In manchen Fällen ist es unumgänglich, ein Immobiliendarlehen vorzeitig zurückzahlen – zum Beispiel, weil man seinen Arbeitsplatz verloren hat oder umziehen muss. Der vorzeitige Ausstieg aus dem Kreditvertrag kann allerdings richtig teuer werden: Die meisten Banken fordern nämlich eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung (VFE). Durch ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gibt es aber jetzt eine Möglichkeit, die kostspielige Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen.
Wer seinen Verbraucherkredit vorzeitig beenden möchte, muss eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank zahlen. Diese Summe entschädigt den Kreditgeber für den Zinsausfall für die vereinbarte Laufzeit des Kredits. Dabei geht es oft um Zahlungen von mehreren tausend Euro. Ein aktuelles Urteil des EuGH eröffnet Kreditnehmern jedoch die Möglichkeit, die Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen. Immobilienkäufer können jetzt günstig umschulden und Autokäufer ihre ungeliebten Diesel loswerden. Warum das möglich ist, erklärt unser Immobilienkredits-Rechtsexperte und Partner der Kanzlei Johannes von Rueden im Video:
Verbraucherfreundliches Urteil des EuGH
Der EuGH hat in einer Entscheidung vom 26. März 2020 die Verbraucherrechte bei Kreditverträgen gestärkt: Verbraucherkreditverträge müssen jetzt ganz klar die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben – und das ist in vielen Verträgen nicht der Fall. Demnach dürften fast alle Kreditverträge, die zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 unterzeichnet wurden, widerrufen werden können.
In dieser Zeit haben nämlich viele Banken eine Mustervorlage für eine Widerrufsbelehrung genutzt, die jetzt als rechtswidrig gilt, weil darin nicht alle erforderlichen Pflichtangaben genannt werden. Stattdessen verweist der Vertrag auf eine nationale Vorschrift, die wiederum auf andere auf nationale Rechtsvorschriften verweist – eine sogenannte Kaskadenverweisung. Juristische Laien können dadurch nicht prüfen, ob der Vertrag alle notwendigen Angaben enthält. Es erschließt sich auch nicht, wann genau die Widerrufsfrist begonnen hat. Die unzureichenden Widerrufsklauseln bieten jetzt vielen Kreditnehmern die Chance, die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen.
Mit dem Widerruf fünfstellige Summen sparen
Das Urteil betrifft fast alle Immobiliendarlehensverträge aus der Zeit vom 11. Juni 2010 bis 20. März 2016, Autofinanzierungen und Konsumentenkredite vom 11. Juni 2010 bis heute. Sogar Kredite, die schon abgelöst worden sind, können widerrufen werden, und zwar auch dann, wenn die Bank schon eine Vorfälligkeitsentschädigung kassiert hat. Hauskäufer könnten durch die Rückabwicklung ihrer Kreditverträge fünfstellige Summen sparen.
Baufinanzierungszinsen kosteten im Jahr 2010 nämlich etwa 4,3 Prozent. Durch die Niedrigzinsphase sind sie mittlerweile aber auf weit unter ein Prozent abgesackt. Momentan liegen die Bauzinsen für eine 15-jährige Zinsbindung bei nur noch ungefähr 0,76 Prozent. Kreditnehmer müssen heute also etwa 3,5 Prozent weniger Zinsen zahlen als vor zehn Jahren. Bei einem Kredit von 200.000 Euro kann man so bei 15 Jahren Laufzeit rund 30.000 Euro sparen.
Mehrfach vom Widerrufsjoker profitieren
Der sogenannte Widerrufsjoker bietet Kreditnehmern die Chance, ihre Zinsen mit einem neuen Kreditvertrag deutlich zu senken. Auch beim Verkauf der Immobilie kann mit dem Widerruf des Kreditvertrags viel Geld gespart werden, weil die Vorfälligkeitsentschädigung entfällt.
Im Gegensatz zu einer vorzeitigen Kündigung des Kreditvertrags handelt es sich beim Widerruf um eine Rückabwicklung des Vertrags – so als wäre der Vertrag nie geschlossen worden. Eine bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung, zu viel gezahlte Zinsen und der sogenannte Nutzungsersatz können ebenfalls zurückgefordert werden. So kommen Verbraucher ohne zusätzliche Kosten aus ihrem Kreditvertrag.
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