Bundesverfassungsgericht: Verkehrssünder dürfen Rohmessdaten von Blitzern einsehen

Veröffentlicht am in Verkehrsrecht

Wer bei einer Verkehrskontrolle geblitzt wurde, hat das Recht, die Rohdaten des Messgeräts einzusehen, um mögliche Messfehler finden zu können. Mit diesem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe die Rechte von Betroffenen gestärkt und einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben. Andernfalls werde das Recht auf ein faires Verfahren verletzt, das sich aus den Artikeln 2 und 20 des Grundgesetzes ergebe.

Bei standardisierten Messverfahren wie Geschwindigkeitsmessungen muss nicht jedes Mal die Richtigkeit der Messung überprüft werden. Betroffene können aber Zugang zu nicht in den Akten befindlichen Informationen fordern, so die Richter des BVerfG (Az.: 2 BvR 1616/18). Das Gericht gab mit der Entscheidung einer Verfassungsbeschwerde zum Zugang zu Informationen im Bußgeldverfahren statt, die nicht Teil der Bußgeldakte sind.

Vorinstanzen hatten Einsicht in Rohmessdaten verwehrt

Das Amtsgericht (AG) im fränkischen Hersbruck hatte vor drei Jahren einen Autofahrer zu einer Geldbuße verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt, weil er die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 30 Kilometer pro Stunde überschritten hatte. Daraufhin wollte der Mann unter anderem die Akte des verwendeten Messgeräts, den Eichschein und die sogenannten Rohmessdaten einsehen, die sich nicht in der Bußgeldakte befanden.

Das hatten ihm die Behörde, das Amtsgericht und später auch das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg verwehrt. Das AG argumentierte, dass es sich bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem zum Einsatz gekommenen Messgerät um ein sogenanntes standardisiertes Messeverfahren handele, womit von der Richtigkeit der Messung ausgegangen werden könne. Das OLG Bamberg war der Ansicht, der Mann habe im Verfahren ausreichende prozessuale Möglichkeiten, sich aktiv an der Wahrheitsfindung zu beteiligen. Eine Heranziehung von Beweismitteln oder Unterlagen sei nicht geboten.

Betroffene müssen Messung überprüfen können

Der Fahrer wandte sich an die Karlsruher Richter, die entschieden, dass Bußgeldverfahren wegen der Masse an Verkehrsverstößen vereinfacht werden sollten. Es müsse nicht jedes Mal „anlasslos die technische Richtigkeit einer Messung jeweils neu überprüft werden“. Aus diesem Recht auf ein faires Verfahren ergebe sich aber, dass Betroffene Informationen der Bußgeldbehörde, die nicht Teil der Akte seien, überprüfen dürften.

Das Recht auf Informationszugang gelte allerdings nicht unbegrenzt. Um eine uferlose Ausforschung und Verfahrensverzögerungen zu verhindern, müssten die begehrten Informationen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitsvorwurf stehen und eine Relevanz für die Verteidigung besitzen. Entscheidend sei, ob der Betroffene eine Information für die Beurteilung des Vorwurfs für bedeutsam halten dürfe.

Konkrete Anhaltspunkte für fehlerhafte Messung erforderlich

„Solange sich aus der Überprüfung der Informationen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses ergeben, bleiben die Aufklärungs- und Feststellungspflichten der Fachgerichte nach den Grundsätzen des standardisierten Messverfahrens reduziert“, stellte das BVerfG fest. Fänden sich konkrete Anhaltspunkte auf ein fehlerhaftes Messergebnis, müssten die Gerichte – gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen – entscheiden, ob dennoch ein Verstoß vorliege. Die bloße Behauptung einer fehlerhaften Messung, begründe keine Pflicht zur Aufklärung.

Das Bundesverfassungsgericht hob die bisherigen Entscheidungen mit diesem Beschluss vom 12. November 2020 auf und verwies den Fall zurück an das Amtsgericht Hersbruck. Die Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren muss der Freistaat Bayern erstatten.

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