Wer auf deutschen Straßen zu schnell fährt, muss seit dem 28. April mit verschärften Sanktionen rechnen – seitdem gilt die neue Straßenverkehrsordnung (StVO). Besonders die Strafen für Geschwindigkeitsüberschreitungen sind im aktualisierten Bußgeldkatalog zum Teil drastisch erhöht worden. Außerdem kommt es deutlich schneller zu Fahrverboten. Der Automobilclub Mobil in Deutschland e. V. will die „Führerschein-Falle“ mit einer Online-Petition rückgängig machen.
Verkehrsminister Scheuer sieht in seinem neuen Bußgeldkatalog einen großen Erfolg für die Verkehrssicherheit. „Ich freue mich, denn damit machen wir unsere Mobilität sicherer, klimafreundlicher und gerechter“, so Scheuer gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Doch viele Autofahrer halten die Neuerungen für überzogen. Der Automobilclub Mobil in Deutschland e. V. mit Sitz in München kritisiert die neuesten Anpassungen, die vor allem Temposünder betrifft.
Führerschein-Falle für Temposünder
Die Verantwortlichen bezeichnen die neue StVO als „Führerschein-Falle“, weil bereits bei geringen Geschwindigkeitsübertretungen der Entzug des Führerscheins droht. Wer zum Beispiel innerorts 21 km/h zu schnell unterwegs ist und erwischt wird, handelt sich neben einer Geldstrafe in Höhe von 80 Euro auch einen Punkt in Flensburg und ein einmonatiges Fahrverbot ein.
Der neue Bußgeldkatalog sei für Vielfahrer und Pendler wie ein Damoklesschwert, kritisiert Dr. Michael Haberland (52), Präsident des Automobilclubs die neuen Regelungen. „Führerscheinentzug ab 21 km/h zu schnell innerorts und ab 26 km/h auf der Autobahn ist total überzogen“, so der Münchner Lokalpolitiker (CSU). Vor der StVO-Novelle lagen die Grenzen für Verkehrssünder bei 31 bzw. 40 km/h.
Neue StVO könnte 200.000 Jobs kosten
Ausgerechnet in den aktuellen Krisenzeiten, die für Solidarität und Gemeinschaft stehen sollen, würden Autofahrer mit den neuen StVO-Regelungen regelrecht drangsaliert, so Haberland. Außerdem habe es noch nie so wenig Verkehrstote gegeben wie 2019. „Es gibt somit überhaupt keine Notwendigkeit, Autofahrer hier über Maß zu bestrafen. Wir haben gute Autos, gute Autofahrer, gute Straßen und Autobahnen in Deutschland.“
Wegen der verschärften Regelungen im Jahr rechnet Haberland mit zwei Millionen Führerschein-Entzügen. Das werde vor allem Berufskraftfahrer und Pendler hart treffen. Er geht deshalb davon aus, dass die Anpassung des Bußgeldkatalogs 200.000 Jobs kosten könnte.
Online-Petition soll Führerschein-Falle wieder abschaffen
Um das zu verhindern, haben die Verantwortlichen eine Online-Petition ins Leben gerufen, die sich an Bundesrat und Bundestag richtet: „Wir fordern den Bundesrat und Bundestag umgehend auf, die neuen überzogenen StVO-Regelungen in Bezug auf die Strafen bei Geschwindigkeitsverstößen anzupassen und diese ‚Führerschein-Falle‘ wieder abzuschaffen“, so Haberland.
Auf heftige Kritik stießen die neuen Regelungen auch beim ADAC und bei der FDP. „Autofahrer müssen wissen: Geschwindigkeitsverstöße werden sowohl innerorts als auch außerorts deutlich früher mit Fahrverbot belegt – unabhängig von der Gefährdungssituation und ohne ausreichende Differenzierung“, kommentierte ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand die neue StVO.
Der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic ist der Ansicht, dass es dem neuen Bußgeldkatalog „teilweise an Maß und Mitte“ fehlt. Es sei unpassend, Falschparken auf einem Parkplatz für Elektroautos ebenso zu bestrafen wie auf einem Parkplatz für Schwerbehinderte. Für beide Verstöße werden jetzt 55 Euro fällig. Dass künftig ein einmonatiges Fahrverbot schon dem droht, der außerorts mal mit 26 Kilometern pro Stunde zu schnell erwischt wird, sei praxisfern und überzogen.
Die Grünen begrüßen die neuen Regelungen: Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar lobt die Aufstockung der Bußgelder im Grundsatz, findet sie allerdings unvollständig. Auch der Auto Club Europa (ACE) äußert sich positiv dazu – allerdings sei die Chance einer grundlegenden Reform verpasst worden. Die neuen Bestimmungen sollen vor allem Radfahrern mehr Sicherheit bringen, zu schnelles Fahren und widerrechtliches Parken schärfer ahnden und Elektromobilität fördern.
Hat die Petition Aussicht auf Erfolg?
Nach Artikel 17 des Grundgesetzes kann sich jeder mit Bitten und Beschwerden schriftlich an den Bundestag, Landtag oder Kreistag richten. Der Petitionsausschuss muss sich mit jeder ordnungsgemäß eingereichten Petition befassen – unabhängig von der Anzahl der gesammelten Unterschriften.
Werden innerhalb einer vierwöchigen Frist 50.000 Stimmen gesammelt, muss sich der Ausschuss näher mit der Petition beschäftigen. Der Antragsteller hat dann die Chance, sein Anliegen mit den Abgeordneten in einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages zu diskutieren. Bislang haben knapp 130.000 Kritiker der „Führerschein-Falle“ die Petition unterzeichnet (Stand: 13. Mai). Nächste Woche will Haberland die Unterschriftensammlung dem Bundesrat vorlegen, um sein Anliegen prüfen zu lassen.