoren – und emittieren folglich auch deutlich mehr CO2.

Saubere CO2-Bilanz durch Verkäufe Norwegen und Island

Für die Hersteller ergeben sich zudem Vorteile dadurch, dass sie die in Norwegen und Island verkauften Autos in ihre CO2-Bilanz einrechnen dürfen, obwohl die Länder nicht zur EU gehören. Die Rechnung lohnt sich, denn in Norwegen fährt schon mehr als jeder zweite Neuwagen elektrisch und in Island jeder vierte. Dadurch konnte VW konnte Greenpeace zufolge ein Gramm CO2 einsparen.

Wenn diese Schlupflöcher nicht ausreichen, dürfen europäische Autokonzerne mit Autoherstellern, die ihre CO2-Richtwerte übererfüllen, gemeinsam bilanzieren. Durch Kooperation mit dem chinesischen Autobauer SAIC und anderen kleinen Elektroautoherstellern konnte VW 0,5 Gramm CO2 „einsparen“ und Strafzahlungen in Höhe von etwa 140 Millionen Euro umgehen.

Wenn man die Tricksereien bei den Abgasmessungen heraus rechnet, haben die großen deutschen Hersteller den CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeuge seit 2006 kaum verringert, so Greenpeace. Bei VW sind es 15 Prozent weniger, bei BMW 18 Prozent und bei Daimler nur neun Prozent. Im Juni will die EU-Kommission einen neuen Vorschlag zur Verringerung des CO2-Ausstoßes vorlegen. Ginge es nach Greenpeace, sollte die EU ein Verbot von Verbrennungsmotoren spätestens ab 2028 beschließen.

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