Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat einen VW-Mitarbeiter wegen Beihilfe zur Marktmanipulation angeklagt, weil er in einer Unternehmensmeldung falsche Zahlen zum Dieselskandal veröffentlicht hatte. Ein weiterer Beschuldigter hat eine Geldauflage in Höhe von 30.000 Euro bezahlt, damit ein Verfahren gegen ihn eingestellt werden konnte. Das berichtet die WirtschaftsWoche unter Berufung auf einen Sprecher der Behörde.
Im Rahmen des aufgedeckten Dieselskandals hatte VW am 3. November 2015 in einer Ad-hoc-Meldung verkündet, dass es auch „bei der Bestimmung des CO2-Wertes für die Typ-Zulassung von Fahrzeugen zu nicht erklärbaren Werten gekommen ist“. Es seien rund 800.000 Autos betroffen. Das wirtschaftliche Risiko für das Unternehmen liege bei etwa zwei Milliarden Euro.
Kurz darauf – am 9. Dezember 2015 – beschwichtigte VW die Öffentlichkeit und die Anleger jedoch mit einer weiteren Mitteilung: Die CO2-Thematik sei „weitgehend abgeschlossen“, denn bei internen Messungen seien nur noch geringe Abweichungen festgestellt worden. Von möglichen Problemen seien nicht 800.000, sondern nur noch eine Jahresproduktion von rund 36.000 Autos betroffen.
Bewusste Manipulation des Aktienkurses
Diese Aussagen zweifelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig jetzt an: „In dieser eine vorherige Mitteilung von VW korrigierenden Meldung ist nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft eine bewusst unzutreffende, zu geringe Anzahl betroffener Fahrzeuge mit zu geringen Überschreitungen der Katalogwerte angegeben worden“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber der WirtschaftsWoche. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist damit der Aktienkurs von VW bewusst manipuliert worden – obwohl die wirtschaftlichen Risiken noch unklar waren.
Die Anklage enthält den Vorwurf, der VW-Mitarbeiter habe Ende 2015 Beihilfe zu einer Marktmanipulation geleistet. Die Ad-hoc-Meldung habe „den Börsenkurs des Unternehmens positiv beeinflusst und den Kapitalmarkt, insbesondere die Anleger, über die tatsächlich weiter vorhandenen wirtschaftlichen Risiken im Unklaren gelassen, was der Angeschuldigte gewusst und mindestens gebilligt habe“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Die Mitteilung sei unzutreffend gewesen. Es seien sehr viel mehr Fahrzeuge mit deutlich erhöhten Abweichungen von den Katalogwerten betroffen gewesen. Der Angeschuldigte habe „mindestens billigend in Kauf genommen, dass die der Meldung zugrundeliegende Argumentation in ihrer pauschalen Form unzutreffend gewesen“ sei. Das zuständige Vorstandsmitglied von Volkswagen habe die Adhoc-Meldung anschließend „im gutgläubigen Vertrauen auf die Richtigkeit des Inhaltes“ veröffentlicht – allerdings in der unzutreffenden Annahme, damit den kapitalmarktrechtlichen Pflichten nachgekommen zu sein. Ermittlungen gegen einen weiteren Beschuldigten seien gegen eine Geldauflage von 30.000 Euro eingestellt worden, so die Braunschweiger Staatsanwaltschaft.
VW weist die Vorwürfe zurück
VW ist der Ansicht, sich korrekt verhalten zu haben. Man habe damals „Kontrollmessungen an relevanten Fahrzeugen sowie die rechtliche Evaluation zugrundeliegender regulatorischer Vorgaben“ vorgenommen. Auf Basis dieser Erkenntnisse und Bewertung habe sich der Verdacht auf eine rechtswidrige Veränderung der Verbrauchsangaben von aktuellen Serienfahrzeugen nicht bestätigt.
Weil ein anderes Verfahren wegen einer etwaigen Manipulation bei der Ermittlung von Verbrauchs- und CO2-Werten im April 2020 eingestellt wurde, fühlt sich VW im Recht. Der Verdacht für eine missbräuchliche Ausnutzung der Spielräume habe sich nicht bestätigt. Nach der VW-Meldung im Dezember 2015 gab es tatsächlich umfangreiche Nachmessungen, die ergeben hatten, dass das CO2-Problem kleiner war, als anfangs vermutet. Allerdings muss eine kursrelevante Meldung bereits zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung zutreffen. Die Ermittler bezweifeln, dass VW die Lage so früh bewerten konnte.