Erste BGH-Entscheidung zum Thermofenster im Daimler-Dieselskandal

Veröffentlicht am in Abgasskandal

In einem Verfahren gegen die Daimler AG hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) zum ersten Mal zur Verwendung von sogenannten Thermofenstern geäußert – der temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung. Zwar rechtfertige die Nutzung eines Thermofensters in Dieselmotoren allein noch keinen Anspruch auf Entschädigung, doch die Richter der Vorinstanz hätten sich genauer mit dem Argument des Klägers befassen müssen, dass Daimler diese Funktion gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) verschleiert habe. Daher muss sich ein Berufungsgericht erneut mit dem Fall befassen.

Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

Der lange erwartete erste BGH-Beschluss zum Thermofenster in Mercedes Dieselfahrzeugen liegt jetzt vor, doch wichtige Fragen sind noch offen. Laut der am 26. Januar 2021 veröffentlichten Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs verletzt es den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör, wenn das Gericht seinen Vortrag nicht ausreichend würdigt. Man habe das Argument des Klägers nicht berücksichtigt, dass Daimler im Typgenehmigungsverfahren unzutreffende Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht habe.

Die Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung begründe zwar für sich allein noch kein sittenwidriges Verhalten. Allerdings könne der Klägervortrag zu unzutreffenden Angaben des Herstellers einen hinreichenden Anhaltspunkt für dessen Bewusstsein von der Unzulässigkeit der Funktion und damit für ein besonders verwerfliches und vorsätzliches Verhalten bieten. Die Richter des OLG Köln hätten sich demnach genauer mit dem Argument befassen müssen, dass Daimler die Funktion dem KBA verschleiert habe. Der BGH verweist das Verfahren daher an die Vorinstanz zurück, das Oberlandesgericht (OLG) Köln (Beschluss vom 19.01.2021, VI ZR 433/19).

Kläger verlangt Schadensersatz für Thermofenster-Abgassteuerung

Der Kläger hatte 2012 einen Mercedes-Diesel C 220 CDI mit dem Motor OM 651 der Abgasnorm Euro 5 gekauft, bei dem die Abgasreinigung über eine Abgasrückführung erfolgt, die bei kühleren Temperaturen reduziert wird – durch ein Thermofenster. Der von der Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN vertretene Kläger behauptet, dass die Motorsteuerung bei einstelligen positiven Außentemperaturen die Abgasrückführung reduziert und sie schließlich ganz abschaltet. Das führe zu einem erheblichen Anstieg der Stickoxidemissionen.

Darin sieht der Kläger eine unzulässige Abschalteinrichtung, die von Daimler gegenüber dem KBA gezielt vorenthalten und verschleiert wurde. Er fordert von der Beklagten die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs. Doch die Vorinstanzen hatten die Klage zurückgewiesen. Das OLG Köln sah allein in der Verwendung des Thermofensters keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB.

Vorinstanz OLG Köln muss neu entscheiden

Aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat sich daraufhin der BGH mit der Frage beschäftigt, ob eine Schädigung des Klägers vorliegt. Laut BGH hätte sich das OLG Köln intensiver mit weiteren Anhaltspunkten dafür auseinandersetzen müssen, dass der Daimler AG die Unzulässigkeit dieser Funktion bewusst war. Die Verbraucherrechtskanzlei VON RUEDEN hatte auf unzutreffende Angaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems im Typgenehmigungsverfahren hingewiesen. Das habe das OLG Köln nicht ausreichend berücksichtigt und dadurch den verfassungsmäßig garantierten Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt. Jetzt muss sich ein anderer Senat des OLG Köln erneut mit dem Fall beschäftigen.

„Der Bundesgerichtshof ist dem Vorgehen einiger Oberlandesgerichte entgegengetreten, die Ansprüche wegen Verwendung des Thermofensters pauschal zurückgewiesen haben. Das ist nach dieser Entscheidung nicht mehr haltbar und die Instanzgerichte müssen sich genauer mit dem konkreten Vortrag der Kläger zu unzureichenden Angaben im Genehmigungsverfahren auseinandersetzen. Offenbar hält der BGH diesen Aspekt für geeignet, einen hinreichenden Anhaltspunkt für ein sittenwidriges und vorsätzliches Verhalten des Herstellers zu begründen. Wir gehen davon aus, dass die Daimler AG in den Verfahren nun ihrerseits mehr liefern muss. Das ist positiv für die Kläger – auch in Verfahren gegen andere Hersteller“, kommentiert Rechtsanwalt Sebastian Steffens die Entscheidung. Er betreut das Verfahren für die Verbraucherrechtskanzlei VON RUEDEN federführend.

Erste BGH-Entscheidung zum Daimler-Thermofenster

Der BGH hat sich im Abgasskandal zum ersten Mal mit dem Daimler-Thermofenster befasst. Im VW-Dieselskandal hatten die obersten deutschen Richter im Mai 2020 bereits verbraucherfreundlich entschieden und einem VW-Besitzer einen Anspruch auf Schadensersatz zugesprochen. Auch der EuGH hat die Verbraucherrechte im Abgasskandal weiter gestärkt:Die Richter in Luxemburg haben im Dezember 2020 entschieden, dass Abschalteinrichtungen wie das sogenannte Thermofenster illegal sind, wenn sie nicht dem sicheren Betrieb des Fahrzeugs dienen. Ein weiterer Fall, bei dem es um Thermofenster von Mercedes-Motoren geht, soll am 9. März vor dem BGH verhandelt werden.

Die Verbraucherrechtskanzlei VON RUEDEN vertritt im Abgasskandal über 12.000 Dieselfahrer gegen die Autohersteller und konnte das erste verbraucherfreundliche Urteil gegen die Daimler AG vor einem Oberlandesgericht erstreiten. In unserer kostenlosen Erstberatung erfahren betroffene Dieselbesitzer, ob sich eine Klage auch in ihrem individuellen Fall lohnt.

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