Haftet Audi für die Nutzung manipulierter Dieselmotoren der Konzernmutter Volkswagen? Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) am 22. Februar 2021 beschäftigt und kommt zu dem Ergebnis, dass eine solche Haftung zweifelhaft ist. Der Kläger müsse Indizien dafür vorlegen, dass Audi von dem Dieselbetrug wusste. Der BGH hat angedeutet, dass er den Fall zurück an die Vorinstanz verweisen will, das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. Die Entscheidung der Karlsruher Richter dürfte in Kürze verkündet werden.
In dem Fall geht es um einen Audi-Besitzer, der im Mai 2015 einen gebrauchten Audi A6 Avant gekauft hatte. In seinem Fahrzeug war der Dieselmotor EA189 mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbaut worden, den Audi vom Mutterkonzern VW übernommen hat. Weil der vorgeschriebene Stickoxidausstoß des Fahrzeugs nur auf dem Prüfstand, aber nicht im Straßenverkehr erreicht wurde, hatte er den Hersteller Audi auf Schadensersatz verklagt. Für das Modell gab es eine Rückrufaktion und das Fahrzeug des Klägers erhielt 2016 ein Softwareupdate. Trotzdem klagte der Besitzer wegen sittenwidriger Schädigung auf Schadensersatz. Er will das Auto gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben.
BGH bezweifelt, das Audi für manipulierte VW-Motoren haftet
Dass Volkswagen Autokäufer mit dem Einsatz der manipulierten Abgastechnik systematisch getäuscht hat und dafür grundsätzlich haftet, steht spätestens seit dem BGH-Urteil vom 25. Mai 2020 fest. Kläger können ihr Fahrzeug an VW zurückgeben und bekommen den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer erstattet. Doch der Bundesgerichtshof hegt Zweifel daran, dass Audi für die manipulierte Abgasreinigung von VW haftbar gemacht werden kann. Audi hat den von VW entwickelten Skandalmotor EA189 für seine eigenen Modelle übernommen.
Nach Auffassung der Karlsruher Richter müssten Kläger zunächst belastbare Indizien vorlegen, dass Audi von den Abgasmanipulationen der VW-Dieselmotoren Kenntnis hatte. Das wurde in der mündlichen Verhandlung einer Schadensersatzklage eines Audi-Besitzers vor dem BGH in Karlsruhe deutlich. Das endgültige Urteil soll erst zu einem späteren Zeitpunkt verkündet werden. Doch der VI. Zivilsenat des BGH will den Fall voraussichtlich zurück an die Vorinstanz verweisen, das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg.
Das OLG Naumburg hatte der Klage des Audi-Käufers stattgegeben, weil Audi als VW-Tochterkonzern der Einbau des manipulierten Dieselmotors zuzurechnen sei. Die Naumburger Richter haben dem Kläger zuletzt rund 20.000 Euro Schadenersatz plus Zinsen von Audi zugesprochen. Doch Audi hatte gegen die Entscheidung Revision eingelegt.
Hat Audi von den Manipulationen gewusst?
Stephan Seiters, Vorsitzender Richter am BGH, genügte allein die Tatsache, dass Audi die Tochtergesellschaft von VW sei, „nicht für die Annahme, Audi sei in die Entscheidung der Muttergesellschaft eingebunden gewesen.“ Es sei nicht belegt, dass gesetzliche Vertreter von Audi sittenwidrig handelten. Das OLG habe angenommen, dass Audi von den Manipulationen gewusst haben müsse. Dafür müssten zunächst vom Kläger Tatsachen vorgetragen werden, die eine Kenntnis des Tochterkonzerns Audi nahelegten. Erst dann sei Audi am Zuge und müsse das widerlegen. Nach vorläufiger Einschätzung müsse das noch einmal neu geprüft und der Fall zurückverwiesen werden (AZ. VI ZR 505/19).
Für Audi-Besitzer, die den Autokonzern direkt verklagt haben, bedeutet das, dass sie konkretere Vorwürfe vortragen müssen. Während sich Schadensersatzklagen gegen VW lassen ziemlich leicht durchsetzen lassen, müssen klagende Audi-Besitzer ihre Anschuldigungen untermauern. Welchen Anteil hatte Audi an der Entwicklung des betreffenden Motors oder was war dem Konzern über den Schadstoffausstoß der VW-Motoren bekannt?
Nach Unternehmensangaben ist gegen Audi ist eine niedrige vierstellige Zahl von Klagen anhängig. Die meisten betroffenen Dieselfahrer haben den Mutterkonzern VW auf Schadenersatz verklagt. Noch ist nicht geklärt, was genau Audi-Manager vom Abgasbetrug wussten. Nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks und des Handelsblatts nutzt Audi jedenfalls in zahlreichen Diesel-Modellen nicht nur eine, sondern bis zu vier Abschalteinrichtungen.