Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und VW sind vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig mit ihrem Versuch gescheitert, die Einsicht in die Dieselskandal-Akten zu verweigern. Das Verkehrsministerium muss der Deutschen Umwelthilfe (DUH) umfassende Einsicht in die Akten zum Dieselskandal gewähren – nur personenbezogene Daten dürfen geschwärzt werden.
Die obersten deutschen Verwaltungsrichter ließen die Revision des Bundesverkehrsministeriums gegen das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg nicht zu. Das Gericht hatte Ende März letzten Jahres entschieden, dass die Information der Öffentlichkeit wichtiger sei als das Geheimhaltungsinteresse des Verkehrsministeriums (OVG 12 B 14.18).
Wichtiger Sieg gegen das Kraftfahrt-Bundesamt und VW
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat mit dieser Entscheidung des OVG Schleswig einen wichtigen Sieg gegen das Kraftfahrt-Bundesamt und VW errungen. Der Umweltverband erhält jetzt Einsicht in den gesamten Schriftverkehr zwischen dem Kraftfahrt-Bundesamt und der Volkswagen AG zwischen dem 18. September 2015 und dem 15. Oktober 2015. Das ist der Tag der Anordnung des Rückrufs für die Dieselfahrzeuge mit dem berüchtigten VW-Motor EA 189. Zudem kann die DUH die Unterlagen des entsprechenden Verwaltungsvorgangs einsehen.
DUH-Bundesgeschäftsführer Resch bezeichnet die Entscheidung als „schallende Ohrfeige für Verkehrsminister Scheuer“ und freut sich über den Erfolg: „Seit fünf Jahren verweigert der Betrugskonzern VW in konspirativer Abstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium die Einsicht in Akten, die die Durchsetzung der Rechte von Millionen VW-Dieselopfern entscheidend erleichtern würden“, so Resch.
VW geschützt und Millionen Fahrzeughalter geschädigt
Scheuer habe im Dieselabgasskandal durch die Nichtveröffentlichung ihm vorliegender Fakten den VW-Betrugskonzern geschützt und Millionen betroffene Fahrzeughalter geschädigt. „Allein mit der Baureihe EA 189, um die es bei diesen Akten geht, wurden in Deutschland 2,5 Millionen Kunden betrogen. Und das nicht nur beim Kauf der Fahrzeuge, sondern auch später durch neue, aufgespielte Abschalteinrichtungen bei Software-Updates, die nun mit behördlichem Segen besonders in der kommenden kalten Jahreszeit für massiv erhöhten Schadstoffausstoß sorgen“, so der Bundesgeschäftsführer der DUH weiter. Am Motor EA 189 mit der Abgasnorm Euro 5 hatte sich im September 2015 nach den Ermittlungen der US-amerikanischen Behörden der VW-Abgasskandal in Deutschland entzündet.
Information der Öffentlichkeit wichtiger als Geheimhaltungsinteresse
Die DUH hatte schon vor fünf Jahren Akteneinsicht verlangt und in erster Instanz Recht bekommen. Das Verwaltungsgericht Schleswig entschied im April 2018 zunächst im Sinne der DUH. Im Frühjahr 2016 hatte das KBA eine fast komplett geschwärzte rund 600-seitige Akte geschickt. Die DUH klagte daraufhin auf „Entschwärzung“ und Offenlegung aller nicht personenbezogenen Angaben.
Doch das beklagte Kraftfahrt-Bundesamt und die Volkswagen AG beantragten die Zulassung der Berufung – mit dem Argument, dass es seine Informationspflicht in diesem Fall nicht erfüllen müsse, weil noch strafrechtliche Ermittlungsverfahren liefen. Außerdem sei es an Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene beteiligt. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hat diesen Antrag mit dem am 5. Oktober 2020 zugestellten Beschluss abschließend abgelehnt, womit das Urteil von 2018 rechtskräftig ist.
Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertreten hat, kommentiert den Ausgang des Verfahrens: „Das Gericht macht in seinem Beschluss deutlich, dass es sich bei den Unterlagen nicht um interne Kommunikation handelt. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, welche Absprachen es zwischen KBA und VW im Herbst 2015 gab.“