Nach einem Unfall zählt oft jede Minute. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wie man zügig eine Rettungsgasse bildet. Den meisten Autofahrern ist klar, dass man bei Stau eine Rettungsgasse freilässt. Doch anders als viele vermuten, muss die Rettungsgasse bereits gebildet werden, wenn man auf Autobahnen oder mehrspurigen Straßen nur noch mit Schrittgeschwindigkeit fahren kann. Wenn der Verkehr nämlich bereits stillsteht und die Rettungskräfte von hinten kommen, ist es oft zu spät. Dann gibt es nicht mehr genug Platz für die Rettungsgasse.
Die Straßenverkehrsordnung (StVO) schreibt in §11, Abs. 2 vor, dass bei stockendem Verkehr immer freie Bahn für die Rettungsfahrzeuge geschaffen werden muss – und zwar bereits bei der Annäherung im Rückstau. Seit 2016 heißt es in der StVO: „Sobald Fahrzeuge auf Autobahnen sowie auf Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich die Fahrzeuge im Stillstand befinden, müssen diese Fahrzeuge für die Durchfahrt von Polizei- und Hilfsfahrzeugen zwischen dem äußerst linken und dem unmittelbar rechts daneben liegenden Fahrstreifen für eine Richtung eine freie Gasse bilden.“
Es spielt keine Rolle, ob der Stau im Berufsverkehr, wegen einer Baustelle oder wegen eines Unfalls entsteht. Wenn sich die Einsatzfahrzeuge bei der Bildung der Rettungsgasse bereits nähern, geht unnötig Zeit verloren. Die Fahrzeuge stehen im Stau bereits dicht an dicht und es ist oft nicht mehr möglich, den Rettungsfahrzeugen zügig Platz zu schaffen.
Wie bildet man die Rettungsgasse?
Die Rettungsgasse wird immer zwischen dem linken und den übrigen Fahrstreifen gebildet. Wer auf dem linken Fahrstreifen fährt, weicht nach links aus. Ist man auf einem der anderen Fahrstreifen unterwegs, fährt man nach rechts. Bei Annäherung an einen Stau sollte das Warnblinklicht eingeschaltet werden, um andere vor dem stockenden oder stehenden Verkehr zu warnen.
Im Stau oder bei Verkehr in Schrittgeschwindigkeit muss ein ausreichender Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug eingehalten werden, um ein Rangieren zu ermöglichen. Der ADAC empfiehlt etwa eine Wagenlänge Abstand.
Darf der Standstreifen befahren werden?
Nein – der Standstreifen muss grundsätzlich frei bleiben, weil er baulich nicht zum Befahren angelegt wurde. Das gilt auch für Motorräder. Es dürfen grundsätzlich weder die Rettungsgasse noch der Standstreifen befahren werden. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Polizei jemanden zum Befahren auffordert oder wenn keine andere Möglichkeit besteht, eine Rettungsgasse zu bilden. Dann kann ausnahmsweise auch der Standstreifen benutzt werden.
Darf man die Rettungsgasse befahren?
Die Rettungsgasse darf nur von Polizei- und Hilfsfahrzeugen befahren werden. Hilfsfahrzeuge sind: Rettungsdienst, Feuerwehr, Krankenwagen, Arzt- und Abschleppfahrzeuge. Auch nachalarmierte Hilfskräfte wie Einheiten des Technischen Hilfswerks, Abschlepp- und Bergedienste, Gutachter oder Bestattungsunternehmer könnten noch an den Unfallort kommen. Allen anderen Fahrzeugen ist die Durchfahrt untersagt. Die Nichtbeachtung dieser Vorschrift wird mit einem Bußgeld geahndet.
Wenn das erste Rettungsfahrzeug vorbeigefahren ist, darf die Rettungsgasse nicht wieder geschlossen werden, denn es können weitere Rettungsfahrzeuge folgen. Die Rettungsgasse muss so lange offengehalten werden, bis der Verkehr wieder rollt. Betreten werden darf die Rettungsgasse auf Autobahnen nur in Notsituationen.
Welche Strafen drohen, wenn man keine Rettungsgasse bildet?
Wer bei stockendem Verkehr keine vorschriftsmäßige Rettungsgasse bildet, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss mit einer Geldbuße rechnen. Bei schwerwiegenden Behinderungen der Rettungskräfte kann noch eine strafrechtliche Verfolgung hinzukommen. In der neuen StVO, die im April 2020 kurz in Kraft getreten war und die derzeit überarbeitet wird, sind die Sanktionen deutlich erhöht worden.
Wer keine vorschriftsmäßige Rettungsgasse bildet, muss demnach künftig mit einem Bußgeld in Höhe von 200 Euro und zwei Punkten in Flensburg und einem Monat Fahrverbot rechnen. Bei Behinderung der Rettungskräfte erhöht sich Bußgeld auf 240 Euro und mit Gefährdung beträgt es 280 Euro. Kommt es zu einer Sachbeschädigung, werden 320 Euro Bußgeld fällig.
Auch das sogenannte Gaffen wird in Zukunft hart sanktioniert: Wer einen Unfall beobachtet und dabei abbremst, um eine bessere Sicht zu haben, behindert die Rettungskräfte und verlängert den Stau. Das Gaffen von Schaulustigen ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld von 20 bis 1000 Euro geahndet werden. Das Fotografieren oder Filmen von verunglückten Autos und Verletzten ist ebenfalls verboten und kann mit einer Geldstrafe oder sogar einer Freiheitsstrafe sanktioniert werden.