Stadler vor Gericht: Was wusste der frühere Audi-Chef von den Abgasmanipulationen?

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Der ehemalige Audi-Vorstandsvorsitzende Rupert Stadler hat sich am 12. Januar 2021 im Strafverfahren vor dem LG München zu den Betrugsvorwürfen im Zusammenhang mit V6-3.0-Liter Dieselmotoren geäußert, in die der Ingolstädter Autokonzern illegale Abschalteinrichtungen eingebaut hat. Es geht um Manipulationen von 434.000 Fahrzeugen, Schäden in Milliardenhöhe und Werbelügen. „Ganz ohne Bescheißen werden wir es nicht schaffen“, schrieb ein Audi-Ingenieur im Kollegenkreis zum Thema Abgasreinigung. Aber bis zu welcher Konzernebene war der Betrug bekannt?

Neben Stadler müssen sich der ehemalige Audi-Motorenchef und Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz und die beiden Entwickler Giovanni Pamio und Henning Lörch vor Gericht verantworten. Dem leitenden Motorentwickler Pamio wird vorgeworfen, Motoren für Fahrzeuge der Marken Audi, Volkswagen und Porsche entwickelt zu haben, die mit einer unzulässigen Softwarefunktion ausgestattet waren. Die Abschalteinrichtung sorgt dafür, dass die Abgasreinigung auf dem Prüfstand besser funktioniert als im Straßenverkehr.

Betrug, mittelbare Falschbeurkundung und strafbare Werbung

Den Angeklagten Stadler, der von 2007 bis 2018 Audi-Chef war, wirft die Staatsanwaltschaft Betrug, mittelbare Falschbeurkundung und strafbare Werbung vor. Er habe „Fahrzeuge mit der manipulierten Software auf den europäischen Märkten weiterhin veräußert (…), obwohl er von den Manipulationen wusste“, heißt es in der Anklageschrift. Spätestens ab Ende September 2015 habe er von den Manipulationen Kenntnis gehabt und den Verkauf der betroffenen Autos trotzdem nicht gestoppt, um den Umsatz der VW-Tochter nicht zu gefährden.

Die Verteidigung hält die Vorwürfe gegen Stadler für „unzutreffend“. Stadler selbst gab dem Landgericht München II in seiner ersten persönlichen Aussage am 12. Januar einen Einblick in seine alltägliche Arbeit mit einem übervollen Kalender und der Zeitnot eines Vorstandsvorsitzenden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er entschieden zurück und belastete die damals leitenden Audi-Ingenieure schwer.

Hat Stadler wirklich nichts gewusst?

Nach der Aufdeckung des VW-Dieselskandals durch die US-Umweltbehörde im September 2015 habe der Entwicklungschef der Audi-Sechszylinder-Diesel dem Vorstand versichert, dass der V6 TDI keine Rollenprüfstandserkennung habe und betont, dass der „Grundsatz Rolle gleich Straße“ gelte. Deshalb sei der Schock um so größer gewesen, als die US-Behörden auch im V6-Motor eine illegale Software entdeckten. Tarnen und Täuschen sei im Kreis der Motorentwickler lange Teil einer Arbeits-, vielleicht auch einer Angstkultur gewesen. Er jedenfalls habe von alldem nichts gewusst.

Doch nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft ist Stadler für einen Schaden in Höhe von mehr als 27 Millionen Euro verantwortlich, der durch den Verkauf von rund 120.000 manipulierten Dieselfahrzeugen seit Bekanntwerden des Dieselskandals entstanden ist. Der angeklagte Motorentwickler Giovanni Pamio gab über seinen Verteidiger zu, an den Abgas-Tricksereien beteiligt gewesen zu sein. Er sieht sich jedoch in der Rolle eines Befehlsempfängers: „Alles wurde von oben bestimmt“, so sein Anwalt Walter Lechner. Die Probleme mit den zu kleinen Adblue-Tanks für die Abgasreinigung seien „allen Beteiligten bis zur Konzernspitze von VW und Audi bekannt“ gewesen. Die strategische Entscheidung habe der Vorstand getroffen.

Der Audi-Abgasskandal beschäftigt die Zivilgerichte

Das Gericht rechnet mit über 180 Verhandlungstagen; das Urteil soll Ende 2022 gefällt werden. Ob die Wirtschaftsstrafkammer Rupert Stadler glauben wird, bleibt abzuwarten. Die Zivilgerichte werfen Audi jedenfalls zunehmend auch bei den 3,0-Liter-V6-Premium-Modellen der Marken Audi, Porsche und VW Abgasbetrug vor. Es geht dabei um die von Audi entwickelten Motoren mit der Typenbezeichnung EA897 und EA896. Nach Niederlagen vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, dem OLG Naumburg und dem Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth wurde die Audi AG zuletzt vor dem LG Marburg bezüglich des 3,0-Liter-Dieselmotor der Schadstoffklasse Euro 5 zu Schadensersatz verurteilt.

Wegen manipulierter V6- und V8-Motoren von Audi, die von Porsche in seinen Dieselfahrzeugen verbaut wurden, hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart Porsche im Mai 2019 wegen fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht zu einem Bußgeld in Höhe von 535 Millionen Euro verurteilt. Audi soll außerdem nicht nur seine Dieselmotoren systematisch manipuliert haben – auch die Abgasreinigung von Benzinern weist auf dem Prüfstand bessere Werte auf als im Straßenbetrieb.

Betrogene Audi-Kunden sollten sich wehren!

Nach dem EuGH-Urteil im Dezember 2020 dürfte im Abgasskandal ein noch schärferer Wind wehen: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Autohersteller keine Abschalteinrichtungen nutzen dürfen, die auf dem Prüfstand die Abgaswerte verbessern. Damit haben die obersten EU-Richter ein wegweisendes Urteil gefällt, das betrogenen Autobesitzern vor Gericht noch mehr Rückenwind verschaffen wird.

Besitzer von Audi-Dieselfahrzeugen sollten ihre Schadensersatzansprüche jetzt einklagen – bevor eine Verjährung eintritt. Die Chancen für eine Rückgabe des Fahrzeugs gegen die Zahlung von Schadensersatz stehen gut. Die Verbraucherrechtsanwälte der Kanzlei VON RUEDEN sind auf Fälle im Abgasskandal spezialisiert und beraten Sie gern zu Ihren rechtlichen Möglichkeiten im Audi-Abgasskandal.Nutzen Sie unser kostenfreies Erstgespräch!

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