Zahlreiche deutsche Gerichte haben die Daimler AG im Abgasskandal bereits zu Schadensersatz verurteilt. Im September 2020 urteilte erstmals auch ein Oberlandesgericht (OLG) im Sinne eines betrogenen Mercedes-Besitzers: Das OLG Naumburg sprach einem Daimler-Kunden, der von der Verbraucherrechtskanzlei VON RUEDEN vertreten wurde, Schadensersatz zu. Mit Urteil vom 30. November 2020 hat jetzt auch das Landgericht (LG) München zugunsten des geschädigten Mercedes-Besitzers entschieden. Vertreten wurde auch dieser Kläger von der Kanzlei VON RUEDEN.
In dem Fall ging es um einen zurückgerufenen Mercedes GLK 200 CDI aus dem Baujahr 2012 mit 300.000 Kilometern Gesamtlaufleistung. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte das Fahrzeug wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen verpflichtend zurückgerufen und konkret die Funktion des Kühlmittelthermostats beanstandet. In dem Fahrzeug ist ein von Daimler entwickelter Motor vom Typ OM 651 verbaut. Nach über zweijährigem Ringen hat der Richter die Daimler AG jetzt zu Schadensersatz verurteilt (Az.: 15 O 11052/18). Daimler habe den in dem Verfahren Vortrag der Klägerseite nicht ausreichend bestritten.
LG München: Verantwortliche wussten von unzulässigen Abschalteinrichtungen
Laut der Klagepartei ist der Motor mit einer Steuerungssoftware ausgestattet, die sechs Abschalteinrichtungen enthält, die auf die Abgasemissionen des Fahrzeugs einwirken. Neben einem sogenannten Thermofenster wird auch eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung genutzt, die auf dem Prüfstand beim Durchlaufen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) aktiviert ist. Dadurch hält das Fahrzeug in der Testsituation die gesetzlichen Grenzwerte ein, während die Funktion im Straßenbetrieb deaktiviert ist, sodass die Emissionen erheblich ansteigen.
Das Gericht schließt sich dieser Auffassung an und ist davon überzeugt, dass die Handelnden und Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein gehandelt haben, möglicherweise unzulässige Abschalteinrichtungen zu verwenden. Daimler habe nicht wirksam bestritten, dass die Motorsteuerung im normalen Fahrbetrieb nicht in gleicher Weise arbeitet wie auf dem Prüfstand.
Sittenwidrige Verwendung der Software
Das Gericht hatte Daimler aufgefordert, die Bescheide des KBA vorzulegen. Die Dokumente legte Daimler dann lediglich in stark geschwärzter Form vor, was dem Gericht nicht genügte. Die Richter des Landgerichts München kamen zu dem Schluss, dass die Verwendung der betreffenden Software sittenwidrig war, weil sie eindeutig unzulässig ist. Dadurch sei das Vertrauen der arglosen Käufer auf verwerfliche Weise vorsätzlich ausgenutzt worden.
Daimler hat zudem nicht ausreichend bestritten, dass auch der Vorstand Kenntnis von dieser Praxis hatte, und muss sich dieses sittenwidrige Verhalten deshalb auch zurechnen lassen. Die Beklagte habe „nicht dazu vorgetragen, welche Gesetzesauslegung und -anwendung durch ihre Organe vorgenommen wurden. […] Das Gericht kann daher nicht ohne nähere Angaben der Beklagten unterstellen, dass ihre Organe noch von einer zulässigen Gesetzesauslegung ausgegangen sind“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Kläger hat Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags
Der Schaden des Klägers besteht darin, dass er den Kaufvertrag aufgrund einer Täuschung abgeschlossen hat – was er in Kenntnis der wahren Umstände nicht getan hätte. Ihm steht daher laut Gericht gegen die Beklagte wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB ein Schadensersatzanspruch zu. Das Gericht stellt deshalb seinen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrags fest und legt eine Gesamtlaufleistung von 300.000 Kilometer zugrunde. Dem Kläger steht eine Zahlung in Höhe von 18.941 Euro gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu.
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